Die Xbox-Sparte von Microsoft befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch. Zahlreiche Kündigungen, Studioschließungen und gecancelte Spiele bei Microsoft haben kürzlich für großes Unverständnis unter den Fans gesorgt und unterstreichen diesen Wandel. Interne Analysen und Berichte, unter anderem von Destin Legarie auf seinem YouTube-Kanal (ehemals Director of Video Content Strategy bei IGN) sowie Diskussionen im PlayStation-Podcast „Sacred Symbols“ mit Colin Moriarty und Rhys Elliot von Alinea Analytics, zeichnen ein klares Bild dieser Transformation.
Unrealistische Anforderungen
Anhaltender finanzieller Druck lastet auf der Xbox-Sparte. Berichte, auch von Destin Legarie aufgegriffen, zitieren Microsofts CFO Amy Hood, die „unrealistische finanzielle Anforderungen“ an die Xbox-Division gestellt haben soll. Das könnte die Sparte negativ beeinflussen. Quellen deuten auf eine noch nicht abgeschlossene Situation hin, weitere Entwicklungen stehen bevor.
Interne Spannungen
Der anonyme Leaker „Sneakersso“ veröffentlichte auf NeoGAF detaillierte Informationen zur internen Lage bei Xbox. Seine Glaubwürdigkeit untermauern frühere, zutreffende Vorhersagen, etwa die Portierung von Xbox-Spielen auf andere Plattformen und die These vom „Ende der Konsolenkriege“ im Jahr 2023. Laut „Sneakersso“ sind die Verhältnisse innerhalb der Xbox-Division angespannt.
KI-Einsatz und drohende Entlassungen
Ein Notfallplan sieht den Einsatz von KI-Tools wie Copilot und ChatGPT vor, um Personalverluste zu kompensieren. Das Management wird in der Nutzung von Large Language Models (LLMs) für Asset-Erstellung und Workflow-Optimierung geschult. Ziel ist es, Projekte bei geringerem Budget mit gleichbleibenden Qualitätsstandards abzuschließen. Zudem werden zusätzliche Entlassungen innerhalb der Xbox Game Studios erwartet.
Profitabilität nur dank ABK-Akquisition
Die Profitabilität von Xbox wurde Berichten zufolge außerhalb spezifischer Quartale im späten Xbox 360-Lebenszyklus nur durch die Integration der Einnahmen von Activision Blizzard King (ABK) erreicht. Ohne diese Akquisition hätte sich Xbox möglicherweise zu einer primären Software-Marke namens „Microsoft Gaming“ mit reduzierter Hardware-Präsenz entwickelt. Ein vielversprechender, intern hochgelobter Multiplayer-Titel, an dem „Sneakersso“ angeblich arbeitete, wurde zudem überraschend gestrichen – eine Behauptung, die später von Jason Schreier bestätigt wurde.
Game Pass-Strategie im Wandel und wachsende Kritik
Das Abonnentenwachstum des Xbox Game Pass stagniert laut Analysen, selbst nach der Integration von Call of Duty. Xbox hat den Day-One-Zugang zu neuen Spielen auf die höchste Abonnementstufe verlagert. Rhys Elliot und Colin Moriarty halten die aktuelle Game Pass-Strategie in ihrer Form für nicht nachhaltig. Spieler hätten nicht die Zeit, alle Day-One-Titel zu spielen. Das könnte Premium-Einnahmen auf der Xbox-Plattform kannibalisieren und Spieler dazu bewegen, weniger Spiele auf Xbox zu kaufen. Zuletzt lagen die gemeldeten Game Pass-Zahlen bei 34 Millionen, ein LinkedIn-Post eines Microsoft-Mitarbeiters deutete auf 35 Millionen hin – ein klares Zeichen für Stagnation. Die Einführung des Game Pass wird auch als Reaktion auf den geringen Erfolg der Xbox One-Generation gesehen.
Game Pass-Kritik
Die Diskussion um das Game Pass-Modell, besonders die Day-One-Veröffentlichung von Neuerscheinungen, spitzt sich nach den jüngsten Kürzungen und Umstrukturierungen bei Microsofts Gaming-Sparte zu. Raphaël Colantonio, Gründer und ehemaliger Präsident der Arkane Studios, kritisierte den Game Pass öffentlich. Er bezeichnete ihn als „nicht nachhaltiges Modell“, das der Branche „seit einem Jahrzehnt zunehmend schadet“. Colantonio argumentiert, Microsoft subventioniere das Modell mit „unendlichem Geld“, doch die „Realität muss irgendwann eingreifen“. Er glaubt, der Game Pass könne nicht mit anderen Vertriebsmodellen koexistieren; er werde diese entweder verdrängen oder selbst scheitern. Zudem zweifelt Colantonio an der Behauptung, der Game Pass beeinflusse Premium-Spieleverkäufe nicht. Er sieht den Dienst als „langfristiges Spiel, das einen Tsunami auf das gesamte Ökosystem der Branche auslöst“. Auch wenn das aktuelle Angebot attraktiv wirke, würden Spieler die langfristigen Auswirkungen auf die Spiele selbst erkennen und dies ablehnen.
