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Trump pokert hoch, blufft und revidiert Aussagen. Seine Außenpolitik hat System: Sie ist auch als „Madman-Theorie“ bekannt. Doch wie erfolgreich kann das sein?

Washington, D.C. – Als US-Präsident Donald Trump im Vormonat ankündigte, sich eine zweiwöchige Bedenkzeit in der Frage des Umgangs mit dem iranischen Atomprogramm zu gewähren und die Atomanlagen der islamischen Republik wenig später mit B2-Spirit-Bombern angriff, wurde daran eines ganz klar deutlich: Trump setzt außenpolitisch auf Unberechenbarkeit. Jenem Kurs bereitete er bereits zu Beginn seiner zweiten Amtszeit den Weg, indem er davon sprach, Grönland und Kanada annektieren und den Golf von Mexiko in den „Golf von Amerika“ umbenennen zu wollen. Was zunächst schlicht wie krudes Drohen wirkte, entpuppt sich jedoch mehr und mehr als Ausdruck eines diplomatischen Kalküls.

Trump tritt in Nixon Fußstapfen und verfolgt außenpolitisch eine „Madman-Doktrin“

Politikwissenschaftlich wird eine Unvorhersehbarkeitsdoktrin jener Art auch „Madman-Theorie“ genannt: Dahinter verbirgt sich die Ambition von Regierungschefs, mit ausufernder Rhetorik und irrational anmutenden politischen Entscheidungen für einen zweifelbaren Ruf zu sorgen – im Glauben daran, dass sich daraus Vorteile in komplizierten diplomatischen Verhandlungen schaffen lassen. Der Begriff „Madman-Theorie“ selbst geht auf eine Aussage des 37. US-Präsidenten (1969-1974) Richard Nixon zurück, der von seinem Assistenten in Memoiren festgehalten wurde. Nixon erhoffte sich von jener Unberechenbarkeit, die verfahrene Situation der USA im Vietnamkrieg zu lösen, indem er die Ostblock-Staaten in Angst vor einem möglichen Atomwaffeneinsatz versetzte, um sie zu zwingen, US-Forderungen nachzugeben.

Von Trump bis Washington: alle US-Präsidenten in der ÜbersichtDonald Trump und Melania TrumpFotostrecke ansehen

Wie viel Trump an seiner eigenen Unberechenbarkeit liegt, machte er im Juni mit einer Aussage im Umkreis der Frage deutlich, ob er plane, sich Israel bei einem Angriff auf den Iran anzuschließen: „Ich könnte es tun. Vielleicht tue ich es auch nicht. Niemand weiß, was ich tun werde“, wurde der US-Präsident von internationalen Medien wie CNN und der New York Times übereinstimmend zitiert. Nicht zuletzt zeichnet sich damit ein deutliches Muster in der Außenpolitik des Republikaners ab: Das Berechenbare an Trump ist seine Unberechenbarkeit. Er ist inkonsequent, er korrigiert vorherige Aussagen, er widerspricht sich selbst. Wie erfolgreich aber kann Trump mit seiner Auslegung der Madman-Theorie sein?

Hinsichtlich der Nato-Bündnispartner zeigt Trumps Unvorhersehbarkeit erste Erfolge

„Trump macht hochgradig zentralisierte Politik, wohl die zentralisierteste, zumindest im Bereich der Außenpolitik, seit Nixon“, resümierte Peter Trubowitz, Professor für internationale Beziehungen an der London School of Economics, gegenüber der BBC. Erfolgreich angewandt kann eine Außenpolitik im Sinne der „Madman-Theorie“ eine Form der politischen Nötigung sein, mit denen sich von Gegnern Zugeständnisse abringen lassen – so jedenfalls die Zielsetzung, die der Theorie zugrunde liegt. Offensichtlich glaubt Trump fest daran, sie könne sich auszahlen und Verbündete wie Widersacher gleichermaßen dort hinbringen, wo er sie haben will. 

