Noch ist nichts entschieden, doch Berliner Pläne, neue Windenergiegebiete auszuweisen, stoßen in Brandenburg bereits auf Widerstand. Kommunen wie Ahrensfelde kritisieren die Standorte als viel zu nah. Von Georg-Stefan Russew
- Berliner