Der Künstler David Hockney 2016 bei der Präsentation des Buches «Sumo – A Bigger Book».
Arne Dedert / Keystone
Der Künstler David Hockney wird morgen 88 und blickt zurück auf sieben Jahrzehnte künstlerisches Schaffen. Das wird ebenfalls gefeiert in seiner bisher grössten Ausstellung.
David Hockney ist ein Künstler, mit dem man sich gern auf einen Tee verabreden würde. Man mag ihn, als Künstler und als Menschen. So stellt man sich ihn zumindest vor. Seine Arbeiten vermitteln Vertrautes, Sehnsüchte, Gefühle, universell Gültiges – ohne dass man Worte dafür finden müsste.
David Hockney feiert morgen seinen 88. Geburtstag, und bis am 31. August 2025 besteht die Gelegenheit, eine seiner bisher grössten Ausstellungen unter dem Titel «David Hockney 25 – Do Remember They Can’t Cancel the Spring» zu besuchen. Die Fondation Louis Vuitton zeigt in Paris in elf Sälen um die 400 Arbeiten. Im Fokus der Ausstellung stehen die vergangenen 25 Jahre, ikonische frühere oder auch unbekanntere Arbeiten ab 1955 werden bei der Ausstellung natürlich nicht ausgeschlossen. David Hockney hat massgeblich an der Szenografie und der Konzeption der Ausstellung mitgewirkt, ebenfalls involviert waren sein Studioleiter und Lebenspartner Jean-Pierre Gonçalves de Lima und sein Assistent Jonathan Wilkinson.
Schaut man die Person David Hockney auf Porträts über die Jahre an, zeigt sich ein heiteres Gemüt, in britisch-unaufgeregte Extravaganz gehüllt. Die Musterungen und Farben seiner Kleider und Accessoires sind verspielt oder unprätentiös. Ein «Golden Boy», wie ihn Andrew Marr in der BBC-Reportage
«David Hockney: The Art of Seeing» nannte, war er – wild, authentisch, engagiert.
Hockney im PorträtVersuche, David Hockney zu «zähmen», schlugen fehl
Geboren wurde Hockney 1937 in Bradford (GB). Er studierte ab Ende der 1950er Jahre am Royal College of Art in London und konnte durchaus schon während seines Studiums als eine der ersten Schlüsselfiguren der britischen Pop-Art gesehen werden. Ihn als Pop-Art-Künstler zu bezeichnen, wäre allerdings zu kurz gedacht – Hockney entwickelte seinen eigenen Stil immer weiter, er fand mitunter Inspiration in den Stilen von Henri Matisse oder Pablo Picasso und auch in neuen Technologien und Verfahren.
Er malte an der Hochschule, was er wollte, was ihm wichtig war – umging stoisch Normen, Traditionen und Restriktionen. «We Two Boys Together Clinging» aus dem Jahr 1961, entstanden noch zu Studienzeiten, ist eine solche Arbeit. Hockney weigerte sich, sich anzupassen, und war einer der ersten Künstler, die Homosexualität im puritanisch-konservativen Grossbritannien der 1960er Jahre in ihren Arbeiten offen thematisierten. Versuche des Royal College of Art, ihn zu «zähmen», schlugen fehl. 1962 erhielt er sein Diplom. Nach seinem Studium arbeitete er als Lehrbeauftragter an Universitäten in Deutschland, Grossbritannien, den USA und Deutschland. Parallel dazu verfolgte er seine künstlerische Praxis.
Wolkenloser Himmel, zwei Palmen, ein Poolhaus
1964 zog Hockney nach Los Angeles – und hier, im Spiel zwischen Sonne und Schatten, enormen Lichtstimmungen und blendender Helligkeit, entstand eine Serie, die sich erstmals in das kulturelle Gedächtnis vieler Menschen graben sollte. Er malte Swimmingpools in Los Angeles – in intensiv leuchtenden Acrylfarben. Alles, was man dereinst und auch noch heute mit Kalifornien in Verbindung bringt, lässt sich in diesem Extrakt aus (ersehntem) Lebensgefühl und Wohlstandsbezeugung ablesen.
Wolkenloser Himmel, zwei Palmen, ein Poolhaus, mit dem manch einer oder eine schon zufrieden wäre, und die Freiheit, in einen Pool zu springen, wenn der Körper nach Erfrischung dürstet: Hockney braucht nur die Andeutung eines Menschen – ihm reicht das explosionsartige Aufbrechen der Wasseroberfläche durch einen Sprung ins Wasser. Trotz anziehender sehnsuchtsgetriebener Kalifornien-Symbolik, man fühlt hinter der perfekten Kulisse auch Leere, den Schein der Oberfläche, die Unerreichbarkeit.
Ikonisch und auch Inspiration für den gleichnamigen Film von Luca Guadagnino aus dem Jahr 2015: David Hockney, «A Bigger Splash», 1967.
© David Hockney /
Tate, UK
Was Hockneys Bilder so einprägsam macht, sind die Bildaufteilungen, die Perspektiven und die Lebendigkeit der Farben, egal, ob es sich dabei um natürliche oder zivile Landschaften, Objekte oder Porträts handelt. Die Farben sind entweder plakativ klischiert (wie die Poolbilder), lebendig überzeichnet (seine Stillleben und Landschaftsbilder) oder subtil provozierend (seine Porträts).
