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Schimmel an den Wänden, Kälte, kein Warmwasser: Eine Berlinerin erlebte eine Wohnungshölle. Die Spur führt zu einer sanktionierten russischen Senatorin.

Berlin – Ein Albtraum für jede Mieterin: Monatelang ohne Heizung und warmes Wasser leben zu müssen, während sich Schimmel an den Wänden ausbreitet. Genau das musste eine Bewohnerin der Turmstraße 83 in Berlin durchleben – mit dramatischen Auswirkungen auf die Gesundheit ihres Kindes. Besonders brisant wird der Fall durch einen Umstand: Der Name einer russischen Politikerin scheint offenbar mit dem Fall in Verbindung zu stehen.

Katastrophale Zustände in Berliner Wohnung: „Weder Warmwasser noch Heizung“

Die Mieter*innengewerkschaft Berlin (MGB) hat gegenüber unserer Redaktion die verheerenden Wohnverhältnisse in dem Gebäude bestätigt, die zunächst vom Tagesspiegel aufgedeckt wurden. Die Probleme beschränken sich jedoch nicht auf eine einzelne Wohnung. „Es handelt sich viel mehr um mehrere Wohnungen, in denen es im letzten Winter und bis weit in dieses Jahr weder Warmwasser noch Heizung etc. gab“, heißt es auf Anfrage von IPPEN.MEDIA. „Überall gab es Schimmel an den Wänden, es war kalt“, sagte MGB-Mitgründer Mio Decker dem Tagesspiegel.

russische Flagge und eine verschimmelte WohnungEine verwahrloste Wohnung in Deutschland sorgen für Aufruhr. Die Spuren führen nach Russland. © Funke Foto Services/imago/Russian Look/imago

Im Januar 2025 unterstützte Decker die betroffenen Mieter dabei, sowohl die Hausverwaltung als auch den Bezirk Mitte zu kontaktieren. Dieser Schritt brachte erste Verbesserungen: Nach eingeleiteten Verfahren und einem Besuch mit der Hausverwaltung vor Ort wurden weitere Maßnahmen unternommen. Es floss wieder warmes Wasser, auch der ausgefallene Aufzug wurde repariert. Die Erfolge erwiesen sich jedoch als kurzlebig. So fiel das Warmwasser im April erneut aus, berichtet der Tagesspiegel. Ähnliche Probleme mit der Warmwasserversorgung meldeten zeitgleich auch Mieter aus Frankfurt.

Bei Wohnungsmängel wie Schimmel: Was können Mieterinnen und Mieter tun?

Welche Möglichkeiten haben Betroffene, gegen derartige Missstände vorzugehen? Das deutsche Mietrecht sieht laut dem Deutschen Mieterbund e. V. einige Möglichkeiten und Schutzmechanismen vor, die Mieterinnen und Mieter im Fall von Schäden in oder an der Mietsache absichern. Vermieter tragen grundsätzlich die Verantwortung für die Behebung von Wohnungsmängeln. „Das gilt unabhängig davon, ob er die Entstehung des Mangels auch zu verantworten hat“, sagte der Deutsche Mieterbund auf Anfrage von IPPEN.MEDIA. Nur in Ausnahmefällen entfällt diese Pflicht – etwa wenn Mieter die Schäden bereits beim Einzug kannten oder selbst verursacht haben.

„Liegt also ein Mangel vor – wovon bei Schimmelbefall, einem längerfristigen Heizungsausfall oder einer unterbrochenen Warmwasserversorgung in der Regel auszugehen ist – muss der Vermieter darüber zunächst schnellstmöglich informiert werden (sog. Mängelanzeige). Im Zuge dessen sollte der Mangel benannt und der Vermieter um Beseitigung gebeten werden.“ Wichtig ist dabei, dem Vermieter eine angemessene Frist zu setzen und die Mängelanzeige schriftlich zu dokumentieren. Reagiert der Vermieter nicht fristgerecht, können Mieter die Reparaturen selbst beauftragen und die Kosten anschließend geltend machen.

Zusätzlich steht Mietern das Recht auf eine Mietminderung zu. „Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es sich um einen erheblichen Mangel handelt. Die Höhe der Mietminderung hängt dabei von der Schwere des Mangels und der damit einhergehenden Gebrauchsbeeinträchtigung ab“, sagte die Pressesprecherin des Mieterbundes, Dr. Jutta Hartmann, unserer Redaktion. „Ist die Wohnung aufgrund des Mangels nicht mehr bewohnbar, können auch die Kosten für ein Hotelzimmer verlangt werden.“

Verbindung nach Russland: Sanktionierte Politikerin im Fokus

Die Frage nach der Verantwortung für die katastrophalen Zustände führt zu einer überraschenden Spur. In den Recherchen des Tagesspiegels taucht im Zusammenhang mit den verwahrlosen Wohnung der Name einer russischen Senatorin auf: Lyubov Glebova, Mitglied des russischen Föderationsrates. Die Politikerin befindet sich auf der europäischen Sanktionsliste, da sie nach EU-Angaben den „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand zwischen der Russischen Föderation und der Volksrepublik Donezk sowie zwischen der Russischen Föderation und der Volksrepublik Luhansk“ ratifiziert hat.

Diese Information stammt aus der EU-Verordnung „Durchführungsverordnung 2022/1529 vom 14. September 2022 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen gegen Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen.“

Verwahrloste Wohnung in Berlin – Spuren führen nach Russland

Die Recherchen des Tagesspiegels ergaben, dass Glebovas Ehemann bereits im Mai 2011 als Bevollmächtigter einen Kaufvertrag für das betreffende Objekt in der Turmstraße 83 unterzeichnet hat. Die russische Nachrichtenagentur Interfax veröffentlichte am 15. April 2022 Details über eine Erklärung für 2021, die Mitglieder des Föderationsrates. Eine verlinkte Erklärung ist nicht mehr aufrufbar – Interfax gibt allerdings an, dass Glebova und ihr Mann gemeinsam ein Wohnhaus in Deutschland mit einer Fläche von 541 Quadratmetern sowie ein gleich großes Wohngebäude besitzen. Kein Bericht bestätigt jedoch, dass es sich um die Berliner Immobilie in der Turmstraße 83 handelt.

In den Recherchen taucht zudem eine Firma namens Turmstraße 83 GmbH auf, die 2021 als potenzielle Käuferin in einem Vertrag mit dem russischen Ehepaar erscheint. Die Firma hat auf Anfragen unserer Redaktion per Mail noch keine Rückmeldung gegeben. Der Verkauf wurde jedoch nie abgeschlossen – im Grundbuch stehen weiterhin die russische Senatorin und ihr Ehemann als Eigentümer. Weitere Belege für diese Verbindung existieren nicht, und weder Glebova noch ihr Ehemann haben bisher Stellung zu den Vorwürfen genommen.

Name einer russischen, sanktionierten Politikerin taucht auf – das wären die Folgen

Falls sich bestätigt, dass Glebova als Vermieterin der Immobilie fungiert, könnte sie rechtlich zur Verantwortung gezogen werden. „Auch Politikerinnen können rechtlich für Schäden in der Mietwohnung belangt werden. Zwar genießen Politikerinnen Immunität, sodass strafbare Handlungen nur unter bestimmten Voraussetzungen strafrechtlich verfolgt werden können – die zivilrechtlichen Rechte und Pflichten als Eigentümerin und Vermieterin einer Wohnung bleiben davon aber unberührt“, sagte der Deutsche Mieterbund auf Anfrage von IPPEN.MEDIA.