Da erstellt man einen Plan – und das Leben haut dazwischen. Die Erfahrung macht Leipzig auch mit seiner Schulentwicklungsplanung. Die müsste eigentlich ganz einfach sein: Man weiß, wie viele Kinder geboren werden. Sechs Jahre später kommen sie in die Schule. Also kann man erst die Kapazitäten für die Grundschulen planen, dann für Gymnasien und Oberschulen. Aber dann brechen auf einmal die Geburtenzahlen ein, während Schulenbauen und Sanieren ewig dauert und das Geld dafür oft fehlt. Am 26. Juni ging es genau darum in der Ratsversammlung.
Alle fünf Jahre muss Leipzig eine neue Schulentwicklungsplanung vorlegen, damit Schulbau und Schülerzahl nicht auseinander klaffen. Das tun sie in Leipzig. Übrigens aus denselben Gründen, warum es jahrelang eine echte Not an Betreuungsplätzen in den Kindertagesstätten gab. Man kann gar nicht so schnell bauen, wie Kinder geboren werden. Und während noch eifrig gebaut wurde, erwischte der Geburtenknick die städtischen Planer auf dem falschen Fuß.
Bei den Schulen befürchtet CDU-Stadtrat Karsten Albrecht eine ähnliche Entwicklung. Er verwies darauf, dass die jetzt vorgelegte Schulentwicklungsplanung noch auf der Bevölkerungsprognose von 2023 beruht, die den extrem starken Geburtenknick noch gar nicht voraussehen konnte.
Aber es ist nicht nur diese Hochrechnung der Bevölkerungsentwicklung, welche die Sache kompliziert macht. Denn Leipzig lebt vom Zuzug. Auch veränderte Flüchtlingszahlen beeinflussen die Schulplanung. Und fehlende Wohnungen. Auch da hat Albrecht recht: Wenn zu wenige Wohnungen neu gebaut werden, ziehen weniger Familien zu oder verzichten junge Eltern auf Kinder. Und dann – so Albrecht – habe man schnell dasselbe Problem wie in den Kitas auch in den Schulen.
Erste Entspannung in den Grundschulen
Da aber hat die Stadt natürlich auch konkrete Anmeldezahlen. Den Geburtenrückgang merke man jetzt schon ein wenig in den Grundschulen, stellte Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus fest. Aber das sorgt erst für eine leichte Entspannung. „Noch haben wir Überbelegungen in allen Schularten“, sagte sie.
Entwicklung der Schülerzahlen in Leipzig – die Prognose bis 2040. Grafik: Stadt Leipzig
Das heißt: Normalisieren wird sich die Lage in den Grundschulen auch erst in den nächsten Jahren. Während im Bereich von Gymnasien und Oberschulen weiter investiert werden muss. Den notwendigen Neubauten müssen alsbald auch die Komplexsanierungen der Bestandsgebäude folgen. Auch die kosten Geld. Und dieses Geld wird knapp – auch weil sich der Freistaat bei der Förderung auffallend zurückhält.
Und dabei warten viele ältere Schulen seit über 25 Jahren auf eine Sanierung, wie Sebastian Petrick aus dem Stadtbezirksbeirat West in die Debatte warf. Der Stadtbezirksbeirat hatte extra zu diesem Thema einen Änderungsantrag geschrieben, der dann aber ins Verfahren verwiesen wurde wie noch zwei weitere Anträge.
Denn alle drei Anträge behandelten tatsächlich Themen, die in der jährlichen Schulbaustrategie behandelt werden müssen. Denn egal ob Schulgebäude, Sporthallen, Mensen, Schulhöfe usw., all das muss jährlich betrachtet werden: Ist Geld dafür da? Welches Projekt ist dringender? Was kann wirklich im aktuellen Haushalt angepackt werden?
Ein Rahmenplan für die nächsten fünf Jahre
Man versteht schon, warum Stadtbezirksbeiräte und auch einige Fraktionen solche Themen unbedingt mit in die Schulentwicklungsplanung drücken wollten. Aber dort würden sie nichts bewirken, weil es da tatsächlich nur um die Kapazitätsplanung geht. Mit möglichst genau berechneten Schülerzahlen, die dann bis auf Ortsteil- und Schulebene zeigen, wo wie viele Schulplätze welcher Art gebraucht werden.
Entwicklung der Schülerzahlen an Leipziger Grundschulen. Grafik: Stadt Leipzig
Aktuell – so Vicki Felthaus – besuchen 63.000 Kinder Leipziger Schulen. Und in vielen älteren Schulen steht jetzt eine Komplexsanierung an, die nicht mehr bei laufendem Betrieb stattfinden soll, sondern durch die Auslagerung der gesamten Schule in aktuell freie Schulgebäude.
Aber zwei Änderungsanträge wurden dann am 26. Juni doch noch von der Ratsmehrheit beschlossen, obwohl die Verwaltung sie nicht übernehmen wollte. Das erste war der Antrag der Linksfraktion, die Containerschule am Sportforum endlich abzubauen und die Schule – wie vom Stadtrat beschlossen – in ein bestehendes Schulgebäude umzulenken. Das Votum war positiv mit 40:11 Stimmen.
Das zweite war ein Antrag von SPD- und Linksfraktion zu Sportflächen und Fahrradübungsplätzen für jede Schule. Mit der Änderung, dass eine gleichzeitige Zuordnung von Schwimmhallen so nicht erfolgen kann. Er bekam mit 40:11 Stimmen ebenfalls die nötige Mehrheit.
Übernommen hatte Vicki Felthaus den Antrag der SPD-Fraktion: „Im nächsten Schulentwicklungsplan werden bei der Berechnung der Richtkapazität die Raumvorgaben aus dem ‚Musterraumprogramm‘ bei grundsätzlich allen Schulen konsequent angewandt. Dazu werden vergleichend die Kapazitäten dargestellt, mit welchen alle Schulen derzeit ausgelastet sind und mit welchen sie nach einer Sanierung noch ausgelastet sein können.“
Das würde man bei der Schulplanung schon berücksichtigen, sagte sie. Denn die aktuellen Zustände in vielen Schulen seien so nicht dauerhaft akzeptabel: vollgestopfte Klassen und für die Lehrer kaum noch eine Möglichkeit, mit den viel zu vollen Klassen wirklich erfolgreich zu arbeiten.
Und ein Dauerproblem, das auch SPD-Stadtrat Andreas Geisler ansprach, sei eben mit diesen Überkapazitäten verbunden: Der oft scheiternde Übergang von Kindern aus dem Gymnasium an eine Oberschule, der oft zeitnah gar nicht möglich ist, weil schlicht die Aufnahmekapazitäten in den Realschul-Klassen fehlen.
Weshalb sich Geisler am Ende der Abstimmung enthielt.
Die Vorlage zur Schulentwicklungsplanung bekam dann trotzdem die nötige Mehrheit mit 40:0:11 Stimmen. Womit Leipzig wieder einen Rahmenplan hat, innerhalb dessen nun jährlich die Schulbaustrategie nachjustiert werden kann. Auch das sagte Vicki Felthaus zu.
Denn auch die Verwaltung weiß nicht wirklich, ob es bei den bis 2040 vorausberechneten Schülerzahlen bleibt oder die Stadt doch noch unliebsame Überraschungen erlebt, mit denen niemand gerechnet hat.