Donald Trump pflügt die Weltwirtschaft um. Der amerikanische Präsident verfolgt ein klares Ziel: Die Wirtschaft der USA muss im scharfen globalen Wettbewerb bestehen. Dazu werden konsequent internationale Organisationen ausgeschaltet, die die Machtoptionen der US-Regierung beschränken. Dieses Ziel verfolgt die Politik aller US-Administrationen seit Barack Obama, der die Welthandelsorganisation (WTO) zerlegte. Die Regierungen Trump 1 und Joe Biden setzten den Kurs fort, unter anderem mit der Zerstörung der Schiedsgerichtsbarkeit und dem Aus von wichtigen geplanten Freihandelsabkommen wie jenem mit Europa (TTIP) oder dem mit dem Asien-Pazifikraum (TPP).

Die Härte, mit der Trump vorgeht, liegt in einer unsentimentalen Analyse der Wirklichkeit begründet. „Die Amerikaner stellen sich auf eine Welt ein, die stärker multilaterale Prägung haben wird“, sagte Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Netfonds AG, der Berliner Zeitung. Im Zentrum der amerikanischen Strategie steht die Annahme, dass die USA den größten Markt der Welt stellen. An diesem komme keiner vorbei, trommeln es Trumps Handelsstrategen und Marketing-Botschafter unermüdlich. Die Amerikaner wollen mit ihrem Marktplatz Geld verdienen, sagt Hellmeyer: „Die Preise für den Eintritt sind Zölle.“ Ab Freitag wollte er die ersten „Eintrittskarten“ verschickten, so Trump vor seinem Abflug nach Iowa am Donnerstag.

Merz macht Kotau, von der Leyen hilflos

Trump will einfache Preisschilder. Er denkt wie ein Unternehmer, dessen erstes Interesse immer die Reduktion von Komplexität ist. In der EU läuft das dagegen genau andersrum: In wenigem ist die Brüsseler Behörde so kompetent wie in der Formulierung von arabesken Unverständlichkeiten, dem virtuosen Einsatz von versteckten Benachteiligungen für Unliebsame oder der unsichtbaren Begünstigung von Günstlingen. Das weiß man in Washington und  hat daher den Panik-Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von einer Null-Zoll-Runde einfach ignoriert. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte seine Landsfrau um zügiges Handeln gebeten und laut Financial Times eine Geste der Unterwerfung angeregt: „Es geht hier um eine schnelle Lösung des Zollstreits, insbesondere für die Schlüsselindustrien unseres Landes – die Chemieindustrie, die Pharmaindustrie, den Maschinenbau, die Aluminium-, Stahl- und die Automobilindustrie. Wir brauchen jetzt ein schnelles Ergebnis. Besser schnell und einfach als langwierig und kompliziert, mit Verhandlungen, die sich über Monate hinziehen.“

Deutschland sind allerdings die Hände gebunden: Frankreich hat bereits wissen lassen, dass 10 Prozent eine Katastrophe wären und will lieber einen offenen Handelskrieg gegen Trump führen.

Die Amerikaner meinen es jedenfalls ernst: Am Mittwoch gab Donald Trump bekannt, dass die Vereinigten Staaten Zölle auf vietnamesische Exporte erheben werden. Dabei handelt es sich um einen Satz von 20 Prozent auf direkt importierte Waren aus Vietnam. Des Weiteren sollen 40 Prozent-Zölle auf Produkte erhoben werden, die als über Vietnam transportiert betrachtet werden. Diese Maßnahme nimmt Bezug auf die Praxis, Bauteile aus China und möglicherweise anderen Ländern über Drittstaaten in die USA zu leiten. Demnach könnte das US-Handelsministerium auch für chinesische Komponenten extra Zölle erheben – und damit den Rivalen China auf indirekte Weise empfindlich schädigen.

