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Brasilien richtet den Gipfel der Brics-Staaten aus. Europa und Deutschland sollten über einen Kurswechsel in Lateinamerika nachdenken.
Brasilien hat 2025 die Brics-Präsidentschaft übernommen und positioniert sich erneut als wichtiger Akteur im sogenannten „Globalen Süden“, nachdem es im Vorjahr die G20-Präsidentschaft innehatte. In einer zunehmend multipolaren Welt gewinnt das Format als Plattform der Schwellen- und Entwicklungsländer an Bedeutung.
Grundidee war, eine ausgewogenere globale Governance zu fördern, und den Einfluss „westlicher“ Institutionen auszugleichen. Die Dominanz Chinas und Russlands innerhalb der Gruppe führte jedoch dazu, dass die Allianz oft als antiwestliches Bündnis gesehen wird. Das wollen Länder wie Brasilien tunlichst vermeiden. Die Brics-Plus-Gruppe, die neben Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika nun auch Länder wie Ägypten, Iran und Indonesien umfasst, repräsentiert über 48 Prozent der Weltbevölkerung und etwa 39 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
(Quelle: KAS)
Maximilian Hedrich leitet seit eineinhalb Jahren das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Brasilien. Zuvor war er als Referent in der Abteilung Lateinamerika der Stiftung in Berlin für Brasilien zuständig. Vorherige Auslandseinsätze führten ihn als Büroleiter nach Bolivien und Venezuela.
Unter dem Motto „Stärkung der Zusammenarbeit im Globalen Süden für eine inklusivere und nachhaltigere Governance“ setzt Brasilien Schwerpunkte in globaler Gesundheit, Handel, Klimawandel, Künstlicher Intelligenz, multilateraler Friedensarchitektur und institutioneller Entwicklung der Gruppe. Brasilien sieht in seiner Präsidentschaft eine Chance, die Interessen des „Globalen Südens“ stärker zu bündeln und die Stimme der Schwellenländer international zu stärken.
Mit 8,5 Millionen Quadratkilometern ist Brasilien das fünftgrößte Land der Welt und mit rund 215 Millionen Einwohnern eine der größten Demokratien weltweit. Trotz dieser Größe sieht sich das Land strukturellen Herausforderungen gegenüber, die seine Glaubwürdigkeit auf der internationalen Bühne beeinträchtigen. Die brasilianische Wirtschaft ist stark von Rohstoffexporten abhängig und kämpft mit bürokratischen Hürden sowie einer komplexen Steuerstruktur.
Der Schutz des Amazonas-Regenwaldes bleibt ein international umstrittenes Thema, das das Image Brasiliens belastet und den Zugang zu wichtigen Märkten, besonders in Europa, erschwert. Gleichzeitig bieten die kontinentalen Ausmaße Brasiliens enorme Potenziale bei der Energietransformation – etwa bei grünem Wasserstoff – Ernährungssicherheit und einer starken Verteidigungsindustrie. Brasilien nutzt geschickt die Plattform, um diese Potenziale hervorzuheben und seine Rolle als Vermittler zwischen dem „Globalen Süden“ und der internationalen Gemeinschaft zu stärken.
Vor dem Hintergrund der Brics-Plus-Initiative Brasiliens bietet sich Europa die Chance, eine Brücke zwischen etablierten westlichen Märkten und dynamischen Schwellenländern zu schlagen, um gemeinsame Lösungen für globale Herausforderungen zu entwickeln. Die Kooperation zwischen Europa und Brasilien geht über das viel diskutierte EU-Mercosur-Handelsabkommen hinaus. Brasilien hat sich in nachhaltiger Landwirtschaft, Impfstoffproduktion und innovativen Finanzierungsmodellen als wichtiger Partner etabliert.
Angesichts geopolitischer Unsicherheiten und protektionistischer Tendenzen, besonders in den USA, ist es für Europa essenziell, seine Präsenz in Lateinamerika zu verstärken und neue Allianzen zu bilden sowie alte wiederzubeleben. Dabei ist der wachsende Einfluss Chinas in Brasilien und der Region ein bedeutender Faktor. Chinesische Investitionen in Infrastruktur, Energie und Technologie haben die Wettbewerbsfähigkeit Europas herausgefordert, da China als Brasiliens wichtigster Handelspartner oft mit schnelleren und weniger bürokratischen Prozessen punktet.
Dies sollte Europa veranlassen, seine Lateinamerika-Strategien kritisch zu überdenken und verstärkt zu investieren, um nicht weiter an Einfluss zu verlieren. Brasilien balanciert dabei zwischen den Interessen der Brics-Plus-Staaten und der Notwendigkeit, stabile und diversifizierte Partnerschaften zu pflegen, was die Komplexität der internationalen Beziehungen widerspiegelt.
Während Brasilien seine Position innerhalb der Gruppe ausbaut und den „Globalen Süden“ stärker vernetzen will, zeigt sich Europa in Lateinamerika vergleichsweise zurückhaltend. Europa sollte sich von einer passiven Rolle verabschieden und eine pragmatische, realpolitische Partnerschaft mit Brasilien und seinen Nachbarn anstreben. Dabei ist es wichtig, Differenzen offen anzusprechen und den Dialog aufrechtzuerhalten, gerade mit Blick auf mögliche Regierungswechsel.
Die brasilianische Brics-Plus-Präsidentschaft verfolgt die Förderung wirtschaftlicher Integration, des Klimaschutzes und sozialer Entwicklung. Diese Ziele bieten auch Europa und Deutschland Anknüpfungspunkte, um gemeinsame Projekte zu entwickeln, die über reine Handelsbeziehungen hinausgehen. Die Zusammenarbeit könnte sich auf erneuerbare Energien, digitale Transformation und öffentliche Gesundheit erstrecken – Bereiche, in denen Brasilien und Europa komplementäre Stärken besitzen.