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Putin lässt sich nicht blicken, weil Brasilien ihn verhaften müsste. Mit dem Rückzug Xi Jinpings fehlt der Konferenz nun fast die Führungsriege.
Rio de Janeiro – Der diesjährige BRICS-Gipfel in Brasilien (22. bis 24. August), der als prestigeträchtige Bühne für die globale Südkooperation angekündigt war, wird überschattet von der Abwesenheit zweier zentraler Akteure: Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping. Beide bleiben der Konferenz fern – ein Zeichen für wachsende Spannungen innerhalb des Bündnisses und eine mögliche Erosion seiner globalen Bedeutung.
BRICS-Gipfel ohne Putin: Haftbefehl schreckt Kreml ab
Putin nimmt lediglich per Video an der Konferenz teil. Als Grund nennt der Kreml, berichtet Reuters, „gewisse Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Anforderungen des Internationalen Strafgerichtshofs“. Hintergrund ist der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), der Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine sucht – konkret wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder.
Als Mitgliedsstaat des IStGH wäre Brasilien verpflichtet, Putin bei Einreise zu verhaften. Diese Unsicherheit veranlasste den Kreml bereits 2023, einen Gipfelbesuch in Südafrika abzusagen.
Putins Parade in Moskau: Russland feiert „Tag des Sieges“ mit gigantischer MilitärparadeFotostrecke ansehenPutins Sicherheitsrisiko und diplomatischer Rückschritt für Russland
Die brasilianische Regierung zeigte sich außerstande, Putins Sicherheit zu garantieren. Eine offene Weigerung, den Haftbefehl zu vollziehen, hätte Brasilien in diplomatische Turbulenzen mit dem Westen gebracht. Entsprechend äußerte sich Kremlberater Juri Uschakow: „Die brasilianische Regierung konnte keine klare Position einnehmen, die unserem Präsidenten die Teilnahme vor Ort erlaubt hätte.“
Somit wird Russland auf dem Gipfel durch Außenminister Sergej Lawrow vertreten – ein diplomatischer Rückschritt für Moskau, das BRICS traditionell als Gegengewicht zur westlich dominierten Weltordnung inszeniert, konstatiert The Moscow Times.
Russlands Präsident bleibt dem Treffen in Rio fern, um einer Festnahme zu entgehen. China zeigt ebenfalls Distanz – der Gipfel verliert spürbar an Gewicht. © Foto links: IMAGO / ZUMA Press | Foto rechts: IMAGO / XinhuaXi Jinping bleibt ebenfalls fern – Symbol für Chinas BRICS-Distanz
Auch Chinas Xi Jinping – seit zwölf Jahren ein konstanter Teilnehmer der BRICS-Treffen – reist nicht nach Rio. Offiziell wird ein „Terminkonflikt“ genannt, tatsächlich sendet Xi nur Premierminister Li Qiang, schreibt The Guardian. Beobachter, analysiert The Telegraph, werten dies als strategische Zurückhaltung, um keine offenen Spannungen mit den USA zu riskieren – insbesondere nach den klaren Drohungen von US-Präsident Donald Trump, den BRICS-Staaten im Falle einer anti-dollarisierten Währungsalternative mit Strafzöllen von 100 Prozent zu begegnen.
Brasiliens Präsident Lula da Silva bemühte sich im Vorfeld um eine Neupositionierung von BRICS als Reformbündnis des globalen Südens. Doch die Abwesenheit der beiden Schwergewichte Russland und China wirft einen Schatten auf dieses Vorhaben. Brasilien wollte mit Themen wie globaler Governance, grüner Transformation und Impfstoffkooperation punkten – ohne die geopolitische Polarisierung durch Moskau oder Peking.
BRICS-Staaten: Viele Mitglieder, kein gemeinsames Ziel?
BRICS ist ein Zusammenschluss aufstrebender Volkswirtschaften, der 2006 von Brasilien, Russland, Indien und China gegründet wurde. Seit 2010 gehört auch Südafrika dazu, weshalb aus „BRIC“ die heutige Bezeichnung „BRICS“ wurde. Ziel des Bündnisses ist es, westlich dominierte Institutionen wie IWF und Weltbank herauszufordern und eine multipolare Weltordnung zu fördern.
