Grimma/Prösitz. Vor dem Künstlergut steht eine große Skulpturengruppe aus Keramik. Rund, kantig, bauchig, urweiblich wirken die Figuren wie Wächterinnen, Sinnende, Suchende, Träumende. Ein Stück weiter laute Motorsägengeräusche. Arbeiter der Kommune sind gerade mit Sicherungsarbeiten an Bäumen beschäftigt. Über das abfallende Geäst und zersägte Stämme freuen sich die Bildhauerinnen. „Die machen das für uns. Das ist Eichenholz, da werden drei Figuren daraus“, sagt Ute Hartwig-Schulz, die Leiterin des Künstlergutes Prösitz.

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Drei Künstlerinnen mit insgesamt fünf Kindern wohnen und arbeiten zurzeit hier. Ein kleiner Ort auf dem Lande mit viel gestalterischem Freiraum und einzigartig in Deutschland. Das „Symposium für Bildhauerinnen mit Kind“, das von Mai bis Oktober stattfindet, gibt es bundesweit so kein zweites Mal. Seit mehr als 30 Jahren schon.

Dreiseithof stammt aus dem Jahr 1860

Ute Hartwig-Schulz hat Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden studiert. 1992 erwarb sie mit ihrem damaligen Mann Stefan Schulz, ebenfalls Bildhauer, den maroden Dreiseithof im 80-Seelen-Ort Prösitz. Seither baut sie das um 1860 errichtete Ensemble aus. In die einstigen Stallungen und das Scheunengebäude sind Werkstätten und Ateliers eingezogen. Ihre Tochter Ruth ist auf dem Künstlerhof groß geworden.

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Seit 1993 organisiert die Leiterin des Hofes „aus eigener Betroffenheit“ das „Symposium für Bildhauerinnen mit Kind“, das ihnen einen vierwöchigen Aufenthalt zum künstlerischen Arbeiten ermöglicht. Die Nachfrage ist groß, mit um die 65 Bewerbungen. Acht Stipendiatinnen pro Jahr werden im Künstlergut Prösitz aufgenommen. „Den längsten Weg hatte eine Künstlerin mit fünf Kindern aus Neuseeland“, erzählt Ute Hartwig-Schulz.

Die Autobahn 14 ist nicht weit

Es ist eine Künstlergemeinschaft auf Zeit, die monatlich wechselt. An einem Ort, wo Ruhe und Entschleunigung, Tempo und Krach nah beieinander liegen. Die Autobahn 14 ist nicht weit, gelegentlich ist das Rauschen zu hören. Meist aber viel mehr das Vogelgezwitscher auf dem Hof. Es ist windstill und dadurch ruhiger.

Auf dem Künstlergut Prösitz bei Grimma ist der Charme des mehr als 160 Jahre alten Dreiseithofes zu erleben.

Auf dem Künstlergut Prösitz bei Grimma ist der Charme des mehr als 160 Jahre alten Dreiseithofes zu erleben.

„Heute ist es paradiesisch“, sagt die Symposiumsleiterin. Sie stellt einen Topf Kartoffelsuppe mit frischem Basilikum aus dem Garten, Kaffee und Erdbeertorte, die jemand schenkte, auf den massiven Steintisch unter der stattlichen Linde. Sie erzählt vom Glück, hier mit anderen Künstlerinnen zu leben und zu arbeiten. „Wir arbeiten mit dem, was wir finden und vor Ort passiert. Wie dem Lärmpegel der Autobahn, der Bausubstanz, Natur und Garten und dem Aspekt des Künstlerinnenseins mit Kind“, erzählt sie.

Überall auf dem Hof stehen dort entstandene Werke der Stipendiatinnen. Am Garteneingang ein großes, aufgebrochenes Ei aus Ton, in dem eine kleine Gestalt sitzt, und eine kraftvolle Figur aus Stein, die ihre Arme wie Flügel um ein Kind hält. Vor dem mit Efeu umrankten Haupthaus steht ein Thron, umrahmt von Wurzelwerk und Getier aus erdigem Ton, den eine Künstlerin aus Hamburg gestaltete.

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Der Ort ist fantastisch, inspirierend, die Kinderbetreuung klasse. Es ist aber kein Urlaub, sondern harte Arbeit.

Lena Polizka

Künstlerin aus Oberammergau

Im hellen Atelierraum mit Gewölbedecke und Steinsäulen sind die Künstlerinnen Verena Schmidt aus Wiesbaden und Lena Polizka aus Oberammergau, jede mit zwei Kindern, intensiv am Werken, im Endspurt. „Man kommt aus dem Alltagstrott heraus. Der Ort ist fantastisch, inspirierend, die Kinderbetreuung klasse. Es ist aber kein Urlaub, sondern harte Arbeit“, sagt Lena Polizka.

„Als Mutter fällt man aus vielem heraus, da bei Stipendien und Preisen die Altersgrenze für Bewerbungen oft bei 35 Jahren liegt. Das empfinde ich als diskriminierend“, merkt die 38-Jährige an. Sie arbeitet gerade an einer Installation zum Thema „Resillienz“, bei der sie Bruchstücke aus Ton zu einem größeren Ganzen verwebt, mit Fäden und Schläuchen. Ihr dreijähriger Sohn Jakob steht neben ihr am Tisch und lernt schon das Töpfern.

An den Wochenenden unternehmen die Künstlerinnen Ausflüge in den Leipziger Zoo oder nach Grimma. An den anderen Tagen dient der Hof selbst als ein Ort für Begegnung und Austausch der Frauen und der Kinder. Schaukeln, Feuerstelle und ein Wasserbassin für die Jüngsten laden ein zum Entspannen.

So werden Freundschaften geknüpft, die über das Symposium weit hinaus reichen. Dieser Sommer bietet dafür noch viel Gelegenheit. Im August kommt sogar eine Künstlerin aus den USA.

LVZ