Der Mann, der bei Borussia Mönchengladbach nach der Relegations-Rettung 2011 eines der Gesichter des Aufschwungs war, ist wieder in Gladbach: Ex-Kapitän Martin Stranzl. Er hospitiert im Rahmen seiner Ausbildung zum Diplom-Fußballmanager beim früheren Arbeitgeber.

Sicher schaut er sich auch Spiele an, und vielleicht sogar die Interviews danach. Tat er das nach Gladbachs 1:1 gegen den FC St. Pauli, mag es für den langen Österreicher wie ein Blick in den Spiegel gewesen sein. Denn Tim Kleindienst, der wie Stranzl einen Bart trägt, lederte ordentlich los nach dem seltsam passiven Auftritt in Hamburg.

So etwas war früher das Privileg von Stranzl: die Finger in Wunden legen, gar nicht erst zu viel Wohlfühlatmosphäre aufkommen lassen, schon gar keine voreilige Zufriedenheit. Eben dies tat nun auch Kleindienst. Er machte in Hamburg eine Mängelliste auf, die gefühlt so lang war wie das Telefonbuch von New York, allein der Punkt fand in seinen Augen Gnade. Und die Leistung des Teenagers im Tor, Tiago Pereira Cardoso. Ansonsten war Kleindienst einfach nur sauer, ob der verpassten Chance, gleichzuziehen mit den FSV Mainz 05, der auf einem Champions-League-Rang logiert.

Kleindienst hat viel vor mit Gladbach, aber auch mit sich selbst. 2026 ist die Weltmeisterschaft, wäre sie in diesem Sommer, wäre er sicher dabei, und daran soll sich im kommenden Jahr nichts ändern. Der Stürmer hat es selbst auf dem Fuß und dem Kopf, das weiß er. Doch er weiß auch: Je höher das Niveau, auf dem er unterwegs ist, desto hilfreicher ist es. Daher wäre die internationale Bühne eine, die ihm gefallen würde in der neuen Saison.

So ist es auch bei Rocco Reitz, wie Kleindienst einer, der mit seinem Engagement und seinem Ehrgeiz für den nach oben gerichteten Trend in Gladbach steht. Und einer, der von der WM träumt.

Dass er nach Europa will, bestenfalls in die Champions League, das hat er schon im Januar im Interview mit unserer Redaktion gesagt, nun bekräftigte er den Wunsch in der „Sport Bild“: „Unter der Woche irgendwo hinzufliegen, bei Flutlicht in vollen Arenen zu spielen und dabei unsere Fans glücklich zu machen – das sind meine Träume.“

Von seinem Schwiegervater Karlheinz Pflipsen hat er sich die eine oder andere Europapokal-Geschichte erzählen lassen, für einen wie Reitz ist so etwas pure Motivation. Dass er seine eigenen internationalen Erfahrungen auf Klub-Ebene am liebsten mit Gladbach machen will, ist kein Geheimnis. Wechselabsichten hegt er jedenfalls „im Moment“ keine.

Reitz über Gladbach: „Warum sollte ich andere Pläne haben?“

„Ich bin seit über 15 Jahren im Verein, fühle mich extrem wohl, kenne jeden Menschen hier. Ich wüsste keinen Grund, warum ich andere Pläne haben sollte“, sagte Reitz. Aber was, wenn es kein Europa gibt? Eine Ausstiegsklausel existiert für 2026, aber wenn schon in diesem Sommer ein Klub mit Europa-Spielen anklopft?

Das könnte auch etwas sein, das Tim Kleindienst umtreibt. Der FC Bayern soll interessiert sein. Dessen Sportvorstand Max Eberl, früher Manager in Gladbach, hat seinen Ex-Verein sicherlich im Blick und hatte Kleindienst auch schon im Visier, als er noch bei RB Leipzig tätig war. Kleindienst als Back-up für Harry Kane? Durchaus vorstellbar.

Aber was will Kleindienst? Heidenheim verließ er, nachdem er den Klub nach Europa geschossen hatte. Will er weiter warten, wenn Gladbach keinen Europapokal-Wettbewerb erreicht? Auch mit Blick auf die WM? „Wo ich nächstes Jahr bin? Keine Ahnung. Stand jetzt bei Borussia Mönchengladbach. Ich habe einen Vertrag, den kennt jeder“, sagte er zuletzt, sein Arbeitspapier ist bis 2028 datiert.

Gladbach: Nagelsmanns Ansage an Kleindienst

Allerdings hat Kleindienst auch die Ansage von Bundestrainer Julian Nagelsmann im Ohr. Spielen soll er so viel wie möglich. Was das angeht, hat er nahezu eine Garantie in Gladbach, sofern er gesund ist. Woanders müsste er sich den Status, den er im Niederrhein hat, erst erarbeiten.

Gladbach plus Europa, das würde Kleindienst wohl kaum in Versuchung bringen, sich zu verändern. Dass ihm das Thema wichtig ist, zeigte seine Reaktion auf das 1:1 in St. Pauli. Nun folgen die Spiele gegen die Europa-Konkurrenz SC Freiburg und Borussia Dortmund. Da kann Gladbach Statements abgegeben in der Europa-Frage. Die wiederum wäre eine perfekte Botschaft für ambitionierte Mitarbeiter wie Kleindienst und Reitz. Ergebnisse sagen im Fußball mehr als Worte.