Lutz Hermann bringt Punchlines ins Klassenzimmer. Mit Rap und Reimen revolutioniert der Deutschlehrer an der Adolf-Reichwein-Schule in Marburg den Deutschunterricht und rappt mit seinen Schülerinnen und Schülern über Selbstzweifel und Glück.

Ein Mann steht am Mikrofon und singt bzw. spricht. Er ist in farbiges Licht getaucht.

Der Marburger Deutschlehrer Lutz Hermann vermittelt seinen Schülern den Lehrplan gerne mit Rap-Übungen.
Bild © Katharina Lückel

„Man verlässt komplett die reguläre Unterrichtspraxis, so als würde man in einen Boxring steigen“. Wenn Lutz Hermann von seinem ersten Battle-Rap mit einem Schüler vor einigen Jahren spricht, dann klingt das so gar nicht nach klassischem Deutschunterricht. „Es geht da ja auch um Beleidigungen“, sagt Hermann. Und die müsse man als Lehrer erst mal einstecken können.

Was in einem Hip-Hop-Workshop an der Schule begann, ist seit fünf Jahren gängige Unterrichtspraxis für den Deutschlehrer. Sein neues Unterrichtskonzept mit Rap probierte er zum ersten Mal in einem Deutsch-Leistungskurs aus, seitdem macht er es in jeder Jahrgangsstufe, erzählt Hermann.

Audiobeitrag

Audio

02:56 Min.|09.07.25|Rainer Dachselt

Bild © hessenschau.de|
zur Audio-Einzelseite

Ende des Audiobeitrags
Ein Buzzword – 1000 Welten

Lutz Herrmann rappt privat seit über 20 Jahren. Unter dem Künstlernamen „Mr. Lu“ hat er schon eigene Rap-Songs auf Spotify veröffentlicht.  Als Lehrer an der Adolf-Reichwein-Schule, einer Technischen Berufsfachschule in Marburg, unterrichtet Hermann Schüler und Schülerinnen im Alter zwischen 15 und Mitte 30 Jahren in Deutsch.

„Ich sage den Schülern immer: versucht nicht darüber nachzudenken, sondern versucht die Sachen, die sowieso in euch sind, einfach so aufs Papier zu bringen.“ Dazu benutzt er eine einfache Methode, die er sich von der US-amerikanischen Schriftstellerin Natalie Goldberg abgeschaut habe.

Er gibt der Gruppe ein simples Buzzword vor, wie etwa „Schlüssel“. Dann startet er die Stoppuhr, und jeder schreibt in nur einer Minute alles auf, was ihm oder ihr dazu gerade einfällt. Völlig frei. Nach einer Minute schickt jemand aus der Klasse ein weiteres Buzzword in die Gruppe, und die Geschichte entwickelt sich in eine neue Richtung.

Videobeitrag

Video

03:40 Min.|04.07.25, 18:00 Uhr|maintower

„Rap-Lehrer“ an Marburger Schule

[zur hr-fernsehen.de Video-Einzelseite]

startbild_mt

Video

Bild © hr

Ende des Videobeitrags
Rap als kreatives Schreiben

So entstehe über freie Assoziationen ein kreatives Schreiben. Häufig werfe Lutz Hermann Begriffe zu Themen aus der Lebenswelt der jungen Menschen in die Gruppe: Selbstzweifel, Hoffnung, Lernen. Der Zeitdruck beim Schreiben bringe gute Erfolge, da man keine Zeit habe, alles zu zerdenken.

„Es kommt so eine gewisse Ehrlichkeit mit rein“, sagt Hermann. Wer möchte, kann seinen Text schon direkt im Klassenzimmer performen. Da Lutz Hermann als „Mr. Lu“ selbst Rapper-Expertise hat, entstehen so oft Lyrics für einen Rap, sagt er. Aber eigentlich seien alle Textformen willkommen. „Es muss nicht immer Rap sein“, sagt Hermann.

Mit zwei seiner Klassen habe er zum Beispiel kürzlich das Buch „Geschichten ohne Ende“ herausgebracht, in dem Kurzgeschichten und Gedichte der Schüler und Schülerinnen veröffentlicht worden sind.

Franz Kafka & Co. zugänglich machen

Lutz Hermann wolle keine Schriftsteller und Rapper ausbilden, sondern Literatur vermitteln, und zwar genau die Hochliteratur, wie sie im Lehrplan steht. Das kreative Schreiben und das Rappen sind für den 40-Jährigen eine Methode, um klassische Literatur zugänglich zu machen.

Wenn auf dem Lehrplan Bücher stehen, die er selbst als „schwere Kost“ empfinde, dann fange er jede Stunde mit drei kleinen Schreibübungen zu Zitaten aus dem Buch an. Mal sei es ein Text von Franz Kafka, mal ein Roman von Jenny Erpenbeck, der auf der Leseliste für Abiturienten steht. „Also nehme ich ein Zitat daraus, lese es der Klasse vor, und sie sollen aufschreiben, was ihnen dazu einfällt“, so Hermann.

Ein Mann steht am Mikrofon und singt bzw. spricht. Er ist in farbiges Licht getaucht.

Lutz Hermann als „Mr. Lu“ in Aktion
Bild © A. Schmidtmann

Hip-Hop-Workshops für Lehrkräfte

„Erst waren die Schüler skeptisch und haben sich gewehrt“, sagt Hermann, aber mittlerweile sehen viele die Vorteile vom kreativen Schreiben. Mit seinem Unterricht erreiche er auch die, die schon lange „schulgefrustet“ seien.

Man brauche eben auch Mut, im konventionellen Unterricht einmal etwas anderes zu machen. Lutz Hermann biete deshalb auch Hip-Hop-Workshops und Kurse im Rap-Schreiben an, um anderen Lehrkräften und Schulen seine Unterrichtsmethode so näher bringen zu können.

Redaktion:
Anne Heigel

Sendung:
hrINFO,

08.07.25, 06:30 Uhr

Quelle: hessenschau.de