Bei der extremen Hitzewelle von Ende Juni bis Anfang Juli hat der Klimawandel die Zahl der Todesopfer in europäischen Großstädten einer Studie zufolge etwa verdreifacht. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach einer Analyse der Entwicklung in zwölf Großstädten, darunter Frankfurt, im Zeitraum vom 23. Juni bis 2. Juli. In dieser Zeit kletterten die Temperaturen in vielen Städten auf Extremwerte von teils deutlich über 40 Grad Celsius. An der noch nicht von Fachkollegen begutachteten Kurzanalyse waren Forscherinnen und Forscher aus Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz beteiligt, darunter auch die Attributionsexpertin Friederike Otto.
Das Forschungsteam um Garyfallos Konstantinoudis vom Imperial College in London schätzt die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in den zwölf Großstädten für den Zehn-Tage-Zeitraum auf insgesamt 2300. Etwa zwei Drittel davon, rund 1500, gehen demnach auf das Konto des Klimawandels. Ohne die Erderwärmung wäre eine vergleichbare Hitzewelle demnach um 1 bis 4 Grad kühler gewesen; den Berechnungen der Gruppe zufolge wären in diesen Städten dann nur etwa 800 Menschen an Hitze gestorben.
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Der Juni war in Westeuropa der heißeste bisher gemessene. Die Durchschnittstemperatur lag bei 20,49 Grad, wie der EU-Klimawandeldienst Copernicus mitteilte. „Im Juni 2025 wurde ein Großteil Westeuropas von einer außergewöhnlichen Hitzewelle heimgesucht, wobei ein Großteil der Region unter sehr starker Hitzebelastung litt“, erklärte Samantha Burgess vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW), das den Klimawandeldienst betreibt. „Diese Hitzewelle wurde durch Rekordwerte der Meeresoberflächentemperaturen im westlichen Mittelmeerraum noch verstärkt.“
Der bisherige Juni-Rekord war mit 20,43 Grad im Jahr 2003 erreicht worden. Weltweit war der Monat mit einer durchschnittlichen Oberflächentemperatur von 16,46 Grad der drittwärmste Juni seit Aufzeichnungsbeginn nach dem Juni 2023 und 2024. Die von Copernicus genutzten Daten gehen zurück bis auf das Jahr 1950, teilweise sind auch frühere Daten verfügbar.
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Für die sehr zeitnah vorgenommene Analyse habe sich das Team auf eine anerkannte Methodik gestützt, sagt der renommierte Hamburger Klimatologe Jochem Marotzke, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Dabei verglich die Gruppe die tatsächlich in den Städten gemessenen Temperaturen in dem Zeitraum anhand eines Modells mit Werten, die ohne den Klimawandel erreicht worden wären. Für beide Szenarien errechnete das Team dann die Zahl der erwarteten Hitzetoten.
88 Prozent der geschätzten Todesfälle entfielen auf die Altersgruppe ab 65 Jahren
Unter der jüngsten Hitzewelle litten demnach besonders verletzliche Gruppen wie etwa Menschen mit Vorerkrankungen. 88 Prozent der geschätzten Todesfälle entfielen laut der Schätzung des Teams auf die Altersgruppe ab 65 Jahren. Demnach verursachen Hitzewellen wesentlich mehr Todesfälle als andere Naturkatastrophen. Zum Vergleich: Bei den Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia kamen demnach im vergangenen Jahr 224 Menschen ums Leben, bei den Flutkatastrophen 2021, darunter im Ahrtal, starben im nordwestlichen Europa 243 Menschen.
Die untersuchten zwölf Städte waren in unterschiedlichem Ausmaß von den Folgen der Hitzewelle betroffen: Demnach entfielen knapp 320 der durch den Klimawandel zusätzlich entstandenen Todesfälle auf Mailand, 286 auf Barcelona, 235 auf Paris und 171 auf London. In Frankfurt liegt die Zahl mit 21 zusätzlichen Todesopfern vergleichsweise niedrig.
Gerade weil Opfer von Hitzewellen eher wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, werden sie oft als „lautlose Killer“ bezeichnet. „Hitzewellen hinterlassen keine Schneise der Verwüstung wie Flächenbrände oder Stürme“, erklärt Co-Autor Ben Clarke vom Imperial College London. „Ihre Folgen sind überwiegend unsichtbar, aber im Stillen verheerend. Eine Differenz von nur 2 bis 3 Grad Celsius kann für Tausende Menschen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.“
Die globale Temperatur ist im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits um 1,3 Grad gestiegen
Als Folge des Klimawandels ist die globale Temperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits um 1,3 Grad gestiegen, wobei Europa gerade im Sommer stärker betroffen ist als andere Kontinente. Clarke verweist darauf, dass im Lauf des 21. Jahrhunderts 3 Grad Unterschied erreicht werden könnten, sofern die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle oder Gas nicht ende. Dies würde noch weit heftigere Hitzewellen mit sich bringen.
Das Team betont, sich in der Studie auf Todesfälle konzentriert zu haben. Zusätzlich gebe es weitere Folgen – von Krankenhauseinlieferungen, etwa von Menschen mit Asthma oder Lungenerkrankungen, über Schulschließungen bis hin zu Arbeitsausfällen, Abschaltungen von Atomkraftwerken und einer höheren Zahl an Flächenbränden aufgrund der durch die Hitze ausgedörrten Vegetation.
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„Der einzige Weg zu verhindern, dass Hitzewellen noch tödlicher werden, besteht darin, das Verbrennen fossiler Kraftstoffe zu stoppen“, betont Co-Autorin Otto. Zudem gelte es, erneuerbare Energien auszubauen, Städte hitzeresistenter zu gestalten und die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen zu schützen.Auslöser der jüngsten Hitzewelle war ein Hochdruckgebiet über Westeuropa – ein sogenannter Hitzedom – mit trockener heißer Luft, das sich nach Osten verlagerte und dabei heiße Luft von Nordafrika nach Europa fließen ließ. Hitzewellen im Zusammenhang mit solchen meteorologischen Konstellationen würden mit dem Klimawandel häufiger und ausgeprägter, schreibt die Gruppe.
Europa sei im Sommer der sich am stärksten erwärmende Kontinent, heißt es weiter. Im Sommer 2022 starben dort demnach mehr als 60 000 Menschen an Hitze – die Hälfte davon ging Studien zufolge auf das Konto des Klimawandels. Im Folgejahr gab es demnach 47 000 Hitzetote.
Eine Besonderheit der jüngsten Hitzewelle war das besonders frühe Auftreten schon im Juni. „Extreme Hitze, die früh in der Jahreszeit eintritt, ist tendenziell besonders tödlich, weil die Menschen noch nicht an die Sommertemperaturen gewöhnt sind“, heißt es.
Marotzke spricht von einer „sehr gut gemachten Studie“. Dass eine wissenschaftliche Analyse so schnell auf ein Ereignis folge, sei zwar ungewöhnlich, aber angesichts des Informationsbedürfnisses gut und richtig, sagt der Direktor am Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie. „Gerade in Hinblick auf Temperaturentwicklungen sind unsere Modelle sehr gut“, bei Niederschlägen sei dies weniger der Fall. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass Hitzewellen mit dem Klimawandel häufiger und intensiver werden“, sagt der Klimatologe. Darauf seien deutsche Städte unzureichend vorbereitet: Als Beispiele nennt er viele verglaste und nicht abgeschattete Gebäude, zu wenig begrünte und zu viele versiegelte Flächen.
Hinweis: Wir haben den Link zur Studie ergänzt.