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Stand: 04.07.2025 17:05 Uhr

Fünf Jahre gelang es dem Gesundheitsministerium, einen Vergleich mit dem Schweizer Maskenhändler Emix geheim zu halten. Worum es genau ging, enthüllt der Sudhof-Bericht, der NDR, WDR und SZ ganz ohne Schwärzungen vorliegt.

Von Von Markus Grill und Leon Ueberall, NDR/WDR, Nadine Bader und Birthe Sönnichsen, ARD-Hauptstadtstudio

Schwarze Streifen von Seitenanfang bis Fußnote, kein Wort ist zu lesen. Die Seiten 45 bis 48 des Sudhof-Berichts zur Corona-Maskenaffäre sind komplett geschwärzt. Für die Bundestagsabgeordneten, die den Bericht nach vielem hin und her in der vergangenen Woche erhalten haben, lässt sich aus dem Kontext allenfalls erschließen, dass es auf den Seiten um die Schweizer Firma Emix gehen muss. Jens Spahns Ministerium hatte dort Masken für rund 750 Millionen Euro gekauft. Doch was sich auf den Seiten wirklich verbirgt, ist bislang geheim.

WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) liegt der vollständige Bericht ohne Schwärzungen vor. Auf den Seiten wird erstmals ausführlich über einen Vergleich mit Emix berichtet, den das Gesundheitsministerium bis heute geheim gehalten hat. In den Fußnoten zeigt sich außerdem, dass Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn direkt in die Emix-Bestellungen eingebunden war.

Das Schweizer Unternehmen Emix profitierte von der Corona-Pandemie wie kaum eine andere Firma. Zwei Jungunternehmer kauften in der Krise Masken in China und verkauften sie zu verhältnismäßig hohen Preisen ans Bundesgesundheitsministerium, ebenso wie an die Ministerien in Bayern und NRW. Mehrere Bestellungen wurden aufgegeben. Der Preis für jede FFP2-Maske lag dabei im Schnitt bei 5,58 Euro. Gegen Emix selbst ermittelt die Staatsanwaltschaft Zürich derzeit wegen Wucher bei Maskenlieferungen in der Schweiz.

Vorzugsbehandlung von Emix?

In Deutschland gibt es keine juristischen Ermittlungen wegen des Preises. Doch die Sonderermittlerin für die Maskenbeschaffung, Margaretha Sudhof, hat sich die Verträge mit Emix nun genauer angeschaut. Sie hält, so steht es in ihrem Bericht, die an Emix bezahlten „Stückpreise von über 7 Euro“ für „schwer nachvollziehbar“.

Auf den geschwärzten Seiten 45 bis 48 finden sich die Details einer „Klarstellungsvereinbarung“, die ein Abteilungsleiter Spahns am 18. Mai 2020 mit Emix unterzeichnet hatte. Obwohl das Gesundheitsministerium zuvor gegenüber der Firma gerügt hatte, dass 48 Prozent der Emix-Masken vom TÜV Nord als mangelhaft eingeschätzt wurden, erkannte das Ministerium laut der Vereinbarung einen Großteil dieser FFP2-Masken als mangelfrei an und bezahlte.

Einen weiteren Teil im Umfang von 81 Millionen FFP2-Masken durfte Emix laut der „Klarstellungsvereinbarung“ bis spätestens Ende Juli 2020 liefern. Doch auch danach wurde Emix noch „ein dreimaliges Nachlieferungsrecht zum Ersatz mangelhafter Ware eingeräumt“, dies bis Ende Dezember 2020. So heißt es im Sudhof-Bricht. Das ist erstaunlich, weil das Gesundheitsministerium gegenüber anderen Maskenlieferanten strikt auf die Einhaltung von Lieferterminen pochte.

Dazu heißt es im Bericht: „Im Lichte der Marktlage im Mai 2020 erschließt sich jedenfalls nicht, inwiefern der Emix-Vergleich die Interessen des Bundes angemessen abbildet.“ Sudhof kritisiert zudem, dass es „keine Abwägung von Risiken und Chancen“ bei diesem Vergleich gegeben habe.

„Feindestillierte Unwahrheiten“

Emix selbst teilt auf Anfrage mit: „Zu der Klarstellungsvereinbarung äußern wir uns vertragsgemäß nicht.“ Spahn lässt mitteilen: Eine „Bewertung von einzelnen juristischen Vergleichen“ sei ihm „nicht möglich“. Außerdem habe er „etwaige Vergleichsgespräche mit der Firma Emix nicht geführt“.

In den Augen des grünen Bundestagsabgeordneten Janosch Dahmen, dem WDR, NDR und SZ die bislang unbekannten Passagen vorgelegt haben, sind dies „feindestillierte Unwahrheiten, die Spahn stets verbreiten lässt und die den Eindruck erwecken, als stünde er nicht persönlich in der Verantwortung“.

