Solche Diskussionen wird man in der Ratsversammlung wohl weiterhin erleben – schräg, mit falschen Argumenten gespickt. Und dann auch noch mit Fake-Vorwürfen gegen den Baubürgermeister, weil dessen sehr sachliche Argumentation einfach nicht ins Weltbild aufgeregter Autofahrer passt. Oder aus welcher Position gerade CDU und AfD da gerade argumentieren, selbst bei einer mit vielen Partnern abgestimmten neuen Stellplatzsatzung, die am 26. Juni im Stadtrat zum Aufruf kam.
Und folgerichtig verwahrte sich Baubürgermeister Thomas Dienberg gegen den Fakenews-Vorwurf von CDU-Stadtrat Falk Dossin.
Aber Dossin warf ja auch dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Dr. Tobias Peter, Fakenews vor. Der hatte von sinkenden Pkw-Zahlen in Leipzig gesprochen, was man natürlich konkretisieren muss. Denn natürlich geht es bei der nun novellierten Stellplatzsatzung vor allem um private Pkw, nicht um die nach wie vor steigende Zahl von gewerblich genutzten Pkw, die den Straßenraum in Leipzig auch verstopfen.
Wobei FDP-Stadtrat Sven Morlok berechtigterweise darauf hinwies, dass die Stellplatzsatzung überhaupt nichts mit dem aktuellen Parkdruck in Leipzig zu tun hat. Denn sie beschreibt nur, wie viele Stellplätze Bauherren bei neuen Wohnhäusern einzurichten haben. Eine Vorschrift, die ihre Wurzel im Jahr 1939 hat, in der Reichsgaragenordnung der Nazis, die damit sicherstellen wollten, dass jedes Auto auch einen Stellplatz hat.
Was sich dann in den nachfolgenden Stellplatzsatzungen wandelte. Aber schon in der letzten Satzung, die der Leipziger Stadtrat 2019 beschloss, war die Zahl der zu bauenden Stellplätze vielen Bauträgern zu hoch. Denn gerade im Innenstadtbereich werden so viele Stellplätze gar nicht benötigt. Und gerade die Stellplätze in Tiefgaragen verteuern das Bauen erheblich. Dienberg nannte am 26. Juni dazu auch die Zahlen.
Sven Morlok (Freie Fraktion/FDP) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer
In der neuen Stellplatzsatzung, die Thomas Dienberg am 26. Juni im Stadtrat vorstellte, ging es also auch um eine Minderung der Baukosten im Wohnungsbau. Denn gebaut wird meist da, wo sowieso schon eine gute ÖPNV-Verbindung besteht. Wenn dann auch noch Carsharing und Lastenradverleih dazu kommen, können immer mehr Leipziger tatsächlich aufs Auto verzichten.
Und was Falk Dossin mit seiner Behauptung offensichtlich negieren wollte, war die schlichte Tatsache, dass sie es tatsächlich tun: Die Pkw-Anzahl pro Kopf sinkt seit Jahren. Aber gerade Dossins Argumentation zeigte wieder, dass die Sicht auf die Stadt und ihre Parkplatzprobleme eine völlig andere ist, wenn man im gut erschlossenen Innenstadtbereich wohnt, wo der Verzicht aufs Auto leicht ist, oder in den Ortsteilen am Stadtrand, wo der Pkw-Besatz deutlich höher ist.
Deswegen stimmte auch diesmal Dossins Rechnerei nicht, dass auf jeden Haushalt 0,8 Autos kämen. Das ist das Problem an Durchschnitten. Sie vermengen die Zahl der innerstädtischen Haushalte, wo der Pkw-Besatz deutlich niedriger liegt, mit dem hohen Pkw-Besatz in den Ortsteilen am Stadtrand und in den Eigenheimsiedlungen.
Und erstaunlicherweise tauchen die Probleme inzwischen da auf, wo die so beliebten neuen Eigenheimsiedlungen in Stadtrandlage entstehen, wie SPD-Stadtrat Andreas Geisler für Lindenthal berichtete. Da kommen dann auf 14 neu gebaute Eigenheime auf dem Gelände einer ehemaligen Gärtnerei schnell 30 Pkw. Aber wenn da nur 14 Stellplätze gebaut wurden, gibt es auf einmal ein heftiges Parkplatzproblem.
