Das Wasser aus dem Kochbrunnen ist alles andere als erfrischend oder abkühlend. Mit einer Temperatur von 65 Grad Celsius handelt es sich um die heißeste Quelle der Stadt. Doch von dort sind es nur wenige Schritte zu einem erholsamen Ort in der sommerlichen Hitze: Die Landeshauptstadt hat eine Klimakiste aufgebaut. Der Name „Kiste“ ist trügerisch, denn es geht um einen immerhin 35 Quadratmeter großen Erlebnisraum. Der soll die Bürger für das Anliegen des Klimaschutzes und der -anpassung sensibilisieren, zeigen, was „Hitze-Resilienz“ bedeuten kann, und die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt erhöhen.

„Mit der Klimakiste machen wir erlebbar, wie Klimaanpassung im urbanen Raum gelingen kann“, sagt Bürgermeisterin und Umweltdezernentin Christiane Hinninger (Die Grünen). Die Hitzebelastung in den Städten nehme wegen des Klimawandels deutlich zu. Eine Begrünung fördere die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Bürger.

Die sieben mal fünf Meter große Klimakiste aus Fichtenholz ist als „grüne Oase“ für eine Abkühlung in den heißen Sommermonaten an dem sich schnell aufheizenden Kochbrunnenplatz gedacht. Das gelingt durch die vielfältige Bepflanzung, ein Sonnensegel, Sitzgelegenheiten zum Ausruhen und eine Sprühnebelanlage. „Das Konzept ist ökologisch durchdacht“, sagt Hinninger. Ausgewählt wurden heimische Stauden, Sträucher, Blumen und Bäume unter Berücksichtigung ihrer Hitzetoleranz und ihres Wasserbedarfs.

Einsatz im Sommer 2026 an neuem Standort

Das sorgt für ein angenehmes Mikroklima, setzt farbige Akzente und bietet Nahrung für Insekten. Verwendet wurde torffreie Erde, um zum Schutz der Moore beizutragen. Ergänzt wird die Installation von vier Informationstafeln, die den Passanten zentrale Aspekte der Klimaanpassung in großen Städten wie Wiesbaden vermitteln sollen. Eine begleitende Umfrage soll Besucher ermuntern, ihre Meinung dazu einzubringen.

Die Klimakiste ist keine Wiesbadener Erfindung. Sie wurde 2023 in Hameln entwickelt. Das Citymanagement und das Umwelt- und Grünflächenamt holten das Projekt in die hessische Landeshauptstadt. Die Bepflanzung wurde von der Arbeitsgemeinschaft der Wiesbadener Friedhofsgärtner konzipiert und gespendet. Unterstützt wird die Arbeitsgemeinschaft bei der Pflege von der Treuhandstelle für Dauergrabpflege Hessen-Thüringen und dem Gartenbauverband Baden-Württemberg-Hessen.

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Die 80.000 Euro teure Klimakiste ist täglich von 9 bis 19 Uhr auf dem Kochbrunnenplatz geöffnet und bleibt bis Ende September dort. Im Sommer 2026 soll sie an einem anderen Standort im Stadtgebiet abermals zum Einsatz kommen und für Abkühlung sorgen. Das Projekt wird aus dem Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zen­tren“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen finanziell gefördert. Die Klimakiste fügt sich ein in den Hitzeaktionsplan der Stadt, zu dem seit dem Sommer des vergangenen Jahres ein Verzeichnis kühler Orte zählt.

Wo es sich bei hohen Außentemperaturen gut aushalten lässt, zeigt seither eine elektronische Karte (www.wiesbaden.de/hitzeaktionsplan). Verzeichnet sind darauf Grünanlagen, Brunnen, Bäche und Gewässer, ferner Spielplätze mit und ohne Wasseranlage, Schwimmbäder und mehr. Auch die Refill-Stationen im Stadtgebiet sind markiert, an denen mitgebrachte Wasserflaschen unentgeltlich aufgefüllt werden können. Ein Klick auf das jeweilige Symbol in der Karte führt zu vertiefenden Informationen über die kühlen „Geheimtipps“. Die mithilfe der Bürger erstellte Karte wird regelmäßig aktualisiert und ergänzt.

Wiesbaden will “Schwammstadt“ werden

Die derzeitigen hochsommerlichen Temperaturen jenseits der 35 Grad belegen die Notwendigkeit des Hitzeaktionsplans. Denn Hinninger ist der Ansicht, dass als Folge des Klimawandels Hitzewellen immer häufiger auftreten und länger andauern werden. Das lässt sich mit Zahlen aus dem vergangenen Jahr belegen. Das langjährige Temperaturmittel lag in Wiesbaden zwischen den Jahren 1961 und 1990 noch bei 9,8 Grad Celsius. In den Jahren zwischen 1991 und 2020 ist es auf 11,1 Grad gestiegen. 2022 lag die Durchschnittstemperatur sogar bei 13,7 Grad.

Die Gründe sind vielfältig. Baustoffe und Straßenbeläge speichern die Tageshitze und geben sie in der Nacht wieder ab. Es gibt nach Ansicht der kommunalen Klimaexperten zu viele Wärmeinseln in der Stadt und einen hohen Grad versiegelter Flächen. Die Gefahren für die Gesundheit nehmen in dicht bebauten Quartieren wie der Innenstadt, dem Westend und dem Rheingauviertel zu.

Besonders gefährdet sind laut kommunalem Umweltamt alte Menschen und Obdachlose, aber auch chronisch Kranke, Kinder, Babys und Schwangere. Das städtische Gesundheitsrisiko steigt demnach überproportional nach dem dritten Tag erhöhter Hitzebelastung. Wiesbaden will deshalb „Schwammstadt“ werden und Regenwasser nicht direkt in die Abwasserkanäle leiten, sondern möglichst lange in der Gemarkung zurückhalten. Das soll zur Kühlung und zur Verbesserung des Stadtklimas beitragen.