„Am 27. November 1988 flogen wir, mein Halbbruder Thomas und ich, von Wien nach Málaga. Er wusste von meiner Flugangst, und um mich abzulenken, vertrieb er mir die Zeit mit Geschichten über Flugzeugabstürze“ – so beginnt der Reisebericht von Susanne Kuhn. Sie erinnerte sich im Interview noch an diesen Flug: „Er hat mich so abgelenkt, ich bin gar nicht dazu gekommen, dass ich mich fürchte. Ich habe ihm zugehört und das war eigentlich die perfekte Methode, mich ohne Angst nach Spanien zu bringen.“
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Ein gemeinsamer Schuhkauf hätte beinahe zum Abbruch der Reise geführt, schildert Susanne Kuhn

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Das Buch sei eine „wichtige Arbeit“ für sie gewesen, schilderte die Halbschwester von Thomas Bernhard

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Das Buch „Drei Wochen mit Thomas Bernhard in Torremolinos“ erschien jüngst
Thomas Bernhard sei „immer in den Wintermonaten, Herbst, Winter nach Spanien oder Portugal gefahren, weil er gehofft hat, dass er es vom Klima her besser verkraften kann und dass er es noch einmal übertauchen kann, dass er bis in das Frühjahr reinkommt und dann war er sicher, dann geht es wieder für eine Weile“, schilderte Kuhn. „Und das war eben wieder fällig. Das war nach der ‚Heldenplatz‘-Premiere (am 4. November 1988 – Anm.). Da war er ja dann noch sehr krank und da hat er sich gefreut auf Spanien und das war automatisch die Schwester, die hat Zeit, die fliegt mit.“
Gemeinsamer Schuhkauf als Beinahe-Reiseabbruch
Doch schon nach wenigen Tagen stand die Reise vor dem Abbruch – nach einem gemeinsamen Schuhkauf: „Er hat mich ständig auf- und abgeschickt“, erinnerte sich Kuhn. „Und immer, wenn ich mir gedacht habe, ja, sie passen, habe mich hingesetzt“. Da sei er gekommen: „Du weißt gar nichts, du musst gehen, gehen, gehen und er hat mich wieder losgeschickt.“
Im Buch liest sich dieselbe Szene so: „Immer mehr kam ich mir vor wie in einem Bernhard’schen Theaterstück – Thomas als Regisseur und ich als unfreiwillige Mitspielerin.“
Thomas Bernhards Halbschwester schrieb Buch über letzte Reise
Nur drei Monate vor seinem Tod ist der Schriftsteller Thomas Bernhard ein letztes Mal nach Spanien gereist. Bereits sterbenskrank wurde er von seiner Halbschwester Susanne Kuhn begleitet. Sie hat ihre Erinnerungen an diese „Drei Wochen mit Thomas Bernhard in Torremolinos“ nun in einem Buch verarbeitet.
Erst als Susanne Kuhn damit drohte abzureisen, entspannte sich die Situation: „Da wollte ich wirklich nach Hause fliegen. Er ist so erschrocken, glaube ich, weil er wirklich gemerkt hat, dass ich es ernst meine und es war überhaupt keine Auseinandersetzung mehr. Wir sind uns wirklich nahe gekommen, wir haben miteinander gesungen ‚In the Summertime‘.“
Hinweis
Susanne Kuhn, Nicolas Mahler, Manfred Mittermayer: „Drei Wochen mit Thomas Bernhard in Torremolinos – Eine Reise und ihre Vorgeschichte“ Mattighofen: Korrektur Verlag, 144 Seiten
Buch soll Frauen der Familie eine Stimme geben
Susanne Kuhns Buch erzählt aber nicht nur von der dreiwöchigen Reise mit ihrem berühmten Bruder. In einem Interview mit dem Salzburger Thomas-Bernhard-Experten Manfred Mittermayer gibt sie Einblick in ihre Familiengeschichte: Diese sei von Männern dominiert, vor allem vom Großvater – dem in Henndorf geborenen Heimatdichter Johannes Freumbichler. Das Buch soll auch den Frauen der Familie – insbesondere der Mutter – eine Stimme geben: „Der Großvater hat alle beherrscht und sie haben sich auch beherrschen lassen“, sagte Kuhn. „Wie er das geschafft hat, weiß ich nicht. Das war wirklich dann eine intensive, aber sehr wichtige Arbeit für mich.“