Glückliche Gesichter gab es nach der Stadtratsentscheidung zum Ergebnispapier zum Bürgerbahnhof Plagwitz auch beim Leipziger Ökolöwen, der sich als Umweltverband auch in die Diskussion um den Erhalt von Freiflächen auf dem einstigen Güterbahnhofsgelände eingebracht hat. Mit großer Mehrheit wurde in der Ratsversammlung am 26. Juni dieses Ergebnispapier zum Bürgerbahnhof Plagwitz beschlossen. Dem Papier ging ein langer Beteiligungsprozess voraus. In seiner Art bislang in Leipzig einzigartig und auch deutlich aufwendiger als der Beteiligungsprozess zum Jahrtausendfeld.
Mehr als 40 Personen, darunter die LEWO AG, der wesentliche Geländeteile gehören, Anwohner/-innen, die Bürgerinitiative Plagwitzer Bürgerbahnhof, das Stadtplanungsamt, Umweltverbände, Vertreter/-innen der Fraktionen und aus Wirtschaft und Kultur haben in zwölf Terminen gemeinsam ein Konsenspapier erarbeitet, das die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten in Einklang bringen konnte.
Platz für ein Stück Natur
Mandy Gehrt, Sprecherin für Kultur der Fraktion Die Linke im Stadtrat zu Leipzig, erklärt dazu in der Ratsversammlung am 26. Juni: „Gemeinsam ist es gelungen, sowohl Freiflächen und kulturelle Einrichtungen zu erhalten als auch Gewerbe- und Wohnraum zu schaffen. 60 Prozent (ca. 12.000 m²) des ursprünglichen Grundstückes der LEWO AG soll nun an die Kommune gehen.
Die zukünftigen kommunalen Flächen sollen nicht bebaut, sondern ökologisch und nachhaltig entwickelt werden. Auch der Westbahnhof soll nun in kommunalen Besitz gehen, denn dieser ist für den Kiez ein wichtiger kultureller Ankerpunkt.
Planskizze zum Ergebnispapier zum Bürgerbahnhof Plagwitz. Karte: Stadt Leipzig
Das Ergebnis zeigt, dass es sich lohnt, Einwohner*innen und andere Akteur*innen aktiv an der Entwicklung unserer Stadt zu beteiligen. Auch wenn Mitbestimmungs- und Teilhabeprozesse Kraft und Zeit kosten, sind sie doch Ausdruck gelebter Demokratie.
Mit dem Beschluss des Stadtrates kann nun die Erfolgsgeschichte des Bürgerbahnhof Plagwitz fortgeschrieben werden und als Vorbild für weitere Projekte einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Stadtentwicklung dienen.“
Ein folgenreiches Artenschutzgutachten
2022 hatte der Ökolöwe selbst einen Baustopp für den Bürgerbahnhof Plagwitz gefordert. Vor allem kritisierte er die lückenhafte Artenerhebung an diesem Jahrzehnte lang brach liegenden Gelände.
„Die Arterhebungen, die dem Bebauungsplan aktuell zugrunde liegen, sind durchweg älter als sechs Jahre und schätzen u. a. den Bestand von Wechselkröte und Zauneidechse völlig falsch ein. Bislang hat es die Stadt Leipzig versäumt, ein neues Gutachten in Auftrag zu geben“, kritisierte der Ökolöwe.
„Dabei sollte klar sein, dass auf einer veralteten Datenbasis keine sachgerechte Einschätzung vorgenommen werden kann: Mittlerweile leben viel mehr geschützte Tiere auf dem Bürgerbahnhof!“, sagte damals Tino Supplies.
Der Ökolöwe hatte deshalb ein Planungsbüro beauftragt, ein neues Artenschutzgutachten zu erstellen – als neue, zeitgemäße Grundlage des Verfahrens. „Der Stadt können wir jedenfalls nicht mehr vertrauen! Zumal die unzulässig eingeleiteten Bauaktivitäten schon jetzt zahlreiche seltene Amphibien und Reptilien auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz getötet haben.“
Ein Jahr später legte der Ökolöwe dieses Artenschutzgutachten vor. „Das Ergebnis des Gutachtens ist spektakulär: Auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz lebt Leipzigs letzte Population der streng geschützten Wechselkröte. Sie kann nicht einfach umgesiedelt werden, wie das bei anderen Bauprojekten sonst oft üblich ist“, konnte Tino Supplies feststellen.
Die Gefahr, die daraus folgte, sollten die damaligen Baupläne tatsächlich verwirklicht werden, beschrieb Supplies so: „Bei der aktuell geplanten Umnutzung des Plangebietes kommt es zu einer großflächigen Entwertung der Landlebensräume im weiteren Umfeld des Regenrückhaltebeckens.
Die zukünftige Bebauung und die Fahrwege isolieren das Reproduktionsgewässer von den Landlebensräumen und verringern diese erheblich. Dies führt wahrscheinlich zum mittelfristigen Aussterben der Art am Plagwitzer Bahnhof und damit auch im Stadtgebiet von Leipzig.
Unter diesen Gegebenheiten besteht eine sehr hohe Verantwortung der Stadt Leipzig im weiteren Planungsprozess, um den letzten, dauerhaft intakten und gut funktionierenden Reproduktionsstandort und die dazu gehörenden Landlebensräume der Wechselkröte im Stadtgebiet angemessen zu schützen.“
Das heißt: Eigentlich hätte die LEWO AG schlicht aus naturschutzfachlichen Gründen nicht einfach wie geplant bauen können, war also gut beraten, mit Stadt, Bürgerinitiativen und Umweltverbänden einen Kompromiss einzugehen, wie er dann im Frühjahr 2024 auch gefunden wurde. Jenen Kompromiss, der als Ergebnispapier dann am 26. Juni vom Stadtrat mehrheitlich befürwortet wurde.