Gelsenkirchen. Berauschend schönes Open-Air-Konzert von Fury in the Slaughterhouse im Gelsenkirchener Amphitheater. Bei „Time To Wonder“ glühten die Fanherzen.

Luxus ist für jeden etwas Anderes: Für die einen ist es eine Edel-Limousine mit Stern auf der Motorhaube. Für Kai Wingenfelder ist es hingegen die Direktversorgung mit kalten Getränken während des laufenden Open-Air-Konzerts. „Ein Kühlschrank auf der Bühne ist besser als ne S-Klasse“, stellt der Sänger von Fury in the Slaughterhouse unter dem Jubel der 6000 begeisterten Zuschauer im ausverkauften Gelsenkirchener Amphitheater fest. Und eine Zwischendrin-Abkühlung konnten fast alle gut gebrauchen. Denn die Fanherzen glühten bei diesem Zwei-Stunden-Gig fast von der ersten bis zur letzten Minute.

Konzert im Amphitheater begann mit leichter Verspätung

Erst ist etwas Geduld gefragt an diesem lauen Sommerabend. Denn ganz pünktlich will das Sextett ganz offensichtlich nicht loslegen. Also vertreiben sich die Besucher (Altersschnitt um die 50) die Zeit damit, Bötchen auf dem Rhein-Herne-Kanal zu gucken. Oder sich in eine der üppigen Warteschlangen an den Getränkeständen anzustellen. 26 Grad zeigt das Thermometer an, als es um 20.26 Uhr dann doch endlich losgeht.

Nicht nur in der vordersten Reihe im Innenraum gingen die Fans von Fury in the Slaughterhouse begeistert mit.

Nicht nur in der vordersten Reihe im Innenraum gingen die Fans von Fury in the Slaughterhouse begeistert mit.
© FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Als Letzter betritt Kai Wingenfelder die Bühne. Und eines muss man ihm lassen: Obwohl er mit seinen 65 Lenzen inzwischen alterstechnisch die Rentner-Grenze anknabbert, wirkt er frisch, vital und bereit für einen langen Open-Air-Abend. Zu Jeans, Hemd und weißen Sneakers trägt er die obligatorische Baseball-Kappe. Und er hat wie immer auch ein paar wichtige Botschaften, aber auch die nötige Portion Humor mitgebracht. So flachst er gern über sich selbst. Mit Blick auf die beiden dick gepolsterten Ledersessel in der Nähe des Mikrofonständers stellt er mit einem Augenzwinkern fest, dass eine solch bequeme Sitzgelegenheit seinem fortgeschrittenen Alter angemessen sei.

Dürstende Fan-Seele saugt den Song „Milk And Honey“ begierig auf

Zum musikalischen Einstieg serviert Wingenfelder „Protection“ und „Better Times Will Come“. Paradiesisch früh lässt er auch „Milk And Honey“ fließen. Und die dürstende Fan-Seele saugt den Song begierig auf. Mit „Sorrowland“ gibt‘s dann auch neues Material. Das klingt in der Studioversion deutlich rauer. Hier, unter dem im Sonnenuntergang leuchtend schönen Abendhimmel über dem Nordsternpark, bevorzugen die Jungs aus Niedersachsen die entschleunigte Unplugged-Version. Auch schön!

Auch Gitarrist Thorsten Wingenfelder verfügt auf der Bühne über eine wichtige Eigenschaft: den Humor.

Auch Gitarrist Thorsten Wingenfelder verfügt auf der Bühne über eine wichtige Eigenschaft: den Humor.
© FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Apropos Niedersachsen: Hannover ist ja die Heimatstadt dieser 1987 gegründeten Formation. Und natürlich entpuppen sich die gealterten Herren durchweg als Lokalpatrioten. „Hannover ist der Inbegriff für Schönheit“, meint Sänger Wingenfelder in einer seiner Ansagen. Sein Bruder Thorsten, ebenfalls ein Mann mit Hut und Gitarrist der Band, muss bei diesen Worten schelmisch grinsen.

Bei „Radio Orchid“ geht Sänger Kai Wingenfelder auf Tuchfühlung

Thorsten Wingenfelder ist es auch, der dann die Bandmitglieder einzeln vorstellt, nachdem die Band acht Songs gestemmt hat. „Die Fury Air hat auf ihrem Flug von Gelsenkirchen ins Glück nun ihre Reiseflughöhe erreicht“, sagt er. Und als er unter dem Jubel der Massen die Crew an Bord des Schlachthaus-Fliegers präsentiert hat, gerät er noch ins Sinnieren. Was wohl wäre, wenn eines Tages Schalke und Dortmund mal ein gemeinsames Team wären. Höhnisches Gelächter paart sich mit gellenden Pfiffen. Und schnell erwacht Wingenfelder wieder aus diesem verstörenden Fußball-Fiebertraum.

Klatschen, jubeln, tanzen: Die 6000 Zuschauer im Gelsenkirchener Amphitheater machten bestens mit.

Klatschen, jubeln, tanzen: Die 6000 Zuschauer im Gelsenkirchener Amphitheater machten bestens mit.
© FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Mit „When I‘m Dead And Gone“ sorgt die Band schnell für emotionale Beschwichtigung. Ein Meer aus mitschwingenden Armen sorgt für faszinierende Bilder im prall gefüllten Halbrund der steinernen Stufen. Die Masse wirkt wie die aufgepeitschte See, in der die Wellen hin- und herwogen. In dieses Bad taucht Kai Wingenfelder dann bei „Radio Orchid“ ein – einem der ganz großen Hits in der 38-jährigen Bandhistorie. Er wagt sich von der Bühne erst in den Innenraum, schreitet dann durch die dicht an dicht stehenden Besucher in Richtung Sitztribünen. Auf dem Weg dorthin klatscht er Dutzende Hände ab. Er geht auf Tuchfühlung. Und symbolisiert seiner Anhängerschaft: Seht her! Ich bin einer von Euch!

Die ganz großen Hits werden zum Endspurt serviert

Dann kommt wie Kai aus der Hit-Kiste mit „Every Generation Got Its Own Disease“ gleich der nächste Kracher. Und richtig laut wird es noch einmal, als Gitarrist Christof Stein-Schneider seinen wichtigsten Plan für seine anvisierte Kanzlerschaft verrät: den braunlackierten Blauen sofort Hausverbot im Bundestag erteilen! Und der lautstarke Jubel verrät, dass die Zustimmungswerte für die AfD hier bei exakt nullkommanull Prozent liegen.

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Fantastisch auch der Endspurt: Erst mit „Won‘t Forget These Days“. Den Refrain singt jeder, wirklich jeder, beseelt und aus voller Kehle mit. Das wird nur noch getoppt von „Time To Wonder“, dem bis heute größten Favoriten der Anhängerschaft. Tausende Handylichter sorgen für ein solch bezauberndes Funkeln, wie es sonst nur beim Blick in den Sternenhimmel am Polarkreis möglich ist. Einfach nur traumhaft schön! Und die Fanherzen, sie glühen…