Nach Einschätzung von Dahmen zeigt der ungeschwärzte Sudhof-Bericht, dass Spahn auch beim Vergleich mit der Firma Emix über „Details in Akten, Notizen und persönlichen Gesprächen von leitenden Beamten des Ministeriums unterrichtet und informiert war.“

„Abgeltung“ für Parteikollegen

In einem anderen Fall, den Gesundheitsministerin Nina Warken hat schwärzen lassen, gewährte Spahns Ministerium einem Parteifreund des Ministers eine fragwürdige „Abgeltung“ und ebenfalls einen außerordentlich lange Lieferfrist. Es geht um den ehemaligen Berliner CDU-Bundestagskandidaten Niels Korte und seine Firma Areal Invest.

Korte trat 2021 von seiner Bundestags-Kandidatur im Zuge der Maskenaffäre zurück, nachdem bekannt wurde, dass er mit seiner Firma in Maskengeschäfte mit dem Ministerium verwickelt war. Im Sudhof-Bericht heißt es nun, dass Kortes Firma ein „Abgeltungsbetrag“ in Höhe von 17.999.000 Euro gewährt worden war. Wofür Kortes Firma das Geld bekommen hat, ist für Sudhof nicht ersichtlich: „Eine entsprechende Gegenleistung oder Rechtsgrundlage (wie zurechenbare Kosten aus Verzugsschaden) erschließt sich nicht.“

Zudem durfte Kortes Firma, mit dem das Ministerium am 24. April 2020 einen Vertrag über die Lieferung von 20 Millionen FFP2-Masken zum Preis von 107 Millionen Euro geschlossen hatte, die Masken bis März 2021 liefern. Auch diese Details aus dem Sudhof-Bericht kennen die Bundestagsabgeordneten nicht, weil Ministerin Warken sie hat schwärzen lassen.

Konkrete Antworten abgelehnt

Korte lässt über seinen Anwalt mitteilen, dass – entgegen den Feststellungen im Sudhof-Bericht – im Jahr 2021 keine Masken an den Bund geliefert wurden. Im Übrigen sei man „aufgrund vertraglicher Verschwiegenheitspflichten gehindert, Fragen inhaltlich zu beantworten“. Spahn erklärt, er habe als Minister weder mit Abgeltungsbeträgen noch Lieferfristen etwas zu tun gehabt. „Verträge, auch mit der Firma Areal Invest, hat ausschließlich die zuständige Fachabteilung geführt.“ Zu Emix und zu Kortes Firma lässt Gesundheitsministerin Warken ihren Sprecher antworten: „Zu Einzelfällen nimmt das BMG keine Stellung.“

Schaut man sich die Schwärzungen im Bericht insgesamt an, fällt auf, dass in den Fußnoten häufig Belegstellen geschwärzt wurden, die zeigen, wie Spahn als damaliger Minister in Beschaffungsentscheidungen eingebunden war. Etwa welche E-Mails Beamte im Ministerium ihm schrieben oder welche Bedenken sie ihm mitteilten. So hielt der Haushaltsbeauftragte des Ministeriums in einem Vermerk an Spahn am 9. März 2020 fest: „Weisung Min(ister), dass Beschaffung eingeleitet wird, bevor eine formale Haushaltsermächtigung vorliegt. … Keine Abwägung der vorliegenden Angebote gegeneinander; es wird parallel gekauft, was angeboten wird.“

Auch die Belegstelle zu diesem Vermerk ließ Ministerin Warken schwärzen. Eine Seite weiter schlägt ein Beamter vor, die Maskenlieferanten ans Beschaffungsamt der Bundeswehr „zu verweisen“. Dass die Vorlage an Spahn ging, ließ Warken ebenfalls schwärzen. Warum?

Das Bundesgesundheitsministerium beantwortet konkrete Fragen zu den Schwärzungen nicht. NDR, WDR und SZ haben Aurel Eschmann von der Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol die entschwärzten Stellen gezeigt. Seiner Ansicht nach wurden von Ministerin Warken „auch ganz gezielt Stellen geschwärzt, wo gezeigt wird, dass Jens Spahn direkt beteiligt war in Entscheidungen und informiert war“.

Nach Einschätzung von Eschmann zeigen die Schwärzungen eindeutig, dass Spahn im Fall Emix in die Entscheidungen eingebunden war. „Und das ist schon nochmal eine neue Lage der Belege, die wirklich belastend ist für den Ex-Minister.“

Birthe Soennichsen, ARD Berlin, tagesschau, 04.07.2025 18:15 Uhr