Vom Konsolenhersteller zum Publisher
Die aktuelle Entwicklung deutet darauf hin, dass sich Xbox von ihrer traditionellen Rolle als primärer Konsolenhersteller entfernt. Rhys Elliot von Alinea Analytics unterstreicht, dass Xbox in den letzten 18 Monaten im Bereich der Gaming-Inhalte an Bedeutung gewonnen hat. Das Unternehmen entwickelt sich zunehmend zu einem Drittanbieter-Publisher, der für Hardware mit OEMs zusammenarbeitet. Colin Moriarty interpretiert diese Strategie als Versuch, Kunden bewusst auf eine veränderte Spielplattform einzustimmen.
Erfolge auf konkurrierenden Plattformen und zukünftige Veröffentlichungen
Die Veröffentlichung von Xbox-Titeln auf konkurrierenden Plattformen zeigt vielversprechende Ergebnisse:
- Forza Horizon 5 verkaufte sich auf der PS5 schätzungsweise 2,8 Millionen Mal und generierte über 120 Millionen US-Dollar Umsatz. Damit ist es der meistverkaufte Xbox-Port auf PlayStation.
- Sea of Thieves erreichte auf PlayStation 2 Millionen Verkäufe, was selbst Rhys Elliot überraschte.
- Grounded verkaufte sich auf PlayStation über eine halbe Million Mal – eine hohe Zahl für ein Survival-Spiel, die auf die Neugier der PlayStation-Fans zurückzuführen ist.
Es wird erwartet, dass Forza Motorsport ebenfalls auf PlayStation erscheint; Rhys Elliot prognostiziert hier eine 50%ige Spielerüberschneidung. Ein Halo-Spiel könnte der nächste große Xbox-Port auf PlayStation sein, möglicherweise sogar als Day-One-Release. Gears Reloaded ist bereits als Day-One-Titel für PlayStation bestätigt.
Strategische Offenheit und die AMD-Partnerschaft für die nächste Generation
Die nächste Xbox-Konsole könnte Gerüchten zufolge Steam nativ ausführen – ein klares Signal für eine breitere Zugänglichkeit von Xbox-Spielen. Die jüngsten Fortschritte im Xbox-Dashboard auf dem PC deuten darauf hin, dass Microsoft diesen Weg aktiv vorbereitet.
Risiken externer Plattformen
Diese strategische Öffnung ist jedoch nicht ohne Risiko. Laut Moriarty könnte die Verlagerung von Xbox-Spielen auf Steam dazu führen, dass Xbox sich selbst kannibalisiert. Microsoft erzielt dann zwar Einnahmen über Steam, hat aber auf dieser Plattform keine volle Kontrolle. Auch wird betont, dass ein Großteil der Einnahmen von Xbox aus Lizenzen von Spielen Dritter auf der Xbox-Plattform stammt. Gäbe es keine eigene primäre Xbox-Plattform mehr, würden diese Einnahmen vollständig entfallen und sich auf externe Plattformen wie Steam oder PlayStation verteilen.
Spielerfreundlichkeit als Argument
Diese strategische Offenheit wird jedoch auch als spielerfreundlich betrachtet, da sie den Spielern Flexibilität bietet. Xbox kann dadurch Kunden nicht verlieren, indem es ihnen eine Lösung anbietet, die ihre Inhalte bewahrt, selbst wenn sie die Konsolenhardware verlassen. Die veränderte Markenwahrnehmung führt dazu, dass Xbox-Fans zunehmend mit den Communitys von EA oder Take-Two verglichen werden, was die neue Rolle als Drittanbieter-Publisher eindrucksvoll unterstreicht.
AMD-Partnerschaft für den nächsten Hardware-Sprung
Ein zentraler Pfeiler dieser zukünftigen Ausrichtung ist die langjährige strategische Partnerschaft von Microsoft mit AMD für die Entwicklung der nächsten Generation von Xbox-Hardware. Diese Zusammenarbeit umfasst nicht nur klassische Konsolen für das Wohnzimmer, sondern ein breites Portfolio an Geräten, einschließlich Handhelds. Microsoft strebt mit der nächsten Generation den „größten technischen Sprung in einer Hardware-Generation jemals“ an. AMD soll dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen, indem Chips entwickelt werden, die fortschrittliche Grafiken, immersive Gameplay-Erfahrungen und KI-gestützte Funktionen ermöglichen. Zusätzlich wurde zugesichert, dass die bestehende Xbox-Spielebibliothek vollständig mit der zukünftigen Hardware kompatibel sein wird.
Wirtschaftliche Faktoren und Management-Entscheidungen
Als Drei-Billionen-Dollar-Unternehmen strebt Microsoft an, finanzielle Verluste strikt zu vermeiden. Jüngste Entlassungen, wie jene bei King (Candy Crush Saga), bei denen 10 % der Belegschaft betroffen waren, werden als direkte Konsequenz aus Fehlentscheidungen und der notwendigen Anpassung an neue Marktgegebenheiten interpretiert. Das zweistellige Wachstum in der Gaming-Branche ist demnach passé; hohe Inflationsraten und verteuerte Kredite prägen das aktuelle wirtschaftliche Umfeld. Rhys Elliot bemerkt treffend, dass viele Manager in der Branche weder Spiele spielen noch Gamer wirklich verstehen, was oft zu suboptimalen Entscheidungen führt.
Xbox steht am Scheideweg. Fehlentscheidungen im Management, interner finanzieller Druck, eine Game Pass-Strategie am Limit, der klare Schritt zum Drittanbieter-Publisher und eine künftige, offenere Hardware-Politik – all das treibt Microsoft in eine fundamentale Neuausrichtung, die viele langjährigen Xbox-Fans vor den Kopf stoßen dürfte.
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