Zum Start der 31. Jazz Open auf dem Schlossplatz verläuft der Einlass schleppend, Gäste sind genervt – dann aber spüren sie Gänsehaut dank junger Stars vor historischer Kulisse.
Die Jazz Open haben sich in 31 Jahren zu einem der spannendsten Festivals in Europa entwickelt – und beweisen gleich mit dem ersten Konzert am Montagabend auf dem Schlossplatz im Herzen von Stuttgart: Die Musik, die 7000 Gäste bejubeln, ist nicht alt, sie ist quicklebendig – und sehr, sehr jung! Die 27-jährige Raye und der 30-jährige Jacob Collier holen ihre Generation ab. Und begeistern aber auch die Älteren.
Am Beispiel des Songs „Cry Me A River“, der im Original aus den 1950ern stammt und nun von der Britin Raye im Ehrenhof des Neuen Schloss unglaublich intensiv interpretiert wird, sagt Promoter Jürgen Schlensog: „Diesen Song haben schon die Großeltern gehört. Musik ist eine universelle Sprache.“ Seine Begeisterung teilt er am ersten Schlossplatz-Abend in seiner Loge mit Cem Özdemir, dem grünen Kandidaten um das Amt des Ministerpräsidenten, Tamas Detrich, dem Intendanten des Stuttgarter Balletts, und Firmenchef Nikolas Stihl.
Veranstalter wollen nachbessern
Dieser Abend erfordert erst Nerven – und erobert am Ende die Herzen. Volkswagen-Vertriebsleiter Michael Perner berichtet, dass er mit seiner Vip-Karte in der Schlange vor dem Eingang anderthalb Stunden warten musste. Mit ihm seien viele verärgert gewesen. Offensichtlich hätten die Veranstalter die Abendkasse und das Ausgabehäuschen der VIP-Bändel zusammengelegt.
Auf der Bühne entschuldigt sich Moderatorin Stefanie Anhalt fürs lange Warten. Promoter Schlensog verspricht Verbesserungen bereits für Dienstag, wenn Kraftwerk spielt. „Aber Sicherheit geht vor“, sagt er. Überall müssen die Kontrollen strenger werden. Wird nun ein weiterer Eingang geöffnet, um die Schlangen zu entzerren?
Die Stimmung ist vor dem Doppelkonzert der jungen Stars im traumhaften Ambiente angespannt und schwankt zwischen Enttäuschung und Gereiztheit, auch das Wetter schwankt zwischen Regen und Sonne. Doch dann kommt die Musik – und mit ihr die Erlösung. Der Frust ist nun völlig vergessen.
Gregory Porter übernachtet mit seiner Frau im idyllischen Waldhotel
Der 30-jährige Grammy-Preisträger Jacob Collier erinnert daran, dass er zuletzt vor acht Jahren bei den Jazz Open spielte, damals von Musiklegende Quincy Jones ausgewählt. Anschließend wurde im Restaurant La Commedia im Hospitalviertel gefeiert. Bei den Jazz Open geht es schon immer sehr familiär zu. So auch in diesem Jahr, da etwa Jazzstar Gregory Porter gleich mehrere Tage in Stuttgart bleibt, nicht nur für seinen Auftritt. Übernachtet hat er mit seiner Frau im idyllischen Waldhotel in Degerloch beim Fernsehturm.
Gregory Porter mit seiner Frau im Waldhotel Degerloch Foto: privat
Der im vergangenen November im Alter von 91 Jahren in Los Angeles verstorbene Quincy Jones hatte übrigens nicht nur Michael Jackson und Frank Sinatra produziert und deren Sound geschaffen, sondern auch Jacob Collier entdeckt. Noch immer ist der weltberühmte US-Produzent allgegenwärtig bei den Jazz Open, „Shut up and listen“, sein Zitat, steht in dicken Lettern auf der VIP-Etage der Festivaltribüne. Die Logengäste sollen nicht reden, sondern lauschen. Hört auf den großen Quincy Jones!
In der Pause zwischen Jacob Collier und Raye gibt es viel zu bereden. Randi Bubat, die Witwe der 2020 verstorbenen Jazz-Legende Wolfgang Dauner, ist voll im Glück, „weil gleich zum Auftakt auf dem Schlossplatz junge, frische Künstler auftreten und zeigen, dass es weitergeht“. Sie findet es toll, dass die Jazz Open damit ein Statement setzen: Das Festival ist angekommen im Hier und Jetzt, hat noch sehr viel vor, will die Brücke zur nächsten Generation schaffen.
Welche Stadtpromis waren noch da?
In Stuttgart beflügeln sich das Alte und das Neue gegenseitig, weil es ohne Vergangenheit keine Zukunft gibt. Erstmals ist der Wolfgang-Dauner-Award, ein neuer Jazzpreis, an einen jungen Jazzpianisten Shai Maestro verliehen worden. Außerdem gesehen am Montagabend auf der Vip-Etage: der frühere Renitenz-Intendant Sebastian Weingarten, Unternehmer Uli Endress mit seiner Frau Karin Endress, Energie-Unternehmer Rainer Scharr, der frühere Südwestbank-Chef Wolfgang Kuhn, Designerin Barbara Benz, Tobias Weinmann vom Verband der Familienunternehmer, Gastronom Christian List, Kiwanis-Präsident Zoltan Bagaméry und Sparda-Bank-Chef Martin Buch, der happy ist, Sponsor eines „so großartigen Festivals“ zu sein.
Shut up and listen! Wie wahr, Mister Quincy Jones! Am Ende erleben alle Generationen bei Jacob Collier und Raye Glücksgefühle auf dem Schlossplatz. Die Jazz-Open-Wonnen sind zurück am schönsten Ort der Stadt und werden sehr intensiv gespürt.