23 Prozent weniger Asylbewerber: Die härtere Migrationspolitik der EU zeigt erste Erfolge. Kritiker behaupten, dass sie nationalem oder europäischem Recht widerspreche. Wenn das stimmte, wäre es höchste Zeit, die Gesetze zu ändern – und nicht die Politik.
Vor genau zehn Jahren, im Sommer 2015, genoss die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel glänzende Zustimmungswerte von 80 Prozent, ihre Union lag in Umfragen bei 41 Prozent und die AfD bei vier Prozent. Zur gleichen Zeit erreichten die ersten Flüchtlingstrecks aus Syrien Europa, und Merkel entschied sich, die Grenzen nicht zu schließen. Bei „Anne Will“ erklärte die Kanzlerin den Bürgern, dass solche Migrationsströme gar nicht zu verhindern seien: „Es liegt nicht in der Macht irgendeines Menschen in Deutschland zu bestimmen, wie viele Menschen hierherkommen.“
So nahm das Drama seinen Lauf. Angesichts der Überforderung durch zu viele Migranten kippte selbst in liberalen Ländern mit einer ausgeprägten Willkommenskultur die Stimmung. Rechte Parteien erstarkten, die Mitgliedsländer der EU zerstritten sich über die Verteilung der Asylbewerber, was einer der Gründe war, warum eine Mehrheit der Briten für den Brexit stimmte.
Es dauerte eine Weile, bis sich überall die Erkenntnis durchsetzte, dass die illegale Migration mit allen Mitteln reduziert werden muss. Deshalb steuerte die EU in den vergangenen zwei Jahren um. Die jüngsten Zahlen markieren einen historischen Wendepunkt: Im ersten Halbjahr dieses Jahres sank die Zahl der Asylbewerber um 23 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024. Und erstmals seit Jahren ist Deutschland bei der Zahl der Schutzanträge nicht mehr Spitzenreiter, sondern steht jetzt an dritter Stelle.
Verständlich, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) diesen Erfolg für sich und die neue Regierung reklamiert. Aber sein verschärftes Grenzregime ist nicht der Grund für den starken Rückgang der Zahlen in Europa und Deutschland. Es sind vor allem die Abkommen, die die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen mit Ländern wie Marokko, Tunesien und Ägypten geschlossen hat und die bessere Zusammenarbeit zwischen der EU-Grenzschutzbehörde und Drittstaaten, vor allem auf dem Westbalkan.
Kritiker behaupten, dass die härtere europäische Migrationspolitik mittlerweile vielfach nationalem oder europäischem Recht widerspreche. Wenn das stimmte, wäre es höchste Zeit, die entsprechenden Gesetze zu ändern – und nicht die Politik.