Ganze Familien ziehen mit Kinderwagen am großen US-Einkaufszentrum vorbei, Menschen im Sternenbanner-T-Shirt winken mit kleinen US-Fähnchen. Dazu jede Menge Rock-Musik: Soldaten, Zivilangestellte und Familien der Stuttgarter US-Militärgemeinde feiern stolz und locker zugleich den amerikanischen Unabhängigkeitstag. Und zum dritten Mal lud die US-Garnison auch ihre deutschen Nachbarn dazu ein, „‚Freiheit, Einigkeit und Fun’ gemeinsam zu begehen“, wie es auf ihrer Internetseite heißt.
Tausende Besucher strömen auf das Kasernengelände, um Amerikas 249. Geburtstag mitzufeiern. Sogar etwas mehr als im Vorjahr. Bis zum späten Abend zählen die Amerikaner rund 18 500 Besucher. Außer den US-Marineinfanteristen, die am Kasernentor kurz in die Taschen schauen, sind keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen erkennbar.
Patriotismus in homöopathischer Dosis
Der US-Unabhängigkeitstag ist ein entspanntes Fest für Familie und Freunde, mit Patriotismus in homöopathischer Dosis. Ein Augenblick zum Innehalten und zur Selbstvergewisserung. Doch es sind komplizierte Zeiten in den USA und auch in den deutsch-amerikanischen Beziehungen: In seiner zweiten Amtszeit droht Präsident Donald Trump, der gerade mit seinem „großen schönen Gesetz“ den Höhepunkt seiner Macht erlebt, den Verbündeten mit Zöllen, umschmeichelt den Kriegsherren Wladimir Putin und stellt viele Institutionen in Amerika auf den Kopf – ein Stresstest für die altehrwürdige Demokratie.
Ein US-Militär-Vehikel wird auch gezeigt: der 14-Tonnen-Schwere Geländewagen MATV. Foto: Stefanie Schlecht
Die Deutschen, in vielen Dingen ziemlich uneins, sind in einem Punkt herzlich vereint: in ihrer entschiedenen Ablehnung Trumps. Erkaltet also gerade die Liebe der Deutschen zu den Amerikanern, die ihnen doch Demokratie, Rock’n Roll und Kaugummi gebracht haben, wie manch einer schon unkt? Und umgekehrt: Reagieren Amerikaner genervt, weil die Deutschen ihren Präsidenten verschmähen, aber gleichzeitig kaum verteidigungsfähig sind?
Die Fixierung der Deutschen auf Trump sei „erwartbar“, meint ein hochrangiger US-Militärbeamter im Südwesten. Denn dieser Präsident agiere „so weit außerhalb jeder Norm traditioneller amerikanischer Präsidenten“ und gehe auf Konfrontation. „Ich fühle mich weiter sehr willkommen hier“, gibt sich der Mann entspannt. Die große Mehrheit der Deutschen reagiere auf die US-Militärpräsenz „positiv“.
Hotdogs und amerikanisches Bier
In der Panzerkaserne, einst von der Wehrmacht genutzt, am östlichen Rand Böblingens, dient vor allem der große Parkplatz vor dem Supermarkt als Festplatz: Jung und Alt können auf einem elektrischen Bullen reiten oder mit einem schweren Hammer auf ein Altauto eindreschen. Dazu gibt es eine Zone mit Bastelaktionen für Kinder. An einem Ende steht eine Bühne für die Bands und ringsherum Buden, an denen – richtig amerikanisch – Hamburger, Hotdogs und amerikanisches Bier verkauft werden. Selbst die Polizei tritt deutsch-amerikanisch auf: In Zweierteams patrouilliert die Military Police zusammen mit deutschen Polizisten.
Eine freundliche Pressefrau begleitet den Reporter. Sie möchte sicherstellen, dass die Fragen nicht politisch werden, denn das Militär ist zu politischer Neutralität verpflichtet. In Böblingen hielten sich fast alle daran. Nur ein Kraftprotz paradierte mit einem Golf-von-Mexiko-T-Shirt, wie Trump den Golf von Mexiko getauft hat.
