Nach 7 Jahren Entwicklung stellt Microsoft das neue MMORPG-Projekt des Studios hinter Elder Scrolls Online ein. Für MeinMMO-Redakteur Karsten Scholz spiegelt sich hier ein ganz grundsätzliches Problem des Genres wider.
Es ist mittlerweile etwas mehr als 6 Jahre her, dass ich erstmals über das neue MMORPG-Projekt von Zenimax geschrieben habe. Seinerzeit war es Studio-Chef Matt Firor höchst selbst, der von einem AAA-Spiel mit frischer IP sprach. Zahlreiche Job-Ausschreibungen flankierten damals die ersten Infos.
Seitdem nutzte ich jedes Treffen mit Matt, Rich (Lambert, Game Director für The Elder Scrolls Online) und Kai (Schober, Community Manager bei Bethesda), um zumindest mal nachzuhören: Wie geht’s dem Projekt? Ist eventuell schon klar, wann wir konkrete Details erfahren? Die Antwort war stets ein wissendes Lächeln und ein Schulterzucken.
Wer schreibt hier? Karsten Scholz ist der MMORPG-Experte von MeinMMO. Er befasst sich seit 16 Jahren fast täglich mit dem besten Genre der Welt. Den privaten Erstkontakt gab’s 2005. Seitdem hat er in verschiedenen Online-Rollenspielen mehrere Jahre Spielzeit angehäuft und fast jeden relevanten Genre-Vertreter der vergangenen knapp zwei Dekaden zumindest eine Weile gespielt.
Doch obwohl immer mehr Jahre ohne offizielle Vorstellung des Spiels ins Land gingen, war ich guter Dinge und extrem gespannt auf das Projekt. Schließlich gibt’s heutzutage kaum noch ambitionierte MMORPGs, die bei großen, erfahrenen, westlichen Teams entstehen.
Zenimax hat mit Elder Scrolls Online nicht nur einen der erfolgreichsten Genre-Vertreter überhaupt veröffentlicht, die Entwickler konnten über die vielen Jahre hinweg auch Erfahrungen mitnehmen, die sich auf kommende Projekte potenziell sehr positiv auswirken dürften. Und dann war da ja auch noch die Übernahme durch Microsoft, ein Tech-Riese, der Geld quasi drucken kann. Das muss doch klappen!
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7 Jahre für den Papierkorb
In der vergangenen Woche wurden dann vor allem die direkt von den Kündigungen bei Microsoft betroffenen Mitarbeiter von der bitteren Realität eingeholt. Das MMORPG mit dem Code-Namen „Blackbird“? Eingestellt. Fast alle, die an dem Spiel zuletzt gearbeitet hatten? Gefeuert.
Zur Einordnung: Um die 300 Kreativen sollen bis zur Einstellung an dem Spiel gearbeitet haben. Die Konzeptionsphase für „Blackbird“ begann bereits 2018. In den vergangenen 7 Jahren dürften viele Millionen Dollar und jede Menge Arbeitszeit, Herzblut, Nerven und Passion in die Entwicklung geflossen sein.
Jetzt liegt die bis dato erfolgte Arbeit im Papierkorb. Aufgrund mangelhafter Qualität und dem fehlenden Glauben, daraus noch ein tolles Spiel zu machen? Wenn man den Insider-Berichten glaubt, ist das nicht der Fall. Obwohl „Blackbird“ noch 3 Jahre von einem Release entfernt gewesen sein soll, hatten viele wohl schon jetzt großen Spaß mit dem Spiel – darunter auch Phil Spencer, der Chef von Team Xbox.
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MMORPGs und ihr großes Problem
Meiner Ansicht nach spiegelt die Einstellung des Zenimax-MMORPGs ein ganz grundsätzliches Problem des meiner Meinung nach „besten Genres der Welt“ wider:
Selbst wenn man kleine Brötchen backt und das Team vergleichsweise klein hält, braucht man viele Jahre und einen hohen Millionen-Betrag für die Umsetzung. Bei einem ambitionierten Genre-Vertreter erreicht man schnell die Dimensionen der namhaftesten und teuersten AAA-Produktionen wie einem GTA oder The Last of Us.
