Der Sozialreport der Stadt Leipzig wird vom Stadtrat für gewöhnlich nur zur Kenntnis genommen. Er enthält eine Menge Zahlen, die zeigen, wo Leipzig echte soziale Probleme hat. Der Report für 2024 kam am 26. Juni sehr spät in die Ratsversammlung. Grund dafür waren auch die vielen Wahlen 2024 und Anfang 2025. Und wenn es um wirklich aktuelle Daten geht, hängt er sowieso um ein ganzes Jahr hinterher. Was dann am 23. Juni Linke-Stadtrat Volker Külow zu seinem Thema machte.

Denn der „Sozialreport 2024“ zeigt zwar auf, wie viele Menschen unter Armut, Arbeitslosigkeit und drohender Wohnungslosigkeit leiden. Aber er arbeitet gerade bei den statistisch ausgewerteten Einkommen allein mit den Befragungsdaten der Bürgerumfrage. Aber wie das mit Durchschnitten so ist: Sie zeigen nicht konkret, welche Bevölkerungsgruppe tatsächlich genau von sozialen Fehlentwicklungen betroffen ist. Und manchmal kaschieren sie auch ein wachsendes Problem, wie es auch Leipzig gerade beim Thema Altersarmut bekommt.

Altersarmut, die vor allem jene Menschen trifft, die in ihrem Arbeitsleben so wenig verdient haben, dass sie bei den aktuellen Rentensätzen zwangsläufig so schlecht gestellt sind, dass sie Grundsicherung im Alter beantragen müssen. Und das eben nicht nur, weil eine Bundesregierung nach der Anderen nicht den Mumm hat, wirkliche Mindestrenten für alle festzulegen, sondern auch, weil das Problem dieser abgehängten Rentner einfach ausgeblendet wird. Nicht gesehen, weil man es nicht sehen will.

Weil man sich hinter statistischen Durchschnittszahlen versteckt. Das trifft auch in Leipzig zu und eben auch auf die Darstellung von Einkommen in Leipzig im „Sozialreport“, wie Volker Külow am 26. Juni kritisierte. Leipzig habe zwar mittlerweile eine dreistellige Zahl von Einkommensmillionären, die in den Zahlen der Bürgerumfrage freilich nicht auftauchen. Andererseits gibt es nur sehr oberflächliche Zahlen zur Einkommensarmut, auch wenn der „Sozialreport“ für 2023 eine Armutsgefährdungsquote von 17,7 Prozent ausweist.

Kinder in Armut und bedürftige Rentner

Aber seitdem ist die Inflation heftig angezogen. Und ein Blick in zwei ganz bestimmte Segmente zeigt, dass Armut sehr spezifisch ist und die allgemeine Quote eigentlich gar nichts aussagt.

Kinder unter 15 Jahren in Bedarfsgemeinschaften. Grafik: Stadt Leipzig, Sozialreport 2024Kinder unter 15 Jahren in Bedarfsgemeinschaften. Grafik: Stadt Leipzig, Sozialreport 2024

So liegt allein die Zahl der Kinder, die in Haushalten leben, in denen Bürgergeld die Lebensgrundlage ist, bei 12.991 (2023) bzw. 15,1 Prozent. Die Zahl stagniert nun seit drei Jahren. Möglich, dass hier auch schon die Stagnation am Arbeitsmarkt zu Buche schlägt. Aber Külow hat natürlich recht, wenn er anmerkt, dass das besonders Alleinziehende betrifft, und damit vor allem Frauen mit Kindern, die ohne Hilfe des Amtes nicht über die Runden kommen.

Und am anderen Ende der Altersskala beginnt gerade das Drama so richtig, wie Külow feststellte. Die Zahl der Leipzigerinnen und Leipziger, die Grundsicherung im Alter beantragen müssen, ist seit 2019, als es gerade rund 3.000 waren, inzwischen auf 4.270 gestiegen. Und 2024 wahrscheinlich noch viel höher.

Denn jetzt treffen die geringen Altersrenten für Normal- und Schlechtverdiener auf rasant steigende Preise für die Lebenserhaltung, für Energie und Wohnung. Was auch viele Rentnerinnen und Rentner, die bislang den Weg zum Amt scheuten, zwingen wird, die Grundsicherung im Alter zu beantragen.

Eine richtige Einkommensanalyse bitte

Logisch, dass Külow hier deutlich konkretere Zahlen zur Altersarmut in Leipzig fehlen. Es gibt zwar im „Sozialreport“ auch eine Auswertung der Einkommensentwicklung der bestverdienenden 20 Prozent und der 20 Prozent mit den geringsten Einkommen.

Der Report erklärt zwar: „Die einkommensschwächsten 20 % der Bevölkerung haben durchschnittlich 1.178 Euro und damit 67 Euro oder 6 % mehr Einkommen erzielt als 2022, während sich das durchschnittliche Einkommen der einkommensstärksten 20 % der Bevölkerung um 78 Euro oder 3 % auf 2.658 Euro erhöht hat. Tendenziell sind die Einkommen beider Gruppen in den letzten Jahren angestiegen.“

Leipziger/-innen in der Grundsicherung. Grafik: Stadt Leipzig, Sozialreport 2024Leipziger/-innen in der Grundsicherung. Grafik: Stadt Leipzig, Sozialreport 2024

Aber das sind nur Medianzahlen, die nicht wirklich zeigen, wie viele Menschen tatsächlich unter die offizielle Leipziger Armutsquote fallen.

Weshalb sich Külow von den Statistiker/-innen der Stadt in künftigen „Sozialreports“ eine echte Einkommensverteilungsanalyse wünscht. Es soll wohl aus der Verwaltung auch schon zustimmende Stimmen geben. Aber dass sie auch gemacht wird, muss wohl erst die Verwaltungsspitze anweisen.

Eine Auswertung, die vielleicht sogar dringend notwendig wird, wenn es um die Steuerung der Sozialpolitik in Leipzig geht. Denn die im Februar neu gewählte Bundesregierung hat nicht wirklich vor, die sozialen Schieflagen im Land zu beseitigen.

Im Gegenteil: Gerade Bürgergeldbezieher sind zur Zielscheibe einer neuen politischen Kaltherzigkeit geworden, die glaubt, gerade an ihnen sparen und ein Exempel statuieren zu können. Oder mit Külows Worten: Es ist ein „politischer Walkürenritt“, der am Ende auch die Sozialetats der Kommunen noch viel stärker belasten kann, als das jetzt schon der Fall ist.

Der Stadtrat musste den „Sozialreport 2024“ nur zur Kenntnis nehmen. Aber wie Külow andeutete, ist es gar nicht so verkehrt, wenn ihn auch die anderen Stadträtinnen und Stadträte lesen und auch verstehen, was hinter den mit Fleiß zusammengetragenen Zahlen steckt.