Das erste Urteil in den Kölner Drogenprozessen offenbart auch brutale Details zur Geiselnahme in Rodenkirchen. Die Opfer leiden darunter bis heute.

Fast unscheinbar liegt das Haus hinter einer dichten Hecke. Ein Tor versperrt die Einfahrt, das Gebäude dahinter ist von der Straße kaum zu erkennen. Bäume umringen das Grundstück im Kölner Stadtteil Rodenkirchen. Die Umgebung lässt nicht erahnen, welche brutalen Szenen sich hier im Juli 2024 abspielen.

Am Abend des 4. Juli 2024 locken zwei Mitglieder der Drogenbande die späteren Geiseln in ihren Mercedes. Sie wollen mit ihnen ein Drogengeschäft abschließen. Stattdessen fahren sie in ein Bochumer Industriegebiet, wo angeheuerte Geiselnehmer die zwei Opfer überwältigen und in einen Transporter zwängen. „Im Transporter wurde Gewalt ausgeübt. Ein Opfer wurde mit einer Eisenstange geschlagen“, sagt Richter Alexander Fühling.

Das Paar wird nach Rodenkirchen gebracht, im Keller der Villa werden sie über Stunden misshandelt. Derweil geht eine Nachricht bei dem Bruder der männlichen Geisel ein. Ihr Inhalt: „Ich rede nicht viel mit dir. 1,5 Millionen Euro oder mein ganzer Stoff. Du hast sechs Stunden, oder dein Bruder ist tot.“ Laut Anklage soll diese Nachricht von Sermet A. stammen. Er ist im Villa-Verfahren allerdings nicht mit angeklagt.

In der Rodenkirchener Villa sollen die Geiseln derweil geschlagen und bedroht worden sein. Die Geiselnehmer drohten unter anderem damit, Zigarettenstummel auf der Haut auszudrücken, ihnen die Zehennägel zu ziehen oder die Füße abzuschneiden. All das schildert Richter Fühling in aller Deutlichkeit. Die männliche Geisel ist dabei nackt, die Frau trägt nur noch Unterwäsche. Sie sagt später aus, die mutmaßlichen Täter hätten sie bei Toilettengängen beobachtet.

Die männliche Geisel bekommt dabei besonders viel ab. Ein mutmaßlicher Täter steckt ihm eine Waffe in den Mund, hält ihm die Pistole an den Kopf. Er drückt mehrfach ab, obwohl die Waffe nicht geladen ist. Das Gericht spricht von „Scheinhinrichtungen. „Dem Opfer wurde gesagt, dass er bald Gott sehen werde.“

Ein Beteiligter an der Geiselnahme soll kalte Füße bekommen haben. Auf seinen Tipp hin greift das SEK am 5. Juli 2024 zu und stellt vor Ort einige der Täter. Außerdem werden Dutzende Videos sichergestellt, die sich die Drogenbande offenbar untereinander zuschickte. „Sie lebten in einer Parallelgesellschaft. Sie wussten von den Geschehnissen, auch wenn sie nicht die herkömmlichen Medien konsumiert haben. Diese Tik-Tok-Welt führt ihr eigenes Leben“, erklärt Richter Fühling weiter.

Das erste Urteil im Kölner Drogenkomplex fällt gegen einen „kleinen Fisch“, wie Richter Fühling am Mittwoch sagte. Die Strippenzieher dagegen warten teilweise noch auf ihre Anklage.