Weiß gekleidete Menschen aller Altersgruppen tragen an diesem sommerlich-warmen Abend Stühle und Tische heran, setzen sich in den Schatten der Bäume auf dem Freithof. Aus Bollerwagen und Trolleys zaubern sie allerlei Leckereien auf die mit weißen Tischdecken geschmückten Klapp-Tische. Es ist „Diner en Blanc“ – und das zum zehnten Mal in Neuss.

Max Lennertz kann sich an die ersten Abendessen in Weiß gut erinnern, weil er fast immer dabei war. „Am Anfang waren wir dreißig Leute. Zwischenzeitlich haben 350 Menschen gemeinsam gefeiert, heute sind es mehr als 100.“ Das „geheime“ Dinner, auf das sehr kurzfristig und nur anonym via Facebook hingewiesen wird, ist in Neuss schon ein bisschen Kult geworden, weiß auch Markus Freistühler von der Gewürzmühle Engels: „Das Schöne ist ja, dass sich alle viel Mühe geben beim Aufbau, bei der Essenszubereitung, dass alles schön aussieht.“

Und das tut es: Große Kandelaber mit echten Kerzen, silberne Etageren mit verschiedenen Köstlichkeiten im Glas, Hortensienblüten in kleinen Vasen und viel mehr machen den „Flash Mob“ zu einem echten Hingucker. Die Geheimniskrämerei um Ort und Datum hat einen Grund: Die Veranstaltung ist nicht offiziell bei der Stadt angemeldet und somit auch nicht genehmigt. Da aber die Teilnehmer den Ort immer ordentlich zurücklassen, drücken die Behörden ein Auge zu, weiß Max Lennertz. „Wir verlassen den jeweiligen Ort sauberer, als wir ihn betreten haben. Aller Müll wird später von uns mitgenommen, da bleibt nichts übrig“, sagt er.

Viele der am Samstag Erschienenen sind mittlerweile zu Freunden geworden, betont Markus Freistühler: „Man trifft sich, sitzt gemeinsam an langen Tischen und kommt ins Gespräch. Am späteren Abend wechselt man den Platz und unterhält sich mit den anderen, so lernen sich alle kennen.“

Sogar aus Düsseldorf hat es dieses Jahr eine kleine Gruppe nach Neuss gezogen. Große Champagner-Flaschen stehen auf ihrem Tisch. Die Gruppe war schon „en Blanc“ an der Düsseldorfer Kö, an der Rheinuferpromenade und am Hafen. Nun hat sie als Festmahl Zitronen-Hähnchen mit Rosmarin zum Freithof mitgebracht, einen Nudelsalat mit eingelegtem Mozzarellakäse und als Nachtisch Mousse au Chocolat. „Es macht uns einfach Spaß, uns weiß anzuziehen. Das sieht chic aus. Das ist etwas Besonderes, ein Diner unter freiem Himmel“, sagt einer aus der Gruppe.

Dass die Vorbereitung durchaus einiges an Arbeit macht, weiß Petra Steinheimer, die von Anfang an dabei ist: „Es fängt mindestens eine Woche vorher an. Dann verabreden wir über die Whatsapp-Gruppe, wer was mitbringt.“ Stil sei dabei auch wichtig: Es gibt kein Plastikgeschirr oder -besteck, alles ist wertig aus Porzellan und Metall. Weiße Stoffservietten sind ebenfalls ein Muss, damit wird später gewunken.

„Das Diner en Blanc ist 1981 in Frankreich entstanden“, erklärt Max Lennertz, „es ist seit jeher unpolitisch, nicht kommerziell und nicht religiös. Zu uns kann jeder kommen.“ Auch zwei Frauen aus der Ukraine sind dabei, schon zum zweiten Mal. „Wir haben ukrainische Pawlowa mitgebracht“, erklärt Olga Giebel, „das ist ein Nachtisch.“ Gleich nebenan am Tisch gibt`s Petit fours und Roastbeef, eine weitere Gruppe feiert in einen Geburtstag hinein. Die Stimmung wird ausgelassen – bis alle zum Schluss auch noch Wunderkerzen abbrennen. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr – wenn das Wetter mitmacht.