AUDIO: „Mittsommer“ in der Malerei: Traurige Finnen, fröhliche Dänen? (5 Min)
Stand: 08.07.2025 16:09 Uhr
Es ist die Zeit der „Weißen Nächte“ im Norden Europas, der Mittsommerfeiern und des langen Zusammenbleibens. Das Museum Kunst der Westküste in Alkersum auf Föhr nimmt sie zum Anlass für seine neueste Ausstellung: „Mittsommer“.
Mittsommer im Norden, das ist etwas ganz Besonderes: „Mittsommer spielt in den nordeuropäischen Ländern eine ganz große Rolle. Es ist ein identitätsstiftendes und nationalromantisches Element“, sagt Direktorin Ulrike-Wolff-Thomsen. Das Thema ist auch prägend in der Malerei gewesen und die Auswahl im Museum Kunst der Westküste kann man als getrost als Sensation bezeichnen. Da sind Frühwerke Edward Munchs zu sehen. Noch nicht von der symbolistischen Melancholie geprägt, die ihn später weltberühmt machen sollte, sondern eher naturalistisch getupfte Skizzen. Dazu ein dramatischer Sonnenuntergang des bisher nur Experten bekannten finnischen Landschaftsmalers Victor Westerholm.
Skandinavier im Paris des Fin de siècle
Anna Ancher: „Sommerabend“ – Sammlung Familie Fielmann.
Möglich ist das nur, weil das Museum Kunst der Westküste erstmals die private Kunstsammlung der Familie Fielmann für sich nutzen konnte, die neben Malern aus Dänemark, Norwegen und Deutschland auch solche aus Schweden und Finnland enthält. Ihr Schwerpunkt liegt in der Zeit um 1900. Viele der berühmten skandinavischen Maler haben ihre Ausbildung erst an Kunstschulen in Norwegen und Finnland oder den Kunstakademien in Stockholm und Kopenhagen gemacht, gingen dann nach Paris, dem Zentrum der Kunst um 1900 schlechthin. Hier arbeiteten sie eng zusammen. Gerade der Finne Albert Edelfelt war berühmt dafür, die Skandinavier und Finnen zusammenzubinden. In der Ausstellung ist er vertreten mit einem für diesen Naturalisten eher untypischen, hochgefühligen symbolistischen Bild eines Jungen, der von einer Seejungfer ins Wasser gelockt wird.
Traurige Finnen, fröhliche Dänen: Ein Klischee?
Akseli Gallen-Kallela: „Sonnenuntergang über dem Ruovesi-See“ – 1915-16, Collection Broere Charitable Foundation.
Die Bilder sind romantisch geprägt, doch es gibt auch Unterschiede: „Die Natur in Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland ist ganz unter unterschiedlich“, sagt Berndt Arell, der früher Generaldirektor des Stockholmer Nationalmuseums war und seit einigen Jahren die Sammlung Fielmann leitet. „Die Finnen sind ganz dunkel und traurig, die Dänen sind voll von Sonne und Licht.“ Das sind geläufige Klischees. Wer in dieser Ausstellung das sehr düstere Mittsommerbild des Schweden Prinz Eugen mit der heiteren Aussicht auf den Ruovesi-See des Finnen Akseli-Gallen Kallela vergleicht, könnte meinen: Es sind falsche Klischees. Andererseits sind da die melancholischen Werke von Helene Schjerfbeck oder P. S. Kroyers und Anna Anchers, die die Lichtsehnsucht in dänischen Bildern bestätigen.
Malerei als Medium im Unabhängigkeitskampf
Christian Skredsvig: „Der See Jupsjøen“ – 1901, Sammlung Familie Fielmann.
Vor allem aber wird nach und nach bewusst: Gerade für Norweger und Finnen war diese Kunst auch hochpolitisch. Die beiden Länder – seit den Zeiten Napoleons eng verbunden mit den mächtigen Nachbarn Schweden und Russland – rangen 1900 um ihre Unabhängigkeit. „Die Malerei war wichtig für die nationale Identität“, sagt der finnische Botschafter Kai Sauer. „Es gab keine Sozialen Medien oder andere Wege und Methoden, die Massen zu erreichen. Diese Nische haben die Künstler erfüllt: Die meisten haben in Frankreich oder Deutschland gearbeitet – an Weltausstellungen teilgenommen und dadurch die finnische Idee gefördert.“
Das Museum Kunst der Westküste präsentiert mit „Mittsommer“ eine großartige Ausstellung, die Lust auf mehr Norden und mehr Mittsommer in der Kunst macht und zugleich hoch aktuell ist. Denn in all diesen Werken geht es nicht nur um Natur, sondern um die Behauptung der Freiheiten der jeweiligen Länder, die sich durch die gemalte Nähe zur Natur zeigte.
In „Kunst in Sicht“ widmet sich der ostfriesische Blödelbarde der ernsten Malerei – natürlich mit einem Augenzwinkern und seinen Ottifanten.
Buchautor und Kunsthistoriker Florian Illies hat die Bilder des dänischen Landschaftsmalers Janus la Cour kuratiert.
„Mittsommer“ in der Malerei: Traurige Finnen, fröhliche Dänen?
Das Museum Kunst der Westküste in Alkersum auf Föhr widmet sich in seiner neuen Ausstellung den Mittsommerfeiern in Skandinavien.
- Datum:
- 06.07.2025, 11:00 Uhr
- Ende:
- 11.01.2026
- Ort:
-
Museum Kunst der Westküste
Hauptstraße 1
25938
Alkersum/Föhr