Am vereinbarten Treffpunkt versammeln sich nach und nach die Pfadfinder. Sie quatschen, legen sich ihre Halstücher um und spielen Schere-Stein-Papier, um sich die Wartezeit zu vertreiben. Bevor sie loslaufen, gibt Matouk Anweisungen: „Jeder sucht sich einen Freund, und dann lauft ihr zu zweit in einer Reihe, okay?“, sagt er, erst auf Deutsch, dann auf Arabisch. Gemeinsam laufen sie erst an den großen Plattenbauten in Halle-Neustadt vorbei, dann durch das Grün der Peißnitzinsel. Der erste Müll wird schon eingesammelt, bevor überhaupt die Picknickdecken ausgebreitet werden.
Pfadfindertradition trifft auf moderne Angebote
Zeit in der Natur zu verbringen ist Kern des Pfadfinder-Seins und spielt deshalb auch bei Scout Spirit eine große Rolle. Neben Ausflügen wie heute gibt es aber auch Angebote, die auf den ersten Blick wenig mit Pfadfindern zu tun haben, Computer- und Fotografiekurse zum Beispiel. „Wir sind moderne Pfadfinder“, erklärt Fadi Matouk. „Wenn wir sagen: Lass alles zu Hause, komm zu uns, hier gibt’s kein Handy und keine Technik, finden das sehr viele Kinder sehr langweilig.“ Deshalb versuchen sie einen Kompromiss zu finden zwischen Pfadfindertradition und den Bedürfnissen der Kinder von heute.
Die meisten Scout-Spirit-Mitglieder haben Wurzeln in arabischen Ländern, willkommen ist aber jede und jeder ab sieben Jahren. Etwa 30 Kinder sind dabei, viele kommen schon seit Jahren zu den Aktionen. Mohammad (11) zum Beispiel ist schon seit drei Jahren bei Scout Spirit. „Am meisten gefällt mir, dass wir immer zusammen auf Klassenfahrt gehen“, erklärt er und meint damit das jährliche Sommercamp der Pfadfindergruppe. Ahmad ist ebenfalls seit drei Jahren dabei: „Ich mag, dass ich hier gute Freunde habe und einen guten Chef – sogar einen sehr guten Chef!“, sagt der 12-Jährige und blickt zu Fadi Matouk.
Mehr als nur Ausflüge: Freundschaften und Perspektiven schaffen
Der ist am Ende des Tages zufrieden mit seinen Schützlingen: Einen Nachmittag lang haben sie die Peißnitzinsel von Taschentüchern, Chipstüten und Kronkorken befreit, bis Regen sie zur Heimkehr zwingt. „Wir tragen auch Verantwortung, weil wir alle auf der Erde leben. Das geben wir auch den Kids weiter, dass sie die auch mittragen müssen“, sagt er, während er unter sich verdunkelnden Wolken Picknickdecken und Mülltüten einpackt.
Verantwortung ist ein zentrales Motiv bei Scout Spirit – für die Natur, aber auch für die Gesellschaft: Die Gruppe will den interkulturellen Austausch in Halle fördern, und Kinder so stärken, dass sie selbst einmal Verantwortung übernehmen. „Wir glauben an uns, dass wir viel Kraft haben“, erklärt Matouk, „und wir müssen unsere Kraft für die Gesellschaft umsetzen.“
Mehr über die Pfadfinder aus Halle-Neustadt erfahren Sie in der ARD-Mediathek: „Wurzeln schlagen – Pfadfindergruppe Scout Spirit“ ist eine von vier Reportagen der Reihe „Heimaten – ostdeutsch migrantisch„, die zeigt, wie zugewanderte Menschen in Ostdeutschland leben.