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Am Sonntag beginnt in Brasilien der BRICS-Gipfel. Wladimir Putin ist mehr denn je auf das Prestige des Bündnisses angewiesen – verliert aber an Einfluss.
Der BRICS-Gipfel in Rio de Janeiro wäre der perfekte Moment für Russlands-Präsident Wladimir Putin sich international in Szene zu setzen. Aber: Für die russische Propaganda sind die Möglichkeiten zur Selbstdarstellung in diesem Jahr deutlich eingeschränkt.
2024 konnte Putin als Gastgeber noch die Themen setzen und neben einigen der wichtigsten Staats- und Regierungschefs des globalen Südens auf Fotos glänzen. In diesem Jahr reist er nicht persönlich nach Brasilien, aus Furcht vor einer Vollstreckung des Haftbefehls des internationalen Strafgerichtshofs wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine gegen ihn. Und auch Chinas Regierungschef Xi Jinping hat abgesagt.
„Wir haben es also mit einer Art Rumpf-Gipfel zu tun“, sagt Politikwissenschaftler Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Das ist natürlich eine Einschränkung. Die Dramatik in der Außenwirkung des Gipfels ist damit für Russland etwas reduziert“, betont der Experte des Lateinamerika-Instituts der Freien Universität Berlin
„Rumpf“-Gipfel in Brasilien: „Ohne BRICS wäre Russland international stark isoliert“
Auch wenn der russische Außenminister Sergej Lawrow Russland vertreten und Putin auf ein Foto mit den Regierungschefs verzichten muss, bleibt das Ziel klar: „Ohne das BRICS-Bündnis wäre Russland international mittlerweile stark isoliert. Hier kann es sich aber als Teil eines Forums präsentieren, dass einen großen Teil der Weltbevölkerung repräsentiert und damit die eigene Bedeutung steigern“, sagt Sebastian Hoppe vom Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS).
Wladimir Putin im Oktober 2024 beim BRICS-Gipfel in Russland. © IMAGO/Alexey Filippov
Der Einfluss Russlands auf gemeinsame Entscheidungen ist ebenfalls gesunken, weil das Land durch den Haftbefehl und die internationalen Sanktionen auch im Bündnis isoliert ist, sind sich die Experten einig. „Ich würde davon ausgehen, dass Russlands Einfluss innerhalb der BRICS-Mitglieder abgenommen hat“, sagt Maihold. „Den anderen vier Gründungsstaaten ist deutlich geworden, dass von Russland keine Impulse kommen in Hinblick auf die Neuordnung der internationalen Beziehungen. Die revisionistische Position Russlands stellt nationale Prioritäten in den Vordergrund und ist dem Bündnis daher wenig dienlich.“
Der Ukraine-Krieg dürfte beim Gipfel aus Respekt vor Russland weitgehend ausgeklammert und maximal mit diplomatischen Floskeln abgehandelt werden. „Eine klare Unterstützung des russischen Aggressionskrieges ist das aber nicht“, sagt Hoppe. Die Beziehungen innerhalb der BRICS-Staaten bleiben kompliziert, die Interessen heterogen. Denn auch mit China verbindet Russland nicht nur Freundschaft.
Wenig BRICS-Gemeinsamkeiten: Brasiliens und Indiens Schwerpunkt sind für Russland „geradezu absurd“
Inhaltlich werden gravierende Unterschiede deutlich. Brasilien setzt bei seinen Gipfel-Themen stark auf inklusives und nachhaltiges Wachstum und moderne Technologie wie KI. „In Ländern wie Brasilien und Indien gibt es eine jahrhundertelange Tradition von Entwicklungsstaatlichkeit mit dem Ziel, Menschen aus der Armut holen zu wollen“, sagt Hoppe.
Die BRICS-Staaten
Das Akronym steht für die Staaten Brasilien, Russland, Indien und China, die sich 2006 zu BRIC zusammenschlossen, 2010 kam Südafrika hinzu (BRICS). Seither sind weitere Länder wie Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate beigetreten, weshalb die Allianz nun oft als BRICS+ bezeichnet wird. Die Vereinigung des sogenannten Globalen Südens repräsentiert mittlerweile rund 45 Prozent der Weltbevölkerung.
„Für Russland ist das geradezu absurd, weil es gegen jegliche Inklusion im eigenen Land vorgeht und das Interesse auf Geopolitik und Militärmacht liegt – notfalls auf Kosten der eigenen Bevölkerung“, erklärt der Experte für politische Ökonomie: „Insofern zeigt auch der aktuelle Gipfel die Unterschiedlichkeit der Mitgliedsstaaten. Ich erwarte dementsprechend keine großen inhaltlichen Durchbrüche.“
BRICS wird laut Experten wohl kein „Bollwerk gegen den Westen“
Das schwächt auch die Außenwirkung des Gipfels. „Das von Putin gewünschte Bollwerk gegen den Westen wird BRICS damit perspektivisch nicht werden“, glaubt Hoppe. „Es wird gerne argumentiert, hier bilde sich politisch der globale Süden zu einem Block gegen den Westen. Das ist ökonomisch nicht haltbar. Die BRICS-Staaten sind kein eigener Block, sondern ein zusätzliches Netzwerk, das die Weltwirtschaft ergänzt und sich dort integriert“, so der Experte.
„Dass ihre Teilnehmer darüber nachdenken, ihre Handelsbeziehungen zu vereinfachen, bedeutet nicht, dass Länder wie Indien, Brasilien, China und Südafrika die Beziehungen zu den westlichen Ländern abbrechen – eher im Gegenteil. Das Handelsvolumen zwischen der EU und China, zwischen Brasilien und der EU nimmt weiter zu“, sagt Hoppe. „Ich sehe hier starke ökonomische Verflechtungen, die Separierung und Blockbildung widersprechen.“
Maihold pflichtet bei: „Gerade Staaten wie Brasilien, Südafrika und Indien haben kein Interesse daran, in eine Systemkonfrontation hineingezogen zu werden und sich zwischen USA und Russland entscheiden zu müssen.“
Nächster BRICS-Fehlschlag für Putin? Zu viele Hürden für gemeinsame Währung
Das gilt wohl auch für die Suche nach einer gemeinsamen Währung als Alternative zum Dollar. „Der Handel der BRICS-Staaten ist primär ein bilateraler Handel mit China, weil es das eindeutig größte und international aktivste Handelsimperium ist“, sagt Maihold. Darum sei Russlands Forderung nach einer eigenen BRICS-Währung der Versuch Russlands, sich für Unabhängigkeit vom Dollar zu positionieren. China habe aber mehr Gewicht und ein größeres Interesse daran, die eigene Währung zu stärken, sind sich die Experten einig. „Das heißt nicht, dass die Zentralbanken nicht auf niedrigem Niveau im Handel kooperieren werden, aber für eine gemeinsame BRICS-Währung gibt es zu viele widersprechende Interessen und Hürden“, sagt Hoppe.
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Entscheidend werden bei dem Gipfel Maihold zufolge eher die drei Staaten Brasilien, Indien und Südafrika. „Sie haben die einmalige Chance, in Abwesenheit von Russland und China ein paar Pflöcke einzuschlagen und eigene Schwerpunkte zu setzen, um sich als aufstrebende Nationen unabhängig vom Einfluss Chinas oder Russlands zu präsentieren“, sagt Maihold.