60 000 Quadratmeter neue Fläche, 1300 Bäume, 25 Querungsmöglichkeiten und sieben Kilometer Radweg – der Umbau der B 14 verspricht viel. Der Verkehr lässt aber nicht alles zu.
Die Zahlen sind beeindruckend: Knapp 60 000 Quadratmeter – davon alleine 30 000 versiegelte – Flächen könnten neu gewonnen werden. Knapp 10 000 Quadratmeter für Sport, Spiel und Bewegung genutzt sowie 1300 Bäume gepflanzt werden, 25 zusätzliche Querungsmöglichkeiten und nicht zuletzt ein sieben Kilometer durchgehender Radweg entstehen. Und das im topografisch eingeengten Stuttgarter Talkessel. Kein Wunder ist von vielen Seiten von einem Jahrhundertprojekt die Rede. Der Umbau der B 14, die die Stadt als 4,5 Kilometer lange, breite Schneise zwischen Mineralbäder und Marienplatz durchschneidet, nimmt langsam Fahrt auf. Die Voraussetzung dafür: Wie vom Gemeinderat beschlossen, müsste der Verkehr um 50 Prozent gesenkt werden.
Bereits vor fünf Jahren war ein Planungswettbewerb
Die Idee ist alles andere als neu: Bereits Mitte der 1980er Jahre wurde über eine Umgestaltung der in den 1960er und 1970er Jahren für ein autogerechtes Stuttgart entwickelte „Stadtautobahn“ diskutiert. Erste Ideen gingen aus den Entwürfen der Kooperation von asp Architekten/Koeber Landschaftsarchitekten hervor, die im September 2020 aus dem städtebaulichen Planungswettbewerb „Neuer Stadtraum B 14“ als Sieger hervorgingen. „Konkret haben wir diese nun im vergangenen Jahr in dem Rahmenplan weiterentwickelt“, erklärte Ulrich Hanselmann vom Stadtplanungsamt im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderats. In einem „B-14-Festival“ sollen die Pläne im Herbst dieses Jahres im Stuttgarter Stadtpalais vorgestellt und eine Bürgerbeteiligung gestartet werden. Der Zeitplan sieht vor, dass bis Juli 2027 der Bebauungsplan ausgearbeitet werden soll, bis Ende 2027 könnte dann der mögliche Baubeschluss gefasst werden.
So könnte es unter dem Österreichischen Platz einmal aussehen. Foto: Grafik/asp Architekten Zwei anstatt vier Fahrspuren nur auf einem Teilabschnitt
Konkret ist die Umgestaltung der B 14 dabei in sechs Bauabschnitte, sogenannte Sequenzen, unterteilt. Denn die Aufgabe ist vielfältig. „Das konkrete Leitbild sieht vor, neuen Stadtraum zu schaffen, der klimaangepasst ist und auch die verschiedenen Stadtteile besser miteinander verknüpft“, erklärt asp-Architekt Cem Arat. Zudem soll vor allem „auch die Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern erhöht, aber auch die Belange der geplanten Quartiersentwicklungen entlang der wichtigen Nord-Süd-Achse berücksichtigt werden“. Dafür soll der gesamte Verkehr durchgängig oberirdisch fließen.
Nach den Vorgaben des Ordnungsamtes beschränkt sich der Straßenrückbau hauptsächlich auf die Verkehrsbereiche zwischen den zahlreichen Plätzen, lediglich zwischen Marien- und Österreichischem Platz sollen die Fahrspuren von vier auf zwei reduziert werden, „was dennoch genügend Platz für einen multifunktionalen Stadtraum bietet“, betont Arat. So könnten neue Grün- und Aufenthaltsflächen entlang der gesamten B 14 generiert, die Gehwege durchgängig beidseitig auf vier Meter verbreitert werden. Unter anderem unter dem Österreichischen Platz eine öffentliche Aktionsfläche entstehen und mit einem bis zu 16 Meter breiten Grünstreifen in der Mitte der Fahrbahnen zwischen Charlotten- und Gebhard-Müller-Platz – der ursprünglichen Kulturmeile – für eine bessere Anbindung von Staatsgalerie an Oper und dem Hauptbahnhof geschaffen werden.
