Stand: 09.07.2025 20:06 Uhr

England hat das drohende vorzeitige Aus bei der Frauen-EM in der Schweiz auf beeindruckende Weise abgewendet. Die Titelverteidigerinnen setzten sich am Mittwochabend in Zürich hochverdient mit 4:0 (2:0) gegen die Niederländerinnen durch.

Die Engländerinnen ließen sich den Druck, der nach der Auftakt-Niederlage gegen Frankreich (1:2) auf ihnen lastete, vom Anpfiff weg überhaupt nicht anmerken. Mit einer starken Teamleistung, schnellem Vorwärtsspiel und großer Dominanz im Mittelfeld ließen sie den über weite Strecken überforderten Niederländerinnen nicht den Hauch einer Chance.

Lauren James mit einem Doppelpack (22., 60.), Georgia Stanway (45.+2) und Ella Toone (67.) trafen für das Team der niederländischen Trainerin Sarina Wiegman. „Heute konnten wir endlich zeigten, wer wir wirklich sind – von der ersten bis zur letzten Minute“, sagte Stanway nach dem Spiel. „Wir sind wieder da“, ergänzte James. Englands Angreiferin Alessia Russo, die drei Tore vorbereitete, wurde zur besten Spielerin der Partie gekürt. Die beste Leistung in „Oranje“ lieferten die niederländischen Fans ab, die trotz der deutlichen Niederlage bis zum Schlusspfiff für Stimmung im Stadion sorgten.

England möglicher Gegner des DFB-Teams im Viertelfinale

Beide Teams haben vor dem abschließenden dritten Spieltag in Gruppe D am Sonntag (21 Uhr) drei Punkte auf dem Konto – und damit weiter die Chance, das Viertelfinale zu erreichen. Das gilt unabhängig davon, wie heute Abend Frankreich gegen Wales spielt (21 Uhr, im Liveticker bei sportschau.de).

Die besseren Karten haben jetzt aber die Engländerinnen, die am Sonntag gegen die EM-Debütantinnen aus Wales spielen. Die Niederlande trifft dann im Parallelspiel auf Frankreich. England könnte als Zweiter in Gruppe D der Viertelfinalgegner des DFB-Teams werden, wenn die Mannschaft von Trainer Christian Wück die Gruppe C als Erster abschließt.

Je ein Wechsel in der Startelf

Nach dem enttäuschenden EM-Auftakt gegen Frankreich regierte Englands Trainerin Wiegman in der als „Endspiel“ für ihr Team titulierten Partie mit einem Wechsel in der Startelf, der sich bezahlt machen sollte: Toone ersetzte Offensivspielerin Beth Mead, die Torschützenkönigin der EM 2022. Deren Platz rechts in der Spitze nahm James ein, die gegen Frankreich im Mittelfeld ihre Stärken nicht hatte ausspielen können. Damit kam es doch nicht zum erwarteten Duell von Mead mit ihrer Freundin Vivianne Miedema auf Seiten der Niederländerinnen.

Bei „Oranje“ beließ es Coach Andries Jonker, dessen Vertrag beim Niederländischen Fußballverband KNVB nach der EM endet, ebenfalls bis auf eine Position bei der Startaufstellung aus dem Wales-Spiel (3:0). Chasity Grant spielte für die angeschlagene Mittelfeldspielerin Danielle van den Donk von Beginn an.

Niederlande findet gegen England-Offensive keinen Zugriff

Beide Teams agierten im bewährten offensiven 4-3-3 System – und beide waren von Beginn an darum bemüht, mit eigenem Ballbesitz dem Spiel den Stempel aufzudrücken. Deutlich besser gelang das den „Three Lionesses“, die vor allem über die Flügel immer wieder gefährlich vorstießen. Ein erster Abschluss von James per Kopf nach einer Linksflanke flog aber weit am Tor vorbei (4.).

Diese Mini-Chance war jedoch der Startschuss für einen einseitigen ersten Durchgang. Vor 22.600 Zuschauerinnen und Zuschauern im legendären und ausverkauften Züricher Letzigrund ging es nur in Richtung des niederländischen Tores. Das Jonker-Team fand keinen Zugriff in den direkten Duellen, Pressing-Versuche wurden mit langen Bällen in die Spitze und schnellem Spiel über die Flügel ausgehebelt.

