England verliert gegen Frankreich –
Die «neue Ära» der Titelverteidigerinnen startet nicht allzu vielversprechend
Die Engländerinnen straucheln zum EM-Auftakt und unterliegen Frankreich 1:2. Dem Team fehlt nach dem Umbruch die Selbstverständlichkeit von 2022, während die Französinnen stilsicher auftreten.
Publiziert heute um 10:45 Uhr
Begeisterung sieht anders aus: Lucy Bronze verliert mit England das Auftaktspiel gegen Frankreich 1:2.
Foto: Alexander Hassenstein (Getty Images)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.BotTalkIn Kürze:
- Die englischen Titelverteidigerinnen verlieren ihr EM-Auftaktspiel gegen Frankreich 1:2.
- Nach mehreren prominenten Rücktritten präsentiert sich England in einem neuen Gewand – und muss sich noch etwas finden.
- Auch bei Frankreich sind zwei gestandene Spielerinnen nicht mehr im Kader.
Der erste Schock für einen englischen Journalisten folgt schon vor dem Spiel. «29?» fragt er ungläubig die Frau hinter dem Tresen. Sie nickt, etwas peinlich berührt. Er bezahlt und stapft mit seinem Teller Teigwaren und einem Süssgetränk davon. Die horrenden Preise machen auch vor dem Büffet in den Medienräumlichkeiten nicht Halt.
Rund zwei Stunden später sitzt der gleiche Journalist an seinem Medienplatz auf der Tribüne, tippt in vollem Tempo in die Tasten und schüttelt dann beim Schlusspfiff nur ungläubig den Kopf. 1:2 verliert England gegen Frankreich. Viele wohlwollende Worte werden in seinem Text über die Titelverteidigerinnen nicht vorkommen.
Zwar zeigen sie einen engagierten Beginn, doch nach dem aberkannten Goal in der 16. Minute stellen die Engländerinnen ihren Offensivfussball ein, schiessen in der ersten Halbzeit nie aufs gegnerische Tor, verstecken ihre oft gelobte Spielintensität und physische Überlegenheit gekonnt und leisten sich dazu noch viele Fehler.
Die EM-Titelverteidigung ist ein Schritt ins Ungewisse
England wirkt nicht mehr wie jenes Team, das 2022 Deutschland im Final besiegte. Millie Bright ist aus dem Nationalteam zurückgetreten, um ihre mentale und körperliche Gesundheit zu schützen. Andere Leistungsträgerinnen von damals wie Jill Scott, Ellen White und Rachel Daly haben sich gänzlich vom Fussball verabschiedet. Vielmehr zu reden gaben aber die Rücktritte von Fran Kirby und Mary Earps kurz vor der Europameisterschaft.
Das 2:0 für Frankreich: Baltimore trifft mit einem präzisen Schuss ins lange Eck.
Kirby stand 2022 bei allen Spielen der Engländerinnen auf dem Platz, wurde aber von Trainerin Wiegman in diesem Jahr nicht für die EM nominiert und trat aufgrund dessen zurück. Die zweifache Welttorhüterin Earps, jahrelang die klare Nummer eins im englischen Goal, sah sich vermehrt dem Zweikampf mit Hannah Hampton ausgesetzt, wurde für dieses Turnier von Wiegman offenbar nur noch als Ersatz eingeplant und sagte darauf mit den Worten «Eine neue Ära bricht an» Adé.
Dieses neue England ist jung, unberechenbar – oder wie es die britische Zeitung «Guardian» vor dem Turnierstart beschreibt: «Die Titelverteidigung der Lionesses an der EM ist ein Schritt ins Ungewisse.» Die Erwartungen in England bleiben aber trotz des Umbruchs hoch. Die erstmalige Titelverteidigung ist das Ziel, dafür werden auch rege Tickets gekauft: 50’000 sind es laut Uefa in England, in keinem Land ausserhalb der Schweiz wurden mehr abgesetzt.
Die englischen Fans waren am Samstagabend so auch zahlreich im ausverkauften Letzigrund, die grosse Euphorie kam aber nie auf. Zwar keimte nach dem späten Anschlusstreffer von Keira Walsh in der 87. Minute nochmals Hoffnung auf, diese wurde aber zehn Minuten später durch den Schlusspfiff und die französische Siegesfolklore, die aus den Stadionspeakern ertönte, endgültig zerstört.
Auch Frankreich erlebte einen Umbruch
Dafür herrscht nun etwas mehr Gewissheit über den doch noch etwas fragilen Zustand dieses Teams. Am Mittwoch geht es weiter gegen die Niederlande, die ihr erstes Spiel gegen die Aussenseiterinnen aus Wales 3:0 gewannen. Dort brauchen sie unbedingt einen Sieg, um sich nicht gleich wieder von der EM zu verabschieden. Es wird der nächste grosse Test in dieser anspruchsvollen Gruppe für das Team um Erfolgstrainerin Wiegman, die 2017 mit den Niederlanden ihre erste Europameisterschaft gewinnen konnte.
Einiges weniger Druck verspüren nun die Französinnen, die ihre grossen Ambitionen in diesem Jahr mit dem Auftaktsieg klar unterstrichen. Auch ihr Trainer Laurent Bonadei liess mit Eugénie Le Sommer, Wendie Renard und Kenza Dali drei Spielerinnen zu Hause, die zusammen auf unglaubliche 444 Länderspiele kommen, über ein Jahrzehnt zu den Leistungsträgerinnen gehörten, nun aber Opfer der angestrebten Kaderverjüngung wurden.
Ihr Fehlen wird im ersten EM-Spiel gekonnt kaschiert. Angeführt von Captain Sakina Karchaoui zeigen die Französinnen stilsicheren, abgezockten Fussball und offenbaren, dass ihnen der Umbruch wohl etwas weniger zugesetzt hat als ihren Gegnerinnen.
Diesen Podcast können Sie auch auf allen gängigen Podcast-Plattformen kostenlos hören und abonnieren.Loris Brasser ist Redaktor im Ressort Sport und berichtet vorwiegend über Fussball.Mehr Infos
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