Köln im Zeichen des Regenbogens: Bei einem der größten europäischen Christopher Street Days (CSD) demonstriert die queere Community lautstark und bunt für ihre Rechte. Trotz regnerischen Wetters herrscht Partylaune. Gleichzeitig gibt es mehr ernste Töne als sonst.
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„Die Stimmung ist dieses Mal eine andere“, sagte der Vorstand des Vereins Cologne Pride, Jens Pielhau, bei der Eröffnung. Die Freiheit und das Selbstverständnis, frei und friedlich zu demonstrieren, seien in Gefahr. Denn die LGBTQ-Community sieht sich verstärkten Anfeindungen ausgesetzt, queerfeindliche Straftaten haben bundesweit zugenommen. In Köln ist die Polizei mit starken Kräften im Einsatz, um den CSD zu schützen.
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Erst vor wenigen Tagen sei es ihr mal wieder passiert, dass jemand eine blöde Bemerkung machte, erzählt Jo, eine von 65.000 aktiven CSD-Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Als sie mit ihrer Freundin im Bus war, kommentiert ein Mann: „Das ist doch nicht normal.“ Auch, dass wildfremde Menschen ihr zuriefen: „Wer ist denn bei Euch der Mann?“ komme häufiger vor.
„Willkommen im Zirkuszelt“ – Anspielung auf Merz
Doch Köln wäre nicht Köln, wenn es bei aller Kritik nicht auch humorvolle Töne gäbe. „Willkommen im Zirkuszelt“, heißt es auf einem Plakat an einer Kneipe im schwulen Ausgehviertel. Und Versammlungsleiter Hans Douma startet den CSD mit den Worten: „Manege frei, der Zirkus kann beginnen.“ Das bezog sich auf eine kürzlich viel diskutierte Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
Ausgangspunkt war, dass die Regenbogenflagge auf dem Reichstagsgebäude in Berlin beim dortigen CSD nicht mehr aufgezogen werden soll. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hatte entschieden, das Symbol der queeren Community aus Neutralitätsgründen nur noch zum Internationalen Tag gegen Homophobie (17. Mai) auf dem Bundestag hissen zu lassen.
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Merz hatte sich hinter Klöckners Kurs gestellt und gesagt: „Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt“, auf das man beliebig Fahnen hisse. Diese Aussage hatte für viel Empörung gesorgt – die auch beim Kölner CSD noch spürbar war.
„Wer Menschenrechten gegenüber neutral sein möchte, hat sie bereits verraten“, meint Pielhau. Er appelliert an die CSD-Besucherinnen und Besucher, den Regenbogen auch in Zukunft als sichtbares Zeichen zu tragen: „Macht den Mund auf, wenn wir angegriffen werden, zeigt Haltung, zeigt Mut, zeigt Herz.“
Regenbogen überall
Die Regenbogenfarben als Symbol der queeren Community sind in Köln allgegenwärtig – fast wie zum Trotz. Man sieht sie auf Kleidung, auf Schirmen und natürlich auf den Fahnen, die entlang vieler Straßen und vor dem Rathaus wehen. Von Köln gehe heute ein starkes Signal aus für Menschenrechte und dafür, dass jeder so leben kann, wie er will, sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos).
Der Kölner CSD ist eine der größten Veranstaltungen der lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen und queeren (englisch: LGBTQ) Gemeinschaft in Europa. Ähnlich groß ist in Deutschland nur der CSD in Berlin.
Auch SPD-Politiker Karl Lauterbach war mit dabei.
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Nach Angaben der Veranstalter nahmen trotz regnerischen Wetters rund 65.000 Menschen am CSD-Umzug mit 90 Festwagen und rund 200 Fußgruppen teil. Die diesjährige Demonstration stand unter dem Motto „Für Queerrechte. Viele. Gemeinsam. Stark“. Wie in den vergangenen Jahren nahmen auch wieder Politiker an dem Kölner CSD teil, so die Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) und der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
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Insgesamt hätten seit Freitagabend rund 1,1 Millionen Menschen das CSD-Programm genossen. Vergangenes Jahr seien es zwar sogar 1,4 Millionen Menschen gewesen, aber da habe es auch keine „Wetterkatastrophe“ wie dieses Mal gegeben. Auf mehreren Bühnen wurde bereits seit Freitag ein 60-stündiges Programm mit Musik, Show und politischen Diskussionen geboten. Auch die Kirchen waren mit queeren Gottesdiensten und „Pride Blessings“ vertreten, bei denen sich Menschen segnen lassen konnten.
Ein Sprecher der Kölner Polizei sagte am Sonntagnachmittag, der CSD sei „absolut friedlich und ruhig verlaufen“. Bis zum späten Nachmittag habe es keine einzige Straftat in Zusammenhang mit dem CSD gegeben. Es seien aber „deutlich weniger“ Teilnehmer als im Jahr zuvor gewesen. (dpa, epd, afp)