Die Stimmung ist gut beim „2. Zentrengipfel“ im leerstehenden Galeria-Kaufhaus an der Frankfurter Allee. Der Ort könnte Depressionen auslösen, doch weil die Reaktivierung der Kaufhausetagen in der Mache ist, lassen sich die Gipfelteilnehmer davon nicht entmutigen.

Der Gipfel soll Bilanz ziehen, was seit dem ersten Zentrengipfel vor einem Jahr angeschoben worden ist. Viele Gespräche wurden vor Ort geführt, Probleme identifiziert und ein Maßnahmenpaket geschnürt, ein „10-Punkte-Plan“. Als erste Rednerin darf Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) aufs Podium, um den Plan gegen das langsame Ausbluten der Berliner Shoppingcenter und Einkaufsmeilen vorzustellen.

Punkt eins kommt bei den anwesenden Bezirksbürgermeistern am besten an: Die Gelder für das Programm „wirtschaftsdienliche Maßnahmen“ sollen von derzeit 300.000 Euro im Jahr auf 1,6 Millionen Euro aufgestockt werden. Bisher mussten die Bezirke jedes geförderte Projekt mit 60 Prozent der Summe kofinanzieren, künftig soll diese Schwelle auf zehn Prozent abgesenkt werden.

Der Zentrengipfel tagte im ehemaligen Galeria-Kaufhaus an der Frankfurter Allee.

© Thomas Loy

Ein Großteil dieser Summe wird für die „Netzwerkmanager“ gebraucht, die es künftig als feste Ansprechpartner in jedem Bezirk geben soll. Sie sollen Händlergemeinschaften stärken und als Scharnier zur Verwaltung dienen.

Die Händler können sich zu einer „Immobilien- und Standortgemeinschaft“ (ISG) zusammenschließen, die inzwischen eine gesetzliche Grundlage haben und ebenfalls gefördert werden können, zumindest in der Anfangsphase. Später sollen sich die Standortgemeinschaften durch Abgaben der Händler finanzieren.

Punkt fünf sieht die Einführung von Digitalisierungslotsen vor, die Einzelhändler bei der digitalen Vermarktung beraten sollen. Dafür soll die Digitalagentur des Landes eingespannt werden.

Der 10-Punkte-Plan

  1. Förderinstrumente verbessern
  2. Stärkung der bezirklichen Wirtschaftsförderung
  3. Standortgemeinschaften anstoßen
  4. Sauberkeit verbessern
  5. Digitalisierungslotsen einführen
  6. Städtebauförderung auf Zentren fokussieren
  7. Zentrale Koordinierung für Zwischennutzungen
  8. Netzwerkmanager einführen
  9. Wirtschaft- und Kulturatlas verknüpfen
  10. Regelmäßige Austauschformate einführen

Das Städtebauförderprogramm „Lebendige Zentren“ des Bundes soll auf weitere Kiezzentren fokussiert werden. Dieses Jahr werden die Wilmersdorfer Straße, Helle Mitte in Marzahn, Zehlendorf-Mitte, Brunnenstraße-Nord im Bezirk Mitte und die „Berliner Mitte“ zwischen Rotem Rathaus und Alexanderplatz in das Programm aufgenommen. 2026 ist dann die Potsdamer Straße dran.

Interessant ist auch Punkt sieben, die „Koordinierungsstelle für Zwischennutzungen von leerstehenden Räumen“. Mit Leerstand haben sich bislang vor allem die Bezirke auseinandergesetzt. Künftig soll ein zentrales Büro Anbieter von Flächen und Interessenten aus den Bereichen Soziales und Kultur zusammenbringen.

Karstadt am Tempelhofer Damm schloss im August 2024.

© imago/Sabine Gudath

Das Büro wird als Pilotprojekt bei der Tourismus-Marketing-Gesellschaft Visit Berlin angesiedelt. Vorbild ist die „Hamburger Kreativgesellschaft“, die sich als „größte städtische Kreativwirtschaftsförderung“ bezeichnet, mit 60 Mitarbeitern und einer großen Freiflächen-Datenbank. Die Kreativgesellschaft lotst Kulturakteure, die Flächen mieten möchten, auch zu den passenden Fördertöpfen.

Die beim Gipfeltreffen anwesenden Bezirksbürgermeister durften auch ihre Sorgen abladen. Kirstin Bauch (Grüne) aus Charlottenburg-Wilmersdorf findet es kurios, dass Mieter im Bikini-Haus keine Außenwerbung machen dürfen. „Da müssen wir ran.“ Bauch wünscht sich auch große digitale Werbe-Leinwände, die Menschen anlocken, so wie die neuartigen Leuchtreklamen vor hundert Jahren. Vom Denkmalschutz war offenbar niemand anwesend, um zu widersprechen.

Ein wenig Anarchie beim Baurecht

Martin Schäfer (CDU) aus Lichtenberg regte an, dass man bei Nutzungsänderungen, die nicht zum Bebauungsplan passen, „abweichend vom B-Plan einfach mal politisch entschieden sollte“, mit Rückendeckung durch die Senatsverwaltung. So ließen sich aufwändige Verfahren zur Änderung von Bebauungsplänen vermeiden. Das klang schon ein wenig nach Anarchie.

Oliver Igel (SPD) aus Treptow-Köpenick hat das Luxusproblem, dass das Park-Center am Treptower Park nach Jahren des nahezu kompletten Leerstands inzwischen wieder Mietanfragen erhält, weil sich ein Supermarkt als neuer Ankermieter gefunden hat.

Was passiert aber nun mit den inzwischen etablierten Zwischennutzern, darunter ein Kieztheater, eine Galerie und ein Beratungszentrum für geflüchtete Ukrainer? Die können die üblichen Mieten im Center nicht bezahlen.

Mehr zum Thema Aus Shoppingparadiesen wurden Geisterhäuser Wie Berlin seine kriselnden Einkaufszentren retten kann Berliner Zentrengipfel Wie der Senat die Leute von der Couch in die Einkaufsstraßen holen will Neueröffnungen in „Forum“ und „Schloss“ Wie die Shopping-Center an der Berliner Schloßstraße gegen den Leerstand kämpfen

Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen, lobte den Rettungsplan für die Berliner Zentren. Wenn die Politik allerdings keine Handhabe finde, um die Flut an Päckchen zu stoppen, die aus China unkontrolliert den deutschen Markt überschwemmen, sei das Geld zum Fenster rausgeworfen.