Der Klimawandel hat die jüngste Hitzewelle in Europa verstärkt. Eine neue Studie zeigt: Die Zahl der Hitzetoten hat sich deswegen verdreifacht.
Von Jan-Claudius Hanika, BR
Ende Juni und Anfang Juli herrschte in großen Teilen Europas extreme Hitze. In mehreren Ländern stiegen die Temperaturen auf über 40 Grad Celsius. Italien schränkte die Arbeitszeiten im Freien ein, in Frankreich wurden mehr als 1.300 Schulen geschlossen. In Griechenland, Spanien und der Türkei sorgte die mit der Hitze einhergehende Trockenheit dafür, dass sich Waldbrände leicht ausbreiten konnten.
Eine Schnellstudie unter Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Imperial College London und der London School of Hygiene & Tropical Medicine kommt nun zu dem Ergebnis: Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat die jüngste Hitzewelle in Europa verstärkt und die Zahl der Todesopfer verdreifacht. Von insgesamt rund 2.300 Hitzetoten in zwölf untersuchten Städten führen sie etwa 1.500 Todesfälle darauf zurück, dass aufgrund des Klimawandels die Temperaturen noch höher waren. Diese Zahl sei deutlich höher als die Zahl der Todesopfer anderer Katastrophen in jüngster Vergangenheit, zum Beispiel bei den Überschwemmungen in Valencia 2024.
Klimawandel machte Hitzewelle ein bis vier Grad heißer
In ihrer Studie konzentrieren sich die Wissenschaftler auf zehn Tage Hitze in zwölf europäischen Städten in der Zeit vom 23. Juni bis zum 2. Juli 2025. Zunächst analysierten Forscher der Initiative World Weather Attribution WWA historische Wetterdaten, um zu bestimmen, wie hoch die Temperaturen ohne Erderwärmung gewesen wären. Der Klimawandel machte die vergangene Hitzewelle um ein bis vier Grad heißer, so ihr Ergebnis. Derartige Hitzewellen seien beim heute herrschenden Klima in den meisten Städten jeden zweiten bis fünften Sommer zu erwarten.
Anschließend bestimmten die Wissenschaftler, wie Hitze und die Zahl der Todesfälle, unabhängig von deren Ursache, in den Städten zusammenhängen. So konnten sie die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in der jüngsten Hitzewelle abschätzen und auch die Zahl derer, die während einer hypothetischen Hitzewelle mit niedrigeren Temperaturen gestorben wären, also in einem Europa ohne Erderwärmung.
Nach den Berechnungen der Wissenschaftler war der Klimawandel für 317 der geschätzten zusätzlichen Hitzetoten in Mailand verantwortlich. In Barcelona waren es schätzungsweise 286, in Paris 235, 171 in London und 164 in Rom. In Frankfurt am Main machten die Wissenschaftler die Erderwärmung für 21 zusätzliche Hitzetote verantwortlich.
Hitzewellen als „lautlose Killer“
Die Studie weist darauf hin, warum Hitzewellen auch „lautlose Killer“ genannt werden: Die meisten Todesfälle wegen Hitze werden nicht gemeldet. Bis zur Veröffentlichung offizieller staatlicher Schätzungen können Monate vergehen. Falls sie überhaupt veröffentlicht werden.
Ben Clarke vom Imperial College London, der Erstautor der Studie, betont: „Hitzewellen hinterlassen keine Spur der Zerstörung wie Waldbrände oder Stürme. Ihre Auswirkungen sind meist unsichtbar, aber lautlos verheerend. Eine Veränderung von nur zwei oder drei Grad Celsius kann für Tausende von Menschen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.“
Bei der jüngsten Hitzewelle forderte der Klimawandel die meisten Opfer unter Menschen im Alter von 65 Jahren und älter. Ihr Anteil lag nach den Berechnungen der Wissenschaftler bei 88 Prozent. Ursache waren meist bereits bestehende Gesundheitsprobleme, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Forscher warnen jedoch, dass Hitze für alle Altersgruppen lebensbedrohlich sein kann.
Wahrscheinlichkeit für frühe Hitzewellen steigt
Die Hitze im Juni kam in vielen Teilen Europas ungewöhnlich früh. Derart hohe Temperaturen werden dort typischerweise erst Ende Juli oder August erwartet. Extremhitze, die früh in der Saison auftritt, ist tendenziell tödlicher, da die Menschen noch nicht an Sommertemperaturen gewöhnt sind. Der Klimawandel beeinflusst zwar alle Hitzewellen, doch die Intensität der Hitzewellen im Juni hat stärker zugenommen als die im Juli. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit für früher eintretende extreme Hitzeereignisse, schreiben die Autoren in ihrer Studie.
Sie halten aber auch fest: In Europa gibt es bereits Fortschritte bei der Entwicklung von Hitzeaktionsplänen. Diese legen fest, welche Maßnahmen vor und während gefährlich hoher Temperaturen ergriffen werden können. Zum Schutz vor gefährlicheren Hitzewellen müsse aber langfristig der sogenannte Wärmeinsel-Effekt der Städte reduziert werden, etwa mit der Erweiterung kühlender Grün- und Wasserflächen. Kurzfristig könnten auch Kühlzentren den am stärksten gefährdeten Personen Erleichterung bei extremer Hitze bieten.