Einwände gab es vom bürgerlichen Lager nicht gegen die eigentlichen Planungen als vielmehr wieder einmal am Grundsatzbeschluss für den Rückbau der Straße. „Dass wir 50 Prozent weniger Verkehr einplanen, heißt nicht, dass es auch 50 Prozent weniger Verkehr geben wird“, begrüßte Carl-Christian Vetter (CDU), dass lediglich auf einem Teilstück von vier auf zwei Fahrspuren reduziert werden soll. Ganz im Gegenteil gab es erwartungsgemäß Kritik von der ökosozialen Seite an den „nach wie vor überdimensionierten Verkehrsknotenpunkten anstatt wirklicher Plätze“, so Hannes Rockenbauch (SÖS). Dass man nun wieder von einstmals drei auf vier Verkehrsspuren hochgehe, sei nicht Bestandteil des damaligen Siegerentwurfes gewesen, „weshalb dieser auch ausgewählt wurde“.
Der Startschuss könnte in der Cannstatter Straße erfolgen
In den vergangenen Jahrzehnten ist der Verkehr in der Innenstadt laut Stephan Oehler tatsächlich zurückgegangen. Trotzdem müsse man schauen, dass „das Infrastrukturnetz weiter funktionsfähig bleibt“. Und selbst bei einer Reduzierung von 50 Prozent des Verkehrs „bleiben von täglich 80 000 Autos die über die B 14 fahren, immer noch 40 000 übrig“, betonte der Leiter der Abteilung Verkehrsplanung. Freie Wähler und FDP setzen dabei auch auf die Karte, dass der Umbau in Abschnitten erfolgen soll. „Vielleicht gibt es über die Jahre noch neue Erkenntnisse“, so Michael Schrade (Freie Wähler). Schließlich soll sich die Gesamtmaßnahme bis zum Jahr 2048 hinziehen.
Aus Sicht von SPD und Grünen soll der Umbau dagegen nicht mehr weiter hinausgeschoben werden. Für Björn Peterhoff (Bündnis 90/Grüne) rücken dabei die Randlagen in den Fokus. Vor allem der Abschnitt zwischen Neckartor und Mineralbädern. Denn unter der Cannstatter Straße, wie die B 14 dort heißt, wird ab Ende 2025 bis Anfang der 2030er Jahre ein Abwasserkanal für den Nesenbach neu gebaut. „Im Zuge dessen soll auch die Oberfläche gleich in den angedachten Endzustand gebracht werden.“
Sechs Sequenzen
Verschiedene Abschnitte
Um den Verkehr nicht komplett zum Erliegen zu bringen, wurde das Mammutprojekt in sechs Abschnitte unterteilt, sogenannte Sequenzen.
Sequenz 1
Zwischen Marien- und Österreichischem Platz sollen die Fahrspuren von vier auf zwei reduziert werden. Im Vorfeld zur Zufahrt zum City-Ring könnte so ein kleiner Klimapark entstehen, der in einer öffentlichen Aktionsfläche unterhalb endet.
Sequenz 2
Bis zum Wilhelmsplatz bleiben vier Fahrspuren, „was dennoch genügend Platz für einen multifunktionalen Stadtraum bietet“, betont Arat. Der Wilhelmsplatz wird verkehrsfrei und zur Fläche für Sport und Bewegung. In der Unterführung entsteht ein Logistik-Hub für den Lieferverkehr in die City.
Sequenz 3
Im Vorfeld des Charlottenplatzes wird bereits die Idee der Kulturmeile aufgegriffen. Vor dem neuen Mobility-Hub und dem Haus für Film und Medien auf dem Gelände des ehemaligen Breuninger-Parkhauses im Bohnenviertel entsteht ein Freiraum mit Anbindung an die geplante Umgestaltung des Schwaben-Zentrums auf der anderen Seite.
Sequenz 4
Für die eigentliche Kulturmeile bis zum Gebhard-Müller-Platz werden die Fahrbahnen an die Seiten verlegt. So entsteht ein bis zu 16 Meter breiter, öffentlicher Grünstreifen für Veranstaltungen und Freizeit.
Sequenz 5
Unterstützt wird die bessere Anbindung von Staatsgalerie an die Oper und den Hauptbahnhof bis zum Neckartor von den sogenannten Bonatz-Terrassen.
Sequenz 6
Auf dem letzten Abschnitt bis zum Schwanenplatztunnel soll der Radweg direkt an der Cannstatter Straße verlaufen sowie die Schallschutzwand zum Schlossgarten an mehreren Stellen geöffnet werden.