Mobilitätswende gescheitert? Da irrt Bütow
Wirkliche Fakenews verbreitete freilich AfD-Stadtrat Udo Bütow, der einfach behauptete, um die Mobilitätswende in Leipzig stünde es schlecht. Obwohl die Zahlen aus der jüngsten Bürgerumfrage zeigen, dass gerade in den letzten vier Jahren immer mehr Leipziger auf den Umweltverbund umgestiegen sind – aufs Fahrrad und den ÖPNV. Die LVB melden Rekordfahrgastzahlen. Dass es aber Finanzierungsprobleme bei S-Bahn und ÖPNV gibt, hat natürlich mit einer
bundesweit verpeilten ÖPNV-Finanzierung zu tun. Die Bürger wollen umsteigen und freuen sich über jede Möglichkeit dazu – aber es gibt kein Geld, um den ÖPNV wirklich der Bedarfssteigerung entsprechend auszubauen. Und dafür stehen just jene Parteien, die dann immer wieder die fehlenden Stellplätze in den Städten beklagen.
Logik sieht anders aus.
Falk Dossin (CDU) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer
Und so war die Rede von Sven Morlok eine willkommene Ernüchterung in einer durch falsche Argumente befeuerten Debatte. Die Stellplatzsatzung hat nichts mit den tatsächlich existierenden Parkplatzproblemen in der Stadt zu tun. Und, so Morlok: „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Stellplätze im öffentlichen Raum zu schaffen.“
Während alle Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass die Leipziger Autofahrer die Anmietung eines teuren Stellplatzes in einem Parkhaus oder einer Tiefgarage in der Regel vermeiden. Was natürlich viele Bauherren dazu bringt, auf die nicht benötigte Tiefgarage doch lieber zu verzichten und damit auch teure Baukosten zu sparen. In der nun neu formulierten Stellplatzsatzung steckt also auch dieser Wunsch vieler Bauherren.
Nach der neuen Stellplatzsatzung müssen Bauherren also weniger Stellplätze nachweisen. Was sie – wie Thomas Dienberg betonte – nicht davon abhält, mehr zu bauen. Das Verfahren werde vereinfacht und jetzt würde auch das Vorhalten von ebenerdigen Fahrradstellplätzen mit in der Satzung verankert, so Dienberg.
Die Wortmeldungen von Bütow und Dossin gingen also völlig am Thema vorbei.
Eine wichtige Übergangsfrist
Vernünftiger ging die BSW-Fraktion an das Thema heran, für die Sascha Jecht einen Änderungsantrag begründete, den Thomas Dienberg problemlos in die Vorlage der Stadt übernehmen konnte: „Es wird garantiert, dass die vorliegende Änderung der Stellplatzsatzung Leipzig nicht unverzüglich in Kraft tritt, sondern ein mehrmonatiger Übergangszeitraum (mindestens drei Monate) ab Beschlussfassung bzw. offizieller Bekanntmachung bis zum Inkrafttreten gewährleistet wird.“
Sascha Jecht (BSW) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer
Das soll vor allem jene Bauträger schützen, die ihre Stellplätze noch nach der alten Stellplatzsatzung geplant haben.
Der AfD-Änderungsantrag ging dann völlig an der Realität vorbei, auch wenn er scheinbar praktikabel klang, wenn er forderte: „Die gezielte Übernahme der Minimalwerte für die Kfz.-Stellplätze und der Maximalwerte für Fahrradstellplätze aus der Richtzahltabelle des Landes in die Richtzahltabelle der Leipziger Satzung steht strukturell der Realität entgegen.“
Erstens stimmt das – siehe oben – nicht für die ganze Stadt. Und zweitens ist trotzdem kein Bauherr daran gehindert, mehr Stellplätze als nur die geforderte Minimalzahl zu bauen. Die neu gefasste Stellplatzsatzung gibt den Bauherren tatsächlich mehr Freiheit, selbst zu entscheiden und reduziert die Zahl der Pflichtstellplätze. Aber irgendwie scheint Logik keine Stärke im AfD-Kosmos zu sein. Der Antrag wurde mit 20:39 Stimmen bei sieben Enthaltungen abgelehnt.
Abgelehnt wurde freilich auch der Antrag der Grünen-Fraktion, Carsharing, Mieter-Ticket und Lastenradbereitstellung mit in der Stellplatzsatzung unterzubringen. Das sind zwar alles schon aktuelle Themen, die den Leipzigern das Umsteigen auf umweltfreundlichere Verkehrsarten ermöglichen. Aber so etwas in die Stellplatzsatzung zu schreiben, fand die Stadtratsmehrheit dann wohl für (noch) nicht passend.
Blieb noch die neu formulierte Stellplatzsatzung selbst. Sie bekam mit 37:21 Stimmen eine doch sehr klare Zustimmung.