Die Perspektiven und Winkel sind immer auch den Betrachter involvierend. «Komm ins Bild!», scheinen sie zu rufen. Schaut man sich untenstehendes Porträt an, wirkt es, als wäre man auf Besuch bei Christopher Isherwood und Don Bachardy und als sässe man den beiden gegenüber. In Anbetracht der Kriminalisierung und Tabuisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen ein wunderbar subversiver Akt, alle friedlich an einen Tisch zu bringen, um Raum für Austausch zu schaffen. Der britische Dichter Isherwood und der dreissig Jahre jüngere Künstler Bachardy waren ab den 1950er Jahren bis zum Tod von Isherwood im Jahr 1986 ein Paar.
Porträt eines Paares: «David Hockney, Christopher Isherwood and Don Bachardy», 1968. Das Paar, bestehend aus dem britischen Autor Isherwood und dem amerikanischen Künstler Bachardy, war eines der ersten, die in den 1950er Jahren ihre Homosexualität offen in Hollywood auslebten.
© David Hockney / Foto: Fabrice Gibert
Spiel mit den künstlerischen Medien
Ende der 1970er Jahre arbeitete Hockney vermehrt im Medium Fotografie, sehr häufig mit Polaroids. Zum Teil setzte er bis zu hundert Polaroids zu einem Gesamtwerk zusammen. 35-mm-Farbfilme, Kopierer, Faxgeräte erweiterten das Spektrum seiner fotografischen Arbeiten. Diese Phase kommt in der Ausstellung nicht vor. Kopierer oder auch Faxgeräte nutzte er aber auch weiter, als er Mitte der 1970er Jahre wieder zur Malerei zurückkehrte, zum Teil kombinierte er Fotografie und Malerei in seiner künstlerischen Praxis oder nutzte die Fotografien als Skizzen oder Vorlagen für seine malerische Praxis.
Eindrücklich, aber weniger bekannt sind Hockneys Bühnenbilder, in der Fondation Louis Vuitton in Saal 10 zu sehen. Um die zehn Bühnenbilder kreierte er für Opern wie «Frau ohne Schatten» von Richard Strauss, «Tristan und Isolde» von Richard Wagner oder «Turandot» der Puccini-Brüder.
In den vergangenen Jahren – Hockney lebt heute wieder in London, der Normandie und Yorkshire – arbeitete der Künstler vermehrt mit dem iPad. Da er gesundheitlich ein wenig eingeschränkt ist, ist dies ein pragmatischer Entscheid, gleichzeitig aber auch Ausdruck einer Faszination für Technologien. Denn er kann heute, im Rollstuhl sitzend, nicht mehr so spontan mit der Staffelei «en plein air», unter freiem Himmel, zeichnen, wie er es früher tat. Ein iPad ist da einfacher zu handhaben.
Pragmatisch gemalt auf dem iPad, gedruckt auf Papier: David Hockney, «27th March 2020», No. 1.
© David Hockney
Interessant an Hockney ist, dass es ihm nicht um das grosse Ganze geht, dem man sich aus sicherer Distanz nähern kann. In Hockneys Werken geht es um die persönlichen «alltäglichen» Lebenswelten: seine Freunde, seine Mutter und seine Bekannten, die er oft wiederholend porträtiert; die Landschaften, die ihn umgeben, und die Häuser, in denen er oder seine Freunde wohnen. Er macht all dies gross, stilisiert oder lädt die Objekte, beispielsweise Sessel oder Bäume, symbolisch auf und macht damit seine Arbeiten für den Betrachter intuitiv zugänglich, fassbar, ohne das Mystische «totzumalen».
Ob abstrakt, naturalistisch, symbolistisch, kubistisch oder expressionistisch – Hockneys Stil ändert sich immer wieder, doch seine Motive bleiben. Er hängt dem, was ihn umgibt, beinah trotzig an – respektiert und bewundert es, ergründet und legt frei und zeigt: Alles entwickelt sich immer weiter, allem liegt ein Zyklus inne. «David Hockney 25 – Do Remember They Can’t Cancel the Spring» – der Ausstellungstitel erscheint in diesem Kontext wie eine Quintessenz, ein Mantra, das man Hockney gern abnimmt.
David Hockney, «After Blake: Less Is Known than People Think», 2024.
© David Hockney / Bild: Jonathan Wilkinson
Im letzten Raum, in Saal 11, werden die jüngsten Arbeiten Hockneys ausgestellt. Darunter das obige Bild sowie das neuste Selbstporträt des Künstlers. «After Blake: Less Is Known than People Think» liesse sich als Botschaft lesen – oder als Aufforderung? «Es ist weniger bekannt, als die Menschen denken» und «Es ist das Jetzt, das ewig ist». So wie man den Frühling nicht absagen kann, kann man auch nicht in der Vergangenheit oder der Zukunft leben. Im Jetzt kommt alles zusammen: die Stile, das Szenografische, das eigene Selbstbild, die Erkenntnis, der Weg. Hockney agiert immer im Jetzt. Er lebt damit etwas wunderbar Hoffnungsvolles vor, etwas, das sich nach Treue zum Leben anhört. Ganz einfach. Ohne Drama, ohne Zynismus, beobachtend. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, David Hockney!
Ausstellung «David Hockney 25 – Do Remember They Can’t Cancel the Spring»
Die Ausstellung läuft bis zum 31. August in der Fondation Louis Vuitton. Alle Infos zur Fondation Louis Vuitton und zur Ausstellung finden sich hier. (Foto: Ausstellungsansicht Saal 4 mit Porträts und Blumen / Fondation Louis Vuitton, Paris. © David Hockney © Fondation Louis Vuitton / Marc Domage)
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