Ab 2024 erlebte BRICS eine deutliche Erweiterung: Ägypten, Äthiopien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate und 2025 auch Indonesien traten als neue Vollmitglieder bei. Damit umfasst BRICS heute zehn Staaten mit rund 3,9 Milliarden Menschen – knapp die Hälfte der Weltbevölkerung – und fast 29 Billionen US-Dollar an gemeinsamer Wirtschaftsleistung. Trotz dieser Größe bleibt BRICS ein loses, informelles Bündnis ohne feste Charta. Die Interessen der Mitglieder sind oft heterogen – geeint sind sie vor allem in der Ablehnung westlicher Dominanz.
Aktueller Vorsitz (2025): Brasilien
Gründung: 2006 als „BRIC“, seit 2010 „BRICS“
Zentrale Institution: New Development Bank (NDB), gegründet 2014 in Fortaleza
Quellen: auswärtiges-amt.de, bpb.de, tagesschau.de, dw.com, reuters.com, de.statista.com.
BRICS-Treffen in Brasilien: Ein zersplitterter Block in der Krise
Mit der Erweiterung auf nun zehn Mitglieder – darunter Iran, Ägypten und Saudi-Arabien – ist die politische Heterogenität der Gruppe enorm gewachsen. Die interne Uneinigkeit zeigt sich deutlich: Iran will nach den israelisch-amerikanischen Luftangriffen Rückendeckung von BRICS, doch das Bündnis brachte nur eine allgemeine Erklärung der „ernsten Besorgnis“ zustande, notiert die New York Times. Der Konsens zerbrach an divergierenden nationalen Interessen.
Auch innenpolitisch stehen BRICS-Staaten unter Druck. Xi Jinping führt laut Beobachtern erneut innerparteiliche Säuberungen durch, jüngst wurde Admiral Miao Hua seines Amtes enthoben, schreibt The Hill. Und in Brasilien kämpft Lula mit Abstürzen in den Umfragen – laut aktuellen Zahlen liegt seine Zustimmungsrate bei lediglich 28 Prozent.
Der Haftbefehl als diplomatische Belastung – und Putins internationale Isolation
Putins Abwesenheit in Rio ist nicht nur ein rechtliches Problem, sondern ein symbolischer Tiefschlag für seine internationale Legitimität. Der IStGH beschuldigt ihn, „maßgeblich an der Verschleppung ukrainischer Kinder beteiligt“ gewesen zu sein – ein Verstoß, der möglicherweise als Völkermord gewertet werden könnte, erläutert der Thinktank Atlantic Council auf seiner Website.
Während Putin vergangenes Jahr noch in der Mongolei hofiert wurde, blieb Brasilien ein solches Risiko schuldig. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch forderten im Vorfeld öffentlich die brasilianische Justiz auf, im Falle einer Einreise Putins einen Haftbefehl zu vollstrecken.
Die Fernteilnahme per Video ist somit nicht nur ein diplomatischer Notbehelf, sondern Ausdruck internationaler Ächtung – und eine Mahnung an andere Autokraten, dass internationale Strafverfolgung politische Wirkung entfalten kann.
BRICS: Ein zahnloses Bündnis?
Zwar macht BRICS weiterhin rund 40 Prozent der Weltwirtschaft aus, doch das Bündnis droht, zum machtlosen Debattierclub zu verkommen. Der Versuch, mit einer eigenen Währung die US-Dollar-Hegemonie zu brechen, ist faktisch gescheitert – selbst Moskau und Neu-Delhi dementieren entsprechende Pläne mittlerweile offen, so The Telegraph. Auch die „Neue Entwicklungsbank“ des Bündnisses bleibt im Vergleich zu westlichen Institutionen wie dem IWF oder der Weltbank ein Leichtgewicht.
Angesichts wachsender interner Rivalitäten – etwa zwischen Indien und China oder Saudi-Arabien und Iran – scheint die Vision eines geeinten geopolitischen Blocks in weiter Ferne. Analyst Oliver Stuenkel urteilt in der New York Times: „Es gibt überhaupt keine Einigkeit über Iran.“
Der BRICS-Gipfel 2025 in Rio sollte ein Meilenstein für die Neuausrichtung des globalen Südens sein. Stattdessen markiert er womöglich den Beginn eines Abwärtstrends. Die symbolträchtige Abwesenheit Putins – aus Angst vor Verhaftung – sowie Xis demonstrative Zurückhaltung schwächen das Bündnis an seinem Fundament. Was als Aufbruch gedacht war, droht zum Offenbarungseid zu werden. Ein Gipfel, bei dem zentrale Figuren fehlen, kann kaum den Anspruch erheben, die Weltordnung neu zu formen.