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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.
Der Ruf nach effektiver Suizidprävention und besserer psychischer Gesundheitsversorgung wächst. Innovative Therapieansätze werden wichtiger, während Experten betonen, dass ein vertrauensvolles, patientenzentriertes Verhältnis entscheidend für echte Hilfe und Prävention ist.
Es gibt verschiedene Plattformen, die einen Überblick über Therapieangebote ermöglichen sollen, zum Beispiel therapie.de oder den MUT-Atlas. Bei Letzterem handelt es sich um eine Karte, mit deren Hilfe Angebote aus ganz Deutschland zu finden sind. Dort kann unter anderem nach Psychotherapieangeboten gesucht werden, aber auch Selbsthilfegruppen sind auf der Karte zu finden. Diejenigen, die Hilfe bei der Suche benötigen, können sich an MUT-Scouts wenden. Ebenso versprechen Anbieter wie Selfapy, Mindoc oder Instahelp schnelle psychologische Unterstützung.
Wir haben mit den Gründern von „It’s Complicated“, Jakob Lukensky und Johanne Konnerup Schwensen über ihr Angebot gesprochen. Die beiden haben mit ihrer Plattform den Sprung von einer kleinen Berliner Praxis hin zu einem digitalen Ökosystem für Therapie geschafft. Im Gespräch ging es auch um Themen wie Künstliche Intelligenz, Plattformethik und die Zukunft der Psychotherapie in einer zunehmend technologiegeprägten Welt.
Schwensen und Lusensky wollen Menschen mit „It’s complicated“ einen niedrigschwelligen Zugang für psychologische Hilfe bieten.
(Bild: Mittelweg 50 Berlin GmbH)
Was war die Motivation hinter It’s Complicated?
Lusensky: Johanne und ich haben uns vor fast 15 Jahren in Berlin kennengelernt. Wir sind beide Therapeuten – ich bin Psychoanalytiker und sie klinische Psychologin. Unsere Freundschaft und die gemeinsamen Frustrationen über die Beschränkungen unseres Berufs haben uns dazu veranlasst, eine gemeinsame Praxis zu eröffnen – ein kleines Netzwerk für internationale Therapeuten. Die Nachfrage explodierte – sowohl von der Klientenseite als auch von Therapeuten – und uns wurde schnell klar, dass es eine skalierbare Plattform geben muss, die den richtigen Therapeuten vermittelt. So wurde 2019 It’s Complicated ins Leben gerufen.
Was unterscheidet eure Plattform von anderen Angeboten im mentalen Gesundheitsbereich?
Schwensen: Zunächst einmal sind wir selbst Therapeuten. Wir haben diese Plattform mit einem tiefen Verständnis für die therapeutische Beziehung entwickelt. Unsere Plattform zielt nicht darauf ab, Menschen schnell zu vermitteln, sondern darauf, die richtige therapeutische Allianz zu fördern – das ist der Schlüssel zum Therapieerfolg. Wir haben zudem eine Gemeinschaft aufgebaut, die weit über einen reinen Marktplatz hinausgeht. Wir bieten Tools für Therapeuten, fördern den Peer-Support und haben ein Community-Fundraising-Modell, bei dem 10 Prozent der Plattform den Therapeuten gehören.
Wie wird die Therapie über die Plattform bezahlt? Sind Versicherungen eingebunden?
Lusensky: Derzeit bewegen wir uns im privaten Therapiebereich. Einige Klienten mit privater Versicherung bekommen Leistungen erstattet, aber eine Integration in das deutsche öffentliche Gesundheitssystem ist bisher nicht erfolgt. Das könnte in Zukunft kommen, aber vorerst konzentrieren wir uns darauf, den Zugang über private Kanäle zu erweitern – vor allem in den großen Städten Europas.
Welche Klientel sprecht ihr an? Gibt es eine spezifische demografische Gruppe, die ihr vermehrt seht?
Schwensen: Wir arbeiten mit einem breiten Spektrum. Viele jüngere Menschen – oft Studierende – nutzen die Therapie, die von ihren Eltern bezahlt wird, da es in der öffentlichen Versorgung lange Wartezeiten gibt. Außerdem betreuen wir eine signifikante Zahl an Internationalen und Expats. Manche Klienten wählen die private Therapie, weil sie spezifische Ansätze suchen, die von Versicherungen nicht abgedeckt werden, oder weil sie vermeiden möchten, dass eine Diagnose im öffentlichen System vermerkt wird.
Wie gewährleistet ihr den Datenschutz und die Datensicherheit?
Das nehmen wir sehr ernst. Therapie ist zutiefst persönlich, und wir sind der Meinung, dass der Therapieraum heilig bleiben muss. Unsere Plattform ist DSGVO-konform, verschlüsselt und wir arbeiten mit DataGuard im Bereich Cybersecurity zusammen. Wir verkaufen keine Daten. Punkt.
Wie hat sich die Pandemie auf eure Plattform ausgewirkt?
