Für seine Kunden sind die Anzüge von Virgile Bourgueil das Maß aller Dinge: In seinem Gentlemen-Laden „The Bespoker“ an der Wildenbruchstraße wird noch wie früher gesprochen, abgesteckt und gemessen – bevor die Kleidung geschneidert wird. Das Faszinierende: Das Geschäft liegt so versteckt, dass man es kennen muss. Und das tun immer mehr. So feiert Bourgueil jetzt das zehnjährige Bestehen.

„Im Jahr 2015 haben wir die Immobilie bezogen“, erinnert sich Bourgueil. Da bei dem Namen sofort was klingelt: Der 55-Jährige ist der älteste Sohn des Starkochs Jean-Claude Bourgueil („Im Schiffchen“). Und so wie sein Vater seinen Weg gemacht hat, hat Virgile Bourgueil sich für einen anderen entschieden – und das Schneiderhandwerk gelernt.

Als er die Geschäftsräume im Herzen Oberkassels übernahm (vorher war dort ein Immobilienbüro drin), nahm er sich Zeit für die Renovierung und verlieh seinem Geschäft eine ganz besondere Note. Und so fühlt man sich, wenn man die Räume betritt, wie in einer anderen Welt. Die ist selbst für das schicke Oberkassel noch mal ein bisschen eleganter.

Vintage-Möbel, fast jedes Stück mit einer eigenen Geschichte. Eine kleine Knopf-Schachtel, alte Koffer, ein Barwagen und eine Jagd-Trophäe an der samtschwarzen Wand. Dazu dann Regale mit feinen Hemden, Taschen, Schuhe – und jede Menge Badehosen. Wer hier hinkommt, kennt sich entweder sehr gut mit Mode aus oder hat eine Empfehlung bekommen. So ist das Motto auch: „Tell only your best Friends“, erzähle es nur deinen besten Freunden.

„Eine Empfehlung ist für uns Kompliment und Ansporn“, so Bourgueil. „Denn wir betreiben unser Geschäft mit Leidenschaft Freude am Detail.“ Mit „wir“ meint er seine Frau und sich: Sie sind Paar und Partner, denn zur „Bespoker“-Welt gehört seit einigen Jahren auch die Damenboutique „Hidden Row“ (eine Anlehnung an die berühmte Schneiderstrasse Savile Row in London). „Nach Corona haben wir das Eckladenlokal gegenüber dazu gemietet und dort das Bekleidungsgeschäft für Damen eröffnet“, erzählt Bourgueil und ergänzt: „Der Begriff Hidden bezieht sich eher auf unsere versteckte Lage, die man bzw. Frau erst finden muss.“ Durch die direkte Nachbarschaft der beiden Läden komme es häufiger zu launigen Szenen: „Hier und da flitzen die Kunden zwischen den Geschäften hin und her, um die Meinung des Partners zu gewissen Stücken zu hören.“

An dieser Ecke in Oberkassel, fern von Laufkundschaft wie beispielsweise an der Luegallee, ist es eben ein bisschen anderes Einkaufen. „Die persönliche Bindung ist uns wichtig, ganz anders als in der Stadt, wo es meist schnell gehen muss“, sagt Bourgueil. Beide Geschäfte haben jeweils drei Mitarbeiter – und ganze eigene Öffnungszeiten. So wird im „Bespoker“ montags und dienstags nur nach Vereinbarung bedient. Dann aber mit Geduld – vor allem bei den Maßanfertigungen.

„Wir nehmen Maß in Form eines sogenannten Try-ons, eine Grundgröße. Und ich sehe, was modifiziert werden muss“, erklärt der gelernte Schneider: „Ist der Kunde Rechtshänder oder Linkshänder. Hat er ein gerades Kreuz, eine Nackenfalte? All diese kleinen Dinge sind wichtig. Dann geht es um Stoff, Futter, Knöpfe, Taschen. Alles, was Sie möchten. Name oder Monogramm – dann wird das Stück geordert.“
Wo die Anzüge geschneidert werden, verrät Virgile Bourgueil nicht („Betriebsgeheimnis“), aber nach vier bis sechs Wochen ist die Maßanfertigung fertig, je nach Stoff. Preislich liegen die Anzüge zwischen 1000 und 1400 Euro. Die Zufriedenheit seiner Kunden gibt ihm recht: „Die Erfolgsquote ist sehr hoch.“

Bourgueil – selbst stets perfekt gekleidet – kann man natürlich nicht verlassen, ohne nach den Trends zu fragen. Antwort: „Die vermeintlich zu kurz getragenen Hosen bei Anzügen verschwinden gerade wieder, es geht zu mehr Beinweite.“ Also ähnlich wie bei den Frauen. Kein Wunder, so Bourgueil: „Die Damen sind in der Regel immer ein Jahr weiter, was die Mode betrifft.“ Ein wahrer Gentleman, der den Frauen sogar modisch den Vortritt lässt.