Auf der Ebene der transatlantischen Beziehungen scheint sich Trumps Madman-Ansatz zunächst auszuzahlen: Bereits wenige Tage nach seinem Amtsantritt im Januar (19. Januar) forderte Trump von den Nato-Bündnispartnern, ihre Verteidigungsausgaben massiv auf fünf Prozent zu erhöhen – eine Forderung, die der US-Präsident immer wieder bekräftigte. Als sich die Staats- und Regierungschefs von 31 der 32 Nato-Mitgliedsländer in der Vorwoche (24. – 25. Juni) zum Nato-Gipfel in Den Haag zusammen fanden, einigten sie sich darauf, die Verteidigungsausgaben innerhalb eines Jahrzehnts von bisher zwei Prozent des jeweiligen BIP auf fünf Prozent zu steigern – einzig Spanien erhielt eine Sonderregelung. Die übrigen Bündnispartner hoffen, durch die Erfüllung von Trumps Forderung, dass die USA trotz ihrer unberechenbaren Haltung weiterhin zu ihrer Beitrittsverpflichtung stehen.

Honoriert wurde Trump dazu von Nato-Generalsekretär Mark Rutte, wie der Republikaner auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social durchsickern ließ: „Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für Ihr entschlossenes Handeln im Iran, es war wirklich außergewöhnlich“, beglückwünschte Rutte den US-Präsidenten. Zu der bevorstehenden Ankündigung, dass alle Nato-Mitglieder einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 5 Prozent des BIP zugestimmt haben, fuhr Rutte fort: „Sie werden etwas erreichen, was kein Präsident in den letzten Jahrzehnten zustande bringen konnte.“

Wladimir Putin zeigt Trumps Madman-Außenpolitik bislang Grenzen auf

Neben Trumps Wirken im Umkreis der Nato-Partner gelang es dem Republikaner auch, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Zustimmung abzuringen, den USA lukrative Rechte an ukrainischen Bodenschätzen zu gewähren. Und das, nachdem Selenskyj Ende Februar (28. Februar 2025) von Trump und JD Vance im Oval Office vorgeführt worden war. Neben Trumps Madman-Außenpolitik dürfte dafür aber auch die ukrainische Abhängigkeit von den USA maßgeblich für das Zugeständnis Selenskyjs gewesen sein. 

Außenpolitisch pokert Trump hoch, blufft und revidiert Aussagen. Das hat System: Es ist auch als „Madman-Theorie“ bekannt. Doch wie erfolgreich kann das sein?US-Präsident Donald Trump im Oval Office © IMAGO / ZUMA Press Wire

Trumps Widersacher auf weltpolitischer Ebene weisen den Madman-Ansatz des Republikaners bislang jedoch noch in ihre Schranken: Russlands Staatschef Wladimir Putin weicht auch nach dem Gespräch mit dem US-Präsidenten am Donnerstag nicht von seiner Position im Ukraine-Krieg ab, wie der Kreml-Chef über seinen Berater Juri Uschakow verlauten ließ: „Unser Präsident sagte, Russland werde seine festgelegten Ziele erreichen, nämlich die Ursachen beseitigen, die zur aktuellen Lage geführt haben. Russland wird diese Ziele nicht aufgeben“, wurde Uschakow mitunter von der Tagesschau zitiert.

Auch im Iran hat sich Trumps Außenpolitik im Sinne der Madman-Theorie noch nicht ausgezahlt

Und auch im Iran zeigte Trumps Außenpolitik im Sinne der „Madman-Theorie“ bislang nicht den erhofften Erfolg. Obwohl Trump die iranischen Atomanlagen kurz nach dem Angriff auf sie als „vollständig zerstört“ erklärte, wurden inzwischen erhebliche Zweifel an dem von Trump ausgerufenen Erfolg laut: So berichtete etwa CNN bereits kurz nach dem Angriff auf die Anreicherungsanlagen (25. Juni), Irans Atomprogramm sei längst nicht vollständig zerstört. Und der frühere britische Außenminister William Hague mahnte gegenüber der BBC unlängst, dass Trumps Angriff mit B2-Bombern genau das Gegenteil des erhofften Effekts bewirken könnte: „Sie wird die Wahrscheinlichkeit, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen gelangt, erhöhen, nicht verringern“, prognostizierte Hague.

Eine Einschätzung, die auch Michael Desch, Professor für internationale Beziehungen an der Universität Notre Dame, teilt: „Ich denke, es ist jetzt sehr wahrscheinlich, dass der Iran die Entscheidung treffen wird, eine Atomwaffe zu erwerben“, sagt er. „Es würde mich daher nicht überraschen, wenn sie sich bedeckt halten und alles tun, um den gesamten Brennstoffkreislauf zu vervollständigen und einen Atomwaffen-Test durchzuführen. Die Iraner werden also verzweifelt das Bedürfnis nach der ultimativen Abschreckung verspüren“, warnte der US-Politikwissenschaftler weiter. (fh)