Hamburg – Diese Gassirunde endete fatal: Ein Mann (42) verlor den Unterschenkel seines linken Beines. Sein Hund ist tot. Und sein Baby erblickte nicht das Licht der Welt.

Vor dem Amtsgericht Harburg begann am Freitag der Prozess gegen Audi-Raser Sokol M. Der spricht über den 17. Februar 2024, einen Samstag. Es war gegen 17. Uhr. Der Fahranfänger hatte den A6 seines Vaters: „Ich dachte mir einfach, ich will Gas geben. Ich dachte, die Straße ist einfach perfekt… Ich habe dann auf Sport geschaltet, beschleunigt…70, 80, 90.“

Die Unfallstelle in der HafenCity

An der Unfallstelle in der HafenCity liegt ein Schuh von Daniel M.

Foto: NEWS5

Der A6 erfasst Fußgänger und Hund

Erlaubt ist in der Versmannstraße in der HafenCity Tempo 50. Laut Staatsanwaltschaft Hamburg donnerte der Audi mit mindestens 112 km/h über sie.

Der damals 18-Jährige: „Dann habe ich gesehen, dass eine Person mit einem Hund auf die Straße gekommen ist. Ich hatte doch Grün an der Ampel.“

Die Ampel ist eine Bedarfsampel. Fußgänger müssen dort drücken. Anwohner berichten, dass es dann mindestens eine Minute dauert, bevor sie Grün bekommen.

Mit diesem Audi A6 erfasste der 18-Jährige den Fußgänger mit seinem Hund

Mit diesem Audi A6 erfasste der 18-Jährige den Fußgänger mit seinem Hund

Foto: NEWS5

Das Raser-Opfer

Der Fußgänger ist Daniel M. (42): „Ich habe die verschwommene Erinnerung, dass irgendwas mit der Ampel nicht stimmte.“

Als er dann die Fahrbahn passierte, sei er „wie aus dem Nichts“ von etwas getroffen worden: „Das nächste, was ich weiß, ist, dass ich an der Unfallstelle liege. In dem Moment schaltet der Körper komplett auf Überleben. Die Welt wird ganz klein.“

Wurde zuvor vom Audi-Raser überholt: Stephanie L. (42)

Wurde zuvor vom Audi-Raser überholt: Stephanie L. (42)

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Die Ersthelfer

Stephanie L. (42), ihr Mann und ihr Sohn (12) waren kurz zuvor noch vom Raser überholt worden. Sie schildert den Unfall: „Wir haben gesehen, dass ein Bein ein paar Meter entfernt von dem Mann lag. Dann war da auch noch der tote Hund.“ Der Audi-Fahrer hätte heulend auf dem Boden gehockt.

Rolf R. (65), ein weiterer Autofahrer, bindet dem Fußgänger mit seinem Gürtel den Rest vom Bein ab, drückt die Arterie ab – und rettet Daniel M. damit vor dem Verbluten.

Lebensretter: Rolf R. (65) band mit seinem Gürtel das Bein ab und drückte die Aterie zu

Lebensretter: Rolf R. (65) band mit seinem Gürtel das Bein ab und drückte die Arterie zu

Foto: Martin Brinckmann

Die Verletzungen

Der 42-Jährige kommt in die Klinik: Not-OP, Koma, Beinamputation. Kreuzbein, 5 Rippen und linker Arm sind gebrochen, Hirnblutung.

Der Mann: „Und ich hatte dennoch noch Glück. Eine halbe Sekunde später und ich würde hier nicht sitzen, weil mich das Auto anders getroffen hätte.“

Das alles zu hören, ist für den Audi-Raser zu viel: Er bricht weinend zusammen, kurze Unterbrechung.

Richterin Weber will am nächsten Dienstag das Urteil verkünden

Die erfahrene Richterin Weber will am nächsten Dienstag das Urteil verkünden

Foto: Martin Brinckmann

Dann sagt Daniel M., dass heute nichts mehr so ist, wie es mal war: „Es ist jeder Lebensbereich betroffen“. Er sei früher oft im Fitness-Studio gewesen – „Geht nicht mehr!“ Er hofft, irgendwann mit Prothese wieder Fahrrad fahren zu können.

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Dann blickt er zu seiner Freundin im Zuschauerraum. Sie nickt. Er erzählt: „Meine Partnerin war im Februar schwanger. Wir haben uns für einen Abbruch entschieden. Die Entscheidung ist uns wahnsinnig schwergefallen. Man kann so etwas nicht mehr umkehren. Aber durch meine eingeschränkte Mobilität und Stressanfälligkeit hätte ich diesem Kind nicht gerecht werden können.“

Er habe befürchtet, dass er in eine schwere Depression verfallen, dann die Beziehung scheitern würde, das Kind alleinerziehend aufwächst.

Das Raser-Opfer: „Das ist die krasseste Folge dieses Unfalls. Ansonsten hätten wir dieses Kind bekommen.“

Am kommenden Dienstag wird der Prozess fortgesetzt.

Korrektur

In einer früheren Version des Artikels stand, der Unfallverursacher habe den Fußgänger mit 112 km/h erfasst. Tatsächlich hatte er diese Geschwindigkeit vor der Ampel erreicht, vor dem Aufprall aber noch abgebremst. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.