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Seit einigen Wochen ereignen sich Explosionen an Tankschiffen. Sie alle eint eine entscheidende Sache. Sie legten vorher an russischen Häfen an.

Ust-Luga – Der Konflikt um die Öl-Sanktionen scheint ein neues Level erreicht zu haben. Lange Jahre hatten sich der Westen und Russland ein Katz-und-Maus-Rennen darum geliefert, wer schneller Sanktionen umgehen oder sie erlassen kann. Bislang unbekannte Akteure haben diesen Konflikt nun aufgeheizt: Es sieht immer mehr danach aus, als greife jemand Tankschiffe an, nachdem sie in Russland Waren geladen hatten.

Unerklärte Explosionen – Ukraine sieht Verbindung zur russischen Schattenflotte

Erneut ist ein Tankschiff explodiert, das in Verbindung mit russischen Häfen steht. Diesmal ereignete sich der Vorfall jedoch nicht im Mittelmeer, sondern direkt am wichtigen russischen Hafen Ust-Luga nahe St. Petersburg. Laut dem Nachrichtenportal Newsweek betrifft der neueste Vorfall das Tankschiff Eco Wizard, das unter der Flagge der Marschallinseln fährt. Dieses sei im Hafen explodiert und habe durch ein Leck Ammoniak verloren. Das russische Transportministerium untersucht den Vorfall.

Das havarierte Tankschiff Eventin, das der russischen Schattenflotte zugerechnet wird.Das havarierte Tankschiff Eventin, das der russischen Schattenflotte zugerechnet wird und vor Rügen havarierte (Symbolfoto). Seit einigen Wochen ereignen sich Explosionen an Tankschiffen. Sie alle eint eine entscheidende Sache. Sie legten vorher an russischen Häfen an. © IMAGO / Funke Foto Services

Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Erst in der Woche zuvor war das Tankschiff Vilamoura Opfer einer Explosion geworden, als es nahe der Küste Libyens verkehrte. Angaben aus der Ukraine zufolge soll die Vilamoura Teil der russischen Schattenflotte sein, die der Kreml einsetzt, um bestimmte Öl-Sanktionen zu umgehen. Wiederum davor hatten sich an mehreren anderen Schiffen Explosionen ereignet, die ebenfalls vorher an russischen Häfen angelegt hatten.

Schiffseigentümer sollen bereits damit begonnen haben, ihre Schiffe nach Minen und eventuell versteckten Drohnen abzusuchen. Die Vilamoura soll seit April zweimal an russischen Öl-Terminals gelegen und dort Rohöl geladen haben. Die Gleichung ist simpel: Russland will so viel Geld wie möglich aus dem Verkauf seiner Rohstoffe, allen voran Öl, erzielen, während die Ukraine und ihre Verbündeten größtes Interesse daran haben, diese Einnahmen zu minimieren.

Schattenflotte als Konter für West-Sanktionen – Tankschiff Eco Wizard nicht im Register

Was ist die russische Schattenflotte? Diese ist entstanden, nachdem die G7-Staaten einen Preisdeckel auf russische Öl-Exporte festgelegt hatten. Diese besagen, dass europäische Unternehmen weder russisches Öl über 60 US-Dollar pro Barrel ankaufen noch mit Schiffen, die teureres russisches Öl laden, Handel treiben dürfen. Außerdem dürfen westliche Unternehmen diesen Schiffen keine Dienstleistungen mehr anbieten oder sie durchführen.

Die Schattenflotte greift dabei auf verschiedene Taktiken zurück, um die Wege und die Übergabepunkte der Ware ihrer Schiffe zu verschleiern. Zum Beispiel deaktivieren die Schiffe ihre Ortungssoftware oder lassen sich gänzlich woanders anzeigen, während sie etwa auf See Warentransfers durchführen. Sie fahren häufig unter falscher Flagge, um nicht direkt Russland zugeordnet werden zu können. Teilweise gelingt es diesen Schiffen, normal an europäischen Häfen anzulegen und dort die Ladung zu löschen.

Die bislang beschädigten Schiffe (darunter auch Eco Wizard) sind nicht im Sanktionsregister des US Office of Foreign Assets Control zu finden. Sie fahren jedoch generell unter für Russlands Schattentanker typischen Flaggen. Laut dem Europäischen Parlament gehören neben den Cook-Inseln, Liberia und Panama vor allem die Marschallinseln und Russland selbst zu häufigen Flaggen dieser Tankschiffe.

Risiken durch Putins Schattenflotte – Nato zieht die Reißleine

Allerdings birgt die Schattenflotte von Kreml-Diktator Wladimir Putin auch eine Reihe anderer Risiken. Viele der Schiffe sind in die Jahre gekommen und werden nicht richtig gewartet, was sie anfällig für Schäden macht. Das wiederum könnte, je nach Leck, zu einer Naturkatastrophe führen. Ein Beispiel dafür ist die Eventin, die der Schattenflotte zugerechnet wird und vor Monaten in deutschen Gewässern havarierte.

Darüber hinaus wurden mehrere von Russlands Schattentankern bereits mit mutmaßlichen Sabotageakten gegen Tiefseekabel in der Ostsee in Verbindung gebracht. Spionage können sie ebenfalls durchführen, indem sie zum Beispiel Offshore-Windanlagen ausspähen. Der Nato ist dabei bereits der Geduldsfaden gerissen. Die Ostseemission Baltic Sentry soll für Ruhe sorgen. Das Militärbündnis will sowohl die Präsenz von Kriegsschiffen als auch von Drohnen in der Ostsee verstärken.

Analysten gehen nicht mehr davon aus, dass die Verbindung der beschädigten Tanker zu russischen Häfen ein Zufall ist. Laut Kyiv Independent waren vorher die Schiffe Sea Jewel, Sea Charm und Grace Ferrum Opfer verschiedener Explosionen. Die Mehrzahl davon fand im Mittelmeer statt. Mittel- bis langfristig könnten diese Angriffe dazu beitragen, dass sich Schiffseigentümer von russischen Häfen lieber fernhalten – auch, wenn ihre Schiffe nicht sanktioniert sind.