Trump ist mächtig wie noch nie

Trump hat gerade einen wichtigen Sieg eingefahren und befindet sich nur wenige Monate nach Amtsantritt bereits auf dem Höhepunkt seiner Macht: Er zwang die Republikaner – teils mit blanker Erpressung –, seinem neuen Konjunkturprogramm zuzustimmen. Mit der „Big and Beautiful Bill“ werden die Staatsausgaben astronomisch erhöht, die Staatsverschuldung kurzfristig massiv hochgefahren: „Trump wendet exakt das Konzept von Ronald Reagan an“, sagt Hellmeyer: „Die Steuern sollen runter, das Defizit in die Höhe.“ Alles ist diesem Ziel untergeordnet. Die Schulden seien kein Problem, so Hellmeyer, weil sie in Investitionen fließen: „Das mag ein paar Jahre dauern, ist aber der richtige Weg.“

Der geschwächte Dollar erleichtert die Exporte. Öl, Gas und Kohle wurden zu besseren Energieträgern erklärt. Subventionen für die Erneuerbaren werden zurückgefahren. Für die ganze „Feuerkraft“ fehlt jetzt nur noch billiges Geld. Trump, als oft am Bankrott entlangschrammender Immobilien-Mogul, hasst die Banken. Daher attackiert er bei jeder Gelegenheit und auf die unflätigste Art den Präsidenten der Notenbank Federal Reserve (Fed). Jerome Powell will die Zinsen nicht senken – nicht zuletzt, weil die Fed den Banken gehört und die natürlich bei jeder Schuldenorgie zu Tische liegen wollen.

Jetzt kommt wirklich eine Zeitenwende

Für Deutschland bedeutet die Entwicklung eine echte Zeitenwende: „Die USA haben sich ihre Führungsrolle eingekauft, indem sie zugelassen haben, dass Verbündete wie die Europäer höhere Zölle erheben dürfen als die Amerikaner. Diese Zeiten sind endgültig vorbei.“ Hellmeyer erwartet, dass die Zölle für die EU zwischen 10 und 20 Prozent liegen werden (endgültige Zahlen waren zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht bekannt). Das wäre zwar unangenehm, aber nicht dramatisch – vorausgesetzt, auch die Deutschen erkennen, dass sie sich nicht auf den Erfolgen der vergangenen Jahrzehnte ausruhen könne.

Die Zahlen sind unbestechlich: Deutschland rangiert beim Wirtschaftswachstum laut IWF-Zahlen vom April 2025 weit abgeschlagen als Schlusslicht der großen Nationen, vorne sind Indien, China, die USA und Russland; aber selbst das schlecht geführte Großbritannien und die Beharrungsweltmeister aus Frankreich liegen noch vor Deutschland, dem der IWF bestenfalls ein „Nullwachstum“ zutraut, im Klartext also: Deutschland verliert.

Wortbrüche schaden dem Ansehen von Friedrich Merz

Von Bundeskanzler Friedrich Merz erwarten Experten wie Hellmeyer wenig. Zum einen hat er wegen seiner „Wortbrüche zu Schuldenbremse und Stromsteuer“ deutlich an Vertrauen verloren. Im Unterschied zum US-Ansatz weist seine Politik auch zwei schwere Fehler auf: Energie ist viel zu teuer und Rüstungsausgaben sind keine nachhaltigen „Investitionen“, sondern „Konsumausgaben“. Dafür sollte man sich nicht verschulden, sondern für Technologien, die die Produktivität erhöhen. Trumps Zölle könnten die deutschen und europäischen Hersteller dazu zwingen, den Fokus auf technologiegetriebene Innovationen zu legen, um die durch die Zölle verursachten Kosten anderswo zu neutralisieren. Doch in Sachen Technologie wirkt die neue Bundesregierung – wie auch die EU – eher anachronistisch: Digitalisierung wird dort unterstützt, wo sie zur Überwachung eingesetzt werden kann. Laut dem Australian Strategic Policy Institute sind China und die USA im Hinblick auf relevante Zukunftstechnologien allen anderen Ländern haushoch überlegen.

Folker Hellmeyers Fazit klingt daher auch nicht übermäßig begeistert, wenn es um ein Urteil über die Merz-Regierung geht: „Ich sehe keine Bereitschaft, sich intellektuell mit den Herausforderungen wirklich auseinanderzusetzen.