Die Pandemie war ein Wendepunkt. Ursprünglich waren wir eher ein Verzeichnis. Aber während der Pandemie mussten wir eine echte technische Infrastruktur aufbauen – für Videoanrufe, Notizen, Messaging und Rechnungsstellung. Das brachte uns dazu, uns zu einem voll funktionsfähigen SaaS-Marktplatz zu entwickeln. Kleinere Funktionen – wie die Möglichkeit, das eigene Video während einer Sitzung auszublenden – machten einen enormen Unterschied für Therapeuten und Klienten.
Was steht als Nächstes für It’s Complicated an?
Lusensky: Wir sind organisch auf über 2.500 Therapeuten angewachsen, ganz ohne Werbung. Jetzt, wo wir profitabel sind, konzentrieren wir uns darauf, europaweit zu expandieren. Deutschland bleibt dabei ein Schlüsselmarkt, aber wir bauen unser Angebot auch in anderen großen Städten auf. Jedes Land hat seine eigenen Regularien, weshalb der Roll-out schrittweise erfolgt. Zudem verbessern wir kontinuierlich unsere Technik und nehmen immer mehr Therapeuten auf, die unterschiedliche Sprachen sprechen und vielfältige Therapieansätze anbieten.
Wo passt KI in eure Vision?
Schwensen: KI ist ein riesiges Thema für uns und unsere Gemeinschaft. Wir sind nicht dagegen – im Gegenteil, wir evaluieren, wie KI die Therapie unterstützen kann, ohne sie zu ersetzen. Man denke an Funktionen wie automatisiertes Notizschreiben, Zusammenfassungen von Sitzungen oder die Unterstützung von Therapeuten beim Erstellen individueller therapeutischer Übungen. Gleichzeitig sind wir sehr vorsichtig, was Datenschutz und Ethik angeht. Wir organisieren regelmäßig Community-Town-Halls, um die Bedenken und Bedürfnisse der Therapeuten zu verstehen, bevor wir KI-Funktionen einführen.
Sind Sie schon einmal auf Menschen gestoßen, die ChatGPT als Therapeuten nutzen?
Ja, sowohl Klienten als auch Therapeuten experimentieren mit KI. Einige Klienten nutzen ChatGPT zwischen den Sitzungen zur Reflexion, während andere sich ganz auf ihn verlassen. Das wirft ethische Fragen auf. Deshalb ist Aufklärung wichtig – Menschen müssen die rechtlichen und psychologischen Implikationen verstehen. Wir beobachten auch, dass Therapeuten KI-Tools unbewusst zur Verarbeitung von Klientendaten einsetzen, was riskant sein kann, wenn es nicht richtig gehandhabt wird.
Wie stehen Sie zu KI-generierten Avataren verstorbener geliebter Menschen?
Das ist ein kontroverses Feld. In einer Folge der TED Radio Hour mit der MIT-Forscherin Sherry Turkle wird argumentiert, dass Intimität ohne Anstrengung bedeutungslos bleibt, da sie nicht auf echter gemeinsam gelebter Anstrengung, Entwicklung oder Bewältigung basiert. Es fehlt die Erfahrung, sich mit den eigenen Gefühlen oder der Trauer oder der Beziehung auseinanderzusetzen. Dem sind wir uns einig. Trauer, Beziehungen, Therapie – all das sind Prozesse, die Unbehagen und Mühe erfordern. Wenn KI diesen Weg abkürzt, könnte dies den Heilungsprozess behindern.
Plant ihr, mit großen US-Plattformen zu konkurrieren?
Lusensky: Wir sind uns der großen Anbieter bewusst – man könnte sie als das „McDonald’s der Therapie“ bezeichnen. Sie bieten günstige Therapien an, bezahlen Therapeuten oft schlecht und vernachlässigen den Datenschutz. Wir verfolgen einen anderen Ansatz: therapeutenorientiert, ohne Datenverkauf und mit ethischem Wachstum. Wir sind zwar klein, wollen aber etwas Nachhaltiges und wirklich Hilfreiches aufbauen.
Was halten Sie von der Idee von einem Register für psychisch Kranke? Seit Anfang des Jahres gibt es dazu immer wieder Diskussionen.
Ich halte die Idee eines Registers für psychisch Kranke für zutiefst problematisch. Es birgt die Gefahr, schädliche Stereotypen zu verstärken, Persönlichkeitsrechte zu verletzen und das Vertrauen in das Gesundheitssystem zu untergraben. Die Geschichte hat uns gezeigt, wie gefährlich solche Maßnahmen sein können. Menschen mit psychischen Erkrankungen verdienen Fürsorge und Unterstützung – nicht Überwachung. Anstatt auf angstbasierte Maßnahmen zu setzen, sollten wir in Prävention, Aufklärung und einen besseren, zugänglicheren Support investieren – Ansätze, die sowohl den Einzelnen als auch die Gesellschaft schützen.
Das Interview wurde auf Englisch geführt.
(mack)
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