Die rechtsextreme Szene ist landesweit im Aufwind, auch in Berlin. Das machen sowohl die Zahlen von Opferberatungsstellen und Polizei deutlich, als auch eine Fülle an Neonazi-Gewaltdelikten, die sich in den vergangenen Monaten gegen politische Gegner in der Hauptstadt richteten.

Neuer Höhepunkt: ein Angriff mitten in der Rigaer Straße in Friedrichshain, dem bekanntesten Rückzugsort der linksalternativen Szene Berlins.

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Zeugen berichten von mindestens acht vermummten Tätern, die am Vormittag des Himmelfahrttags versuchten in die linke Szenekneipe „Fischladen“ in der Rigaer Straße einzudringen. Sie seien mit Hammern und Schlagstöcken bewaffnet gewesen. Menschen vor Ort konnten offenbar verhindern, dass die Gruppe in die Räumlichkeiten eindrang, wenig später flüchtete die Gruppe mit Fahrrädern in Richtung Mitte. An der Kneipe sei Sachschaden entstanden, die Gruppe habe auch Transparente heruntergerissen, erfuhr der Tagesspiegel von Augenzeugen. Verletzt wurde niemand.

Der Berliner Polizei ist der versuchte Überfall auf Tagesspiegel-Anfrage bisher nicht bekannt. Das liegt allerdings auch daran, dass niemand der Betroffenen in der Kneipe die Polizei informierte und Anzeige stellte. In der linken Szene ist die Skepsis gegenüber den Ordnungshütern traditionell groß.

„Dritter Weg“ postet auf Telegram eine Art Selbstbekenntnis

Am späten Donnerstagabend tauchte im Telegram-Kanal der Neonazi-Partei „Der Dritte Weg – Stützpunkt Berlin/Brandenburg“ schließlich ein Post auf, der darauf schließen lässt, dass junge Rechtsextremisten der Jugendorganisation der Partei, „Nationalrevolutionäre Jugend“ (NRJ) für die Attacke verantwortlich sein könnten.

Auf einem Foto sind mehrere sehr junge Aktivisten auf Fahrrädern zu erkennen, die ihre Gesichter mit Flyern der Partei bedecken. „In der Gemeinschaft waren unsere Nationalrevolutionäre am heutigen Tage wieder sportlich mit dem Fahrrad auf Tour in der Berliner Großstadt“, ist darunter zu lesen. Das Foto entstand in der Nähe des Platzes der Vereinten Nationen in Friedrichshain, wie an den Häusern im Hintergrund zu erkennen ist. Von dort sind es ungefähr zehn Minuten mit dem Fahrrad bis zur Rigaer Straße.

Noch ein weiteres Indiz spricht eindeutig für die Beteiligung der Neonazis der „NRJ“ an dem versuchten Überfall. Die stets gut informierte Rechercheseite „ausdemweg.net“ veröffentlichte ein Artikel zu der Attacke inklusive eines Fotos, dass einen der Angreifer bei der Flucht in der Rigaer Straße zeigen soll.

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Zu sehen ist eine schwarz gekleidete Person mit kurzer Hose auf einem Fahrrad. In der rechten Hand hält der Radfahrer einen Gegenstand, der wie ein Hammer aussieht. Das Foto wurde tatsächlich in der Rigaer Straße aufgenommen, die Details auf der Aufnahme stimmen mit dem Straßenbild vor dem „Fischladen“ überein. Laut der Seite „ausdemweg.net“ soll es sich bei der Person auf dem Fahrrad um Erik S. handeln.

Der junge Neonazi leitet die „NRJ“ in Berlin und Brandenburg und gilt als äußerst gewaltbereit. Auf dem später bei Telegram geposteten Gruppenfoto ist er ebenfalls zu erkennen. Zuletzt war S. nach Tagesspiegel-Informationen im November in eine Schlägerei im Potsdamer Stadtteil Babelsberg verwickelt.