Lauren James trifft sehenswert zum 1:0

Die Engländerinnen zeigten sich geduldig und blieben auch nach einer vergebenen Kopfballchance von Russo (9.) am Drücker. Nach den ersten 15 Minuten hatte England gut 60 Prozent Ballbesitz, die Niederländerinnen hingegen ihre Linie noch immer nicht gefunden. Die Europameisterinnen von 2022 pressten hoch und intensiv, ließen den Gegnerinnen kaum Zeit zur Ballkontrolle. Die Niederlande hing in der Defensive fest und konnte keine eigenen Akzente nach vorne setzen.

In der 22. Minute belohnten sich die Engländerinnen mit der Führung. Dabei erwischten sie die gesamte niederländische Elf auf dem falschen Fuß: Keeperin Hannah Hampton schlug den Ball in die Spitze auf Russo, die nach rechts zog und die mitgelaufene James bediente. Die überrumpelte Defensive ließ die Chelsea-Stürmerin an der Strafraumkante nach innen ziehen. Der „Dank“ war ein sehenswerter Linksschuss oben rechts ins Eck – auch Prinz William auf der Tribüne war begeistert.

Prinz William (M.), der auch Präsident des englischen Fußballverbands FA ist, war Augenzeuge des klaren Siegs.

Stanway erhöht noch vor der Pause

England zog sich danach etwas zurück, aber die Niederlande konnte das nicht für bedeutend mehr Spielanteile nutzen. Jill Roord zielte am Tor vorbei (26.) – es sollte der einzige Abschluss vor der Pause bleiben. „Oranje“ spielte im Aufbau zu ungenau, viele Ballverluste waren die Folge. Den Engländerinnen boten sich große Freiräume im Mittelfeld, sodass sie mit schnellem Flügelspiel für große Gefahr sorgen konnten. Hemp (36.) und Russo (38., 42.) kamen zu weiteren Kopfballchancen.

Dass es mit einer beruhigenden 2:0-Führung in die Pause ging, war in gewisser Weise auch den konfusen Niederländerinnen zu verdanken: Esmee Brugts wehrte einen Freistoß im Strafraum zu kurz ab, sodass Stanway – in der Bundesliga für den FC Bayern aktiv – mit einem Rechtsschuss zentral aus 20 Metern unten links traf (45.+2). Die Führung der „Three Lionesses“ zur Pause war bei 12:1-Abschlüssen hochverdient.

VAR nimmt Russo-Treffer zurück

Die Reaktion von Niederlande-Coach Jonker überraschte nicht: Mit Sherida Spitze für Veerle Buurman und Caitlin Dijkstra für Brugts kamen zwei frische Kräfte ins Spiel.

Doch noch bevor die neuen Spielerinnen hätten Akzente setzen können, stand es plötzlich vermeintlich 3:0 für England nach einem Russo-Kopfball (50.). Der Treffer wurde vom VAR aber wegen einer Abseitsstellung in der Entstehung zurückgenommen.

Immer anspielbar, nicht zu stoppen: Mit drei Assists war Alessia Russo eine der Matchwinnerinnen.

„Oranje“ komplett überfordert

Wer danach auf eine offensive Reaktion der Niederländerinnen gehofft hatte, wartete vergeblich. Getreu dem „Oranje“-Fanmarsch-Motto „Naar links, naar rechts“ spielten die Schützlinge von Trainer Jonker den Ball ziemlich planlos über den Rasen – und weiter viel zu oft in die Füße des Gegners. Die Niederländerinnen wirkten mit der Aufgabe „England“ auch in Abschnitt zwei hoffnungslos überfordert.

Im Stadion übernahmen nach dem schnell folgenden 3:0 die England-Fans endgültig das Kommando: Hemp bereitete über rechts gegen eine passive Defensive vor, James vollendete nach einem geblockten Toone-Schuss aus acht Metern mühelos (60.). Die Doppelpackerin feierte ausgelassen mit ihren Teamkolleginnen ihren eigenen und wenig später auch den Treffer von Toone zum 4:0 (67.). In der Schlussphase schalteten die Engländerinnen einen Gang runter, wechselten ein paar Mal – und ließen durch Russo noch das mögliche 5:0 liegen (82.).