Der Drohnenkrieg zwischen Russland und der Ukraine entwickelt sich technisch rasant weiter. Bei der Verteidigung setzt Kiew nun auf ein äußerst primitives Mittel: Fischernetze.

Wie die „New York Times“ berichtet, sind die Fischernetze über Straßen an der Front, Militärcheckpoints und Artilleriestellungen gespannt. In ihren dichten Maschen verheddern sich die Propeller russischer Drohnen, die den Himmel über der Front füllen und alles angreifen, was sich bewegt (Quelle hier).

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Die Idee stammt ursprünglich aus Russland. Federico Borsari, Experte für technologische Kriegsführung am Center for European Policy Analysis, sagte der „NYT“, Moskau habe Fischernetze bereits Mitte 2023 in begrenztem Umfang eingesetzt, um kleine Angriffsquadrocopter der Ukraine abzuwehren.

Im vergangenen Jahr meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass, dass Moskaus Streitkräfte Fischernetze über Straßen in Teilen der besetzten Nordostukraine installiert hätten. Von der „NYT“ verifiziertes Filmmaterial zeigt auch Netze außerhalb der Stadt Bachmut, die die russischen Streitkräfte 2023 nach einer blutigen Schlacht einnahmen.

Da Russland bei der Entwicklung von Drohnen kürzlich vorgeprescht sei, wende die ukrainische Armee nun eine ähnliche Taktik an, schreibt die „NYT“. Russische Drohnen sind oft zu schnell, um abgeschossen zu werden, und fliegen tief hinter die Front, um logistische Routen anzugreifen. Zudem setzt Moskau zunehmend Drohnen ein, die mit Glasfaserkabeln verbunden sind und nicht auf elektronischen Signalen beruhen. Das macht sie immun gegen Störsignale. Die Netze sind eine der wenigen verbleibenden Möglichkeiten der Ukraine, Drohnen aufzuhalten.

Oberstleutnant Maksym Kravchuk, Leiter der Kommunikationsabteilung der ukrainischen Streitkräfte, sagte gegenüber ukrainischen Medien, die Netze würden nun „entlang der gesamten Frontlinie, von Osten nach Süden“ installiert.

Laut „NYT“ plant Kiew, wichtige Straßen entlang der gesamten Frontlinie mit Netzen zu überziehen und so „Netzkorridore“ zu schaffen, die Fahrzeugen eine sicherere Durchfahrt ermöglichen. Diese Netze hängen an zwischen Masten gespannten Kabeln und bilden durchsichtige Tunnel.

Auch Fahrzeuge würden auf diese Weise geschützt: Viele seien von Käfigen aus Maschendrahtzaun umgeben, die Drohnen einen Meter vom Fahrzeug entfernt explodieren ließen und an Szenen aus der dystopischen Actionfilmreihe „Mad Max“ erinnerten.

Die Netze stellen auch eine neue Art ausländischer Militärhilfe dar: Die Ukraine erhält sie in Form von Spenden aus Ländern mit großen Fischereibranchen, vor allem in Skandinavien.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Nur wenige Stunden nach seiner Entlassung als russischer Verkehrsminister ist in der Region Moskau die Leiche von Roman Starowoit gefunden worden, teilte das zentrale Ermittlungskomitee in Moskau mit. „Die Umstände des Vorfalls werden derzeit ermittelt. Die Hauptversion ist Selbstmord“, sagte die Sprecherin der Ermittlungsbehörde, Swetlana Petrenko. Mehr hier.
  • Die ukrainischen Streitkräfte hatten am Sonntag mit mehreren Drohnen den Flugverkehr in Teilen Russlands kräftig gestört. Nach dem Flughafen Pulkowo bei St. Petersburg wurde auch der Flugverkehr am größten Moskauer Flughafen Scheremetjewo vorübergehend eingestellt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass meldete. Mehr im Newsblog.
  • Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben eine Chemiefabrik in der Oblast Moskau angegriffen und getroffen, die Sprengstoffe, Munition und Sprengköpfe für Angriffsdrohnen vom iranischen Typ Shahed herstellt. „Im Gebiet der Stadt Krasnosawodsk wurde eine Reihe von Explosionen registriert, und in benachbarten Siedlungen waren Feuerwehrwagen unterwegs“, erklärt der ukrainische Generalstab auf Telegram. 
  • Die russische Armee hat eigenen Angaben zufolge die Ortschaft Datschnoje in der zentralukrainischen Region Dnipropetrowsk erobert. „Die Ortschaft Datschnoje in der Region Dnipropetrowsk ist befreit worden“, erklärte die Armee am Montag. Mehr hier.
  • Bei einem russischen Drohnen-Angriff auf Charkiw im Nordosten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben mindestens 43 Menschen verletzt worden. Wohngebäude, ein Kindergarten und die Einberufungsstelle in der nach Kiew zweitgrößten Stadt des Landes seien beschädigt worden, teilten die Behörden und die Militärverwaltung am Montag mit. Mehr im Newsblog.
  • Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hat bei einem Besuch in Prag den Rückhalt Deutschlands für die Ukraine betont. „Wir sind uns einig, dass wir Russlands Aggression niemals hinnehmen werden“, sagte Wadephul am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem tschechischen Amtskollegen Jan Lipavsky.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Donald Trump haben am 4. Juli in einem Telefonat über einen möglichen Wechsel des ukrainischen Botschafters in Washington gesprochen. Das berichtet die US-Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf einen Insider. 
  • Das russische Militär könnte einem Medienbericht zufolge schon bald sein Waffenarsenal erheblich aufstocken. Die Produktion von Schusswaffen in Russland steige in dem Maß, dass die Luftwaffe bald täglich 1000 Raketen und Drohnen auf die Ukraine abfeuern könne, berichtet der britische „Telegraph“.
  • Russische Angreifer und ukrainische Verteidiger haben sich an den Frontabschnitten im Osten der Ukraine erneut schwere Gefechte geliefert. Wie der ukrainische Generalstab am Abend mitteilte, seien im Tagesverlauf insgesamt 149 russische Angriffe gemeldet worden.

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