Deutschland ist zurück auf der internationalen Bühne. Friedrich Merz (CDU) hat in den ersten Wochen seiner Kanzlerschaft in Sachen Außenpolitik einen geradezu fulminanten Start hingelegt. Nach dem Zauderer Olaf Scholz (SPD) präsentiert sich nun bei den Treffen der Staats- und Regierungschef der Macher Merz.
In Europa ist das Aufatmen groß. Zuletzt hat die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas das mit Abstand mächtigste Land in der Union dazu aufgefordert, in diesen Zeiten der multiplen Krisen mehr Verantwortung zu übernehmen. Friedrich Merz lässt sich in diesem Fall nicht zweimal bitten und betont, dass Deutschland unter ihm selbstverständlich die längst überfällige wirtschaftliche, politische und militärische Führungsrolle einnehmen werde.
Knut Krohn berichtet seit Ende 2021 aus Brüssel über die Europäische Union und die Nato. Zuvor arbeitete er als Korrespondent in Paris, Warschau, Rom und Moskau. Er sagt: Im Moment ist Merz vor allem ein Kanzler der folgenlosen Ankündigungen.
Der neue Bundeskanzler muss allerdings aufpassen, dass er nach diesem kometenhaften Start nicht an der harten Realität zerschellt. Denn im Moment ist Merz vor allem ein Kanzler der folgenlosen Ankündigungen.
Putin hat dem Kanzler eine Lehrstunde erteilt und der Welt gezeigt, dass Merz in Sachen Ukraine im Ernstfall nicht mutig führt, sondern ebenso zaudert wie sein Vorgänger.
Knut Krohn
Dass markige Auftritte allein nicht genügen, ist ihm als Novize in Sachen Ukrainekrieg schnell klargemacht worden. Kurz nach seiner Wahl war der deutsche Kanzler medienwirksam nach Kiew gereist, wo er den Aggressor Russland ultimativ zu einem Waffenstillstand aufgefordert hat.
Moskaus Antwort war ein Gewitter aus Raketen und Drohnen. Die von Merz angedrohten massiven Sanktionen sind ausgeblieben. Wladimir Putin hat mit der ihm eigenen Brutalität eine Lehrstunde erteilt und der Welt gezeigt, dass Friedrich Merz in Sachen Ukraine im Ernstfall nicht mutig führt, sondern ebenso zaudert wie sein Vorgänger.
In der Außenpolitik nimmt Trump Deutschland nicht ernst
Auch Donald Trump scheint die Rolle Deutschlands als selbsternannte EU-Führungsmacht nicht zur Kenntnis zu nehmen. Friedrich Merz, der nach mehreren Treffen seinen guten Draht zum US-Präsidenten rühmte, wurde dieser Tage trocken darüber informiert, dass Trump die Wünsche des von Moskau bedrohten Europas herzlich egal sind. Er werde nicht nur bereits versprochene US-Militärhilfe für Kiew einstellen, sondern auch wichtige Sanktionen gegen Russland aufheben.
Merz läuft Gefahr, mit seiner Art von markigen, aber weitgehend folgenlosen Auftritten seine Glaubwürdigkeit zu verspielen. Die ist aber unerlässliche Grundlage dafür, dass Deutschland als Führungsnation in Europa akzeptiert wird.
Ob der Kanzler die von ihm angestrebte Rolle tatsächlich ausfüllen kann, wird sich am schnellsten bei der Verteidigung zeigen. Zwar stehen für den Ausbau der Bundeswehr Milliardensummen zur Verfügung, vor deren sinnvollen Einsatz stehen aber hohe Hürden.
Zuhören und nur dann widersprechen, wenn es nicht anders möglich ist: Diese Strategie hat sich bei Regierungschefs im Umgang mit US-Präsident Donald Trump herumgesprochen.
© dpa/Michael Kappeler
So muss der fragmentierte und bürokratisch schwerfällige Verteidigungs- und Sicherheitsapparat im Eiltempo reformiert werden. Begleitet werden muss das durch eine gesellschaftliche Diskussion über die Wiederbewaffnung. Die Skepsis dagegen ist vor allem bei der jungen Generation enorm.
Die Uhr tickt: Bis 2029 könnte Moskau einen großen Krieg beginnen
Das Zeitfenster für den Aufbau einer glaubwürdigen Abschreckung ist winzig klein. Militärexperten warnen davor, dass Russland bis 2029 zu einem weiteren großen Krieg bereit sein könnte. Gelingt es Deutschland, seine strategischen Ambitionen in reale Fähigkeiten umzusetzen, werden andere Nationen folgen. Führung gelingt am besten über die Vorbildfunktion.
Deutschland steht bei all seinem Tun natürlich unter besonderer Beobachtung – und Merz legte unter diesen Gesichtspunkten einen wahrhaft miserablen Start an den Tag. Unmittelbar nach seiner Wahl ließ er ohne Absprache die Grenzen zu den Nachbarländern verstärkt kontrollieren. Der Erfolg war eher symbolisch, aber seine Anhänger jubelten, sagte der neue Kanzler in ihren Augen damit doch der irregulären Migration offen den Kampf an.
Mit dieser Aktion bestätigte Merz aber alle alten Vorurteile über ein übermächtiges Deutschland, das bereit ist, seinen großen Einfluss rücksichtslos einzusetzen. Die Empörung im Ausland war immens und Merz musste erkennen, dass Alleingänge keine Führung sind, sondern genau das Gegenteil bewirken.
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Bei den folgenden Treffen mit seinen EU-Kollegen musste der Kanzler deshalb mit viel Geschickt die Wogen wieder glätten – und es zeigte sich, dass Bundeskanzler bisweilen eben auch nur ein Lehrberuf ist.