Nach Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes und zweier niederländischer Geheimdienste hat Russland den Einsatz verbotener chemischer Waffen gegen ukrainische Soldaten intensiviert. „Der Einsatz von Tränengasen sowie Chlorpikrin durch russische
Truppen ist nun zur Standardpraxis geworden und weit verbreitet“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung des deutschen Auslandsgeheimdienstes, des niederländischen Militärnachrichtendienstes MIVD sowie des niederländischen Nachrichtendienstes AIVD. Damit verstoße Russland gegen das
Chemiewaffenabkommen, das auf ein weltweites Verbot solcher Waffen
abzielt.

Die Erkenntnisse stammen dem Chef des MIVD, Peter
Reesink, zufolge aus „eigenen
unabhängigen Aufklärung – wir haben das also selbst beobachtet,
basierend auf unseren eigenen Untersuchungen“. Reesink sagte: „Das ist
nicht bloß improvisiertes Herumbasteln an der Frontlinie – das ist
wirklich Teil eines groß angelegten Programms. Und das ist natürlich
beunruhigend, denn wenn wir nicht klarstellen und öffentlich machen, was
Russland da tut, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich dieser Trend
fortsetzt.“

„Intensivierung ist besorgniserregend“

„Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass wir bestätigen können, dass
Russland seinen Einsatz von Chemiewaffen intensiviert“, sagte der niederländische Verteidigungsminister Ruben Brekelmans der Nachrichtenagentur Reuters. „Diese Intensivierung ist besorgniserregend, weil sie Teil
eines Trends ist, den wir seit mehreren Jahren beobachten: Russlands
Einsatz von Chemiewaffen in diesem Krieg wird immer normaler,
standardisierter und weiter verbreitet.“

© Lea Dohle

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Mindestens drei ukrainische Tote seien direkt auf den Einsatz von Chemiewaffen zurückzuführen. Rund 2.500 verletzte ukrainische Soldaten würden außerdem Symptome aufweisen, die auf derartige Waffen hinweisen. 

Chlorpikrin bereits im Ersten Weltkrieg eingesetzt

Die russische Armee werfe unter anderem das Erstickungsmittel Chlorpikrin aus Drohnen ab,
um Soldaten gezielt aus Schützengräben zu vertreiben und dann zu
erschießen, zitiert Reuters Verteidigungsminister Brekelmans. Chlorpikrin, auch Trichlornitromethan genannt,
ist ein chemischer Lungenkampfstoff, der im
Ersten Weltkrieg unter der Bezeichnung Grünkreuz-1
eingesetzt wurde. Grünkreuz deshalb, weil damals mit solchen Kampfstoffen
gefüllte Granaten mit einem grünen Kreuz gekennzeichnet wurden.

Der Stoff kann schwere Reizungen der Haut, Augen und Atemwege verursachen. Wenn er verschluckt wird, kann er Verbrennungen im Mund und Magen, Übelkeit, Erbrechen sowie Atemnot verursachen. Die Verwendung von Chlorpikrin könne in hoher Konzentration tödlich sein und stelle
einen ernsten Verstoß gegen das Chemiewaffenübereinkommen dar, das den
Einsatz dieses Lungenkampfstoffs unter allen Umständen untersage, heißt es vonseiten der Geheimdienste. Auch der Einsatz von Tränengas verstößt
gegen das Übereinkommen.

Möglicherweise Verstoß gegen Chemiewaffenkonvention

Die USA hatten Russland erstmals im Mai letzten Jahres beschuldigt, Chlorpikrin zu verwenden. Russland bestritt den Einsatz illegaler Waffen und beschuldigte stattdessen die Ukraine, solche Waffen zu verwenden. Die Ukraine bestreitet solche Vorwürfe konsequent.

Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) – eine im Rahmen der Chemiewaffenkonvention von 1997 gegründete Abrüstungsorganisation in Den Haag mit 193 Mitgliedsstaaten – erklärte die Anschuldigungen beider Länder im vergangenen Jahr noch als „nicht ausreichend belegt“. Bisher war die Abrüstungsorganisation nicht durch um eine von den Mitgliedsstaaten einzuleitende, vollständige Untersuchung gebeten worden. Die alle zwei Jahre rotierenden Sitze im Exekutivrat der OPWC sollen in den kommenden Monaten neu besetzt werden. Auch Russland ist Mitglied der OPCW. 

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