Auch ein Apfelkuchenwettessen darf am 4. Juli in Böblingen nicht fehlen. Foto: Stefanie Schlecht
Der Obergefreite Matthew Rourk erklärt den Besuchern geduldig alles über den Geländewagen MATV, ein 14-Tonnen-Monster, der den Ur-Jeep wie ein Spielzeugauto aussehen lässt. Nur, bei der Frage, ob der Geländewagen, entwickelt gegen Terrorminen in Afghanistan, auch für einen Krieg gegen den Feind in Russland geeignet wäre, interveniert die Pressefrau. Der Soldat sei nicht befugt, diese Frage zu beantworten. Ob Russland also der Feind der Nato in Europa ist, bleibt unklar. Ansonsten gefällt es dem 19-jährigen Militärpolizisten, der seit sechs Monaten in Deutschland stationiert ist, „sehr gut“. Einen richtigen Kulturschock habe er keinen erlitten. Nur die Klimaanlagen vermisse er, erzählt er. Der 4. Juli bedeute für ihn, „die Freiheit in den USA zu feiern“, meint er.
Politik versus Freundschaft
Auch Jessica Lomero fühlt sich in Deutschland pudelwohl. Die 34-Jährige Mutter dreier Kinder und Ehefrau eines Army-Angehörigen stellt auch nicht fest, dass sich die Politik auf die Beziehungen zu den deutschen Nachbarn auswirkt. Klar werde sie auf Trump angesprochen, aber: „Bisher merke ich da nichts“, die Menschen würden Politik und Freundschaft trennen. Am 4. Juli sei sie zuallererst dankbar in einem Land zu leben, wo sich ihre Kinder frei entwickeln könnten. „Ich befinde mich immer in der Mitte.“ Zu mehr möchte sich die Zivilistin politisch nicht äußern.
Deutsche sind aufgeschlossener
Die Deutschen sind da aufgeschlossener. Zum Beispiel Willi Haselmaier und Klaus Binning. Die beiden Männer sitzen mit einem Becher Bier auf einem Mäuerchen gleich hinter dem Kasernentor. Die beiden kennen das US-Militär noch von früher und wollen einfach mal wieder Army-Luft schnuppern. „Ich wollte mal das Gelände und die Aktivitäten wiedersehen“, sagt Haselmaier. Ihm gefällt: „Das Flair und der lockere Umgang.“ Da trete die Politik in den Hintergrund. Sein Begleiter Binning meint etwas enttäuscht: „Früher konnte man viel mehr militärisches Gerät anschauen.“ Die politische Entwicklung in Amerika bereitet dem 62-jährigen Angestellten aber Sorgen. Trumps Politik, „heute so und morgen so, diese Ungewissheit“ sei Gift für die Beziehungen. Auch dessen Extremismus in Inneren sieht er als „großes Problem“.
Beziehungen „stark und tief“
Gerade erst war in der Panzerkaserne Baubeginn für einen neuen Riesen-Supermarkt für umgerechnet 40 Millionen Euro, der 2028 eröffnen soll. Trotzdem bleibt das an allen US-Standorten die fortdauernde Frage aller Fragen: Wie lange sind die G.I.s noch da? Auch wenn der wechselhafte Präsident Anfang Juni zur US-Präsenz in Deutschland sagte: „Wenn sie die dort möchten“, so Trump, „wir haben eine Menge davon“. Insider halten trotzdem einen Abzug von US-Truppen aus Europa für sehr wahrscheinlich. Die meisten Gesprächspartner in Böblingen, Amerikaner wie Deutsche, signalisieren an diesem Tag, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen „stark und tief“ sind, wie das ein Amerikaner formuliert. Auch dieser Präsident habe eine begrenzte Amtszeit.
Es ist Abend geworden in der Panzerkaserne. Jüngere und Ältere strömen immer noch auf das Kasernengelände. Die Schlangen vor den Imbissbuden sind lang. Die Punkrock-Band Trauma Bond spielt, alle warten auf den Höhepunkt – das nächtliche Feuerwerk. Die Dose Bier – Budweiser, Samuel Adams oder Corona – kostet vier Euro oder Dollar. Das ist egal.