Aufgrund der „Massively Multiplayer Online“-Ausrichtung ist es aber so gut wie unmöglich, einen vergleichbaren Feinschliff wie bei den Singleplayer-Blockbustern von Naughty Dog und Rockstar zu erreichen. Keine Alpha oder Beta kann einen Launch simulieren, bei dem Millionen Interessierte auf die Server stürmen.
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Die Zeit rennt
Wenn „Blackbird“ tatsächlich wie geplant 2028 erschienen wäre, hätte es sich 10 Jahre in der Entwicklung befunden. Das ist ein absurd langer Zeitraum, in dem sich (nicht nur) in der Spiele-Industrie unfassbar viel verändert.
Trends kommen und gehen. Neue Plattformen und Technologien etablieren sich. Mit etwas Pech erscheint ein direkter Konkurrenztitel, der etwas Vergleichbares bieten möchte, noch vor dem eigenen Release.
Oder, und das ist in diesem Fall eben auch passiert: Das Unternehmen hinter dem Spiel wird von einem noch größeren Fisch geschluckt, der plötzlich die Zukunft vorgibt. Und wenn die neuen Verantwortlichen Pläne haben, in denen ein „Blackbird“, das erst in frühestens 3 Jahren erscheinen würde, nicht reinpasst, kommt (leider viel zu schnell und leicht) der Rotstift zum Einsatz.
Allein in der langen Entwicklungszeit steckt also so viel Risiko, dass ich alle Entscheider verstehen kann, die sich in den vergangenen Jahren auf andere, weniger risikoreiche, Aufwands-ärmere und dafür lukrativere Genres konzentriert haben, mehr dazu erfahrt ihr auch hier: Die große Dürre der MMORPGs und die Flucht in lukrativere Genres.
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Gibt es keine andere Lösung? Auch wenn man kleinere Brötchen backen möchte, bleibt das grundsätzliche Problem bestehen: Die Entwicklung dauert vergleichsweise lange, ist teuer und vielen Teams geht frühzeitig das Geld aus. Daran sind seit 2012 beispielsweise reihenweise Kickstarter-MMOs gescheitert.
Und wenn sie doch rauskommen, sind sie dann halt ganz oft nur MMORPGs für eine gewisse Nische aus Sandbox- und/oder PvP-Fans, mit oldschooliger Grafik und vielen Kompromissen. Das kann man mögen, allzu viele tun das aber nicht.
Asiatische MMORPGs haben es auf dem westlichen Markt hingegen mit ihren Eigenheiten schwer. Eigenheiten wie Genderlock, Echtgeld-Auktionshäusern plus Free2Play-Modell, Zufallselementen beim Crafting, Grind-Faktor im Endgame, Mobile-Ausrichtung oder beim Design von Modellen und Völkern.
Immerhin: Kommende Asia-MMORPGs wie Chrono Odyssey, Aion 2 oder ArcheAge Chronicles setzen einen ungewohnt großen Fokus auf den globalen Launch und die westlichen Spieler. Zumindest Chrono Odyssey hatte in der Closed-Beta aber dafür ganz andere Probleme.
Schwierige Zukunft für ein tolles Genre
Es gibt zwar noch einige weitere so spannende wie ambitionierte MMORPG-Projekte von westlichen Studios, doch haben sie fast alle eines gemeinsam: Ein finaler Release ist noch viele Jahre entfernt. Entsprechend viel Positives oder Negatives kann bei diesen Entwicklungen noch passieren.
Wenn wir sehr viel Pech haben, kommen die alle nicht raus. Diese Möglichkeit deprimiert sicherlich nicht nur mich, oder?
Einzig bei Ashes of Creation können Genre-Fans wohl sehr sicher einen finalen Release ins Auge fassen. Den Intrepid Studios geht’s laut den regelmäßigen Studio-Updates gut, das Spiel macht in der Alpha spürbare Fortschritte und kann bereits jetzt von zehntausenden Interessierten getestet werden. Im Mai 2025 konnte man dabei sogar einen starken Meilenstein erreichen und mehr als 8.000 Alpha-Tester zeitgleich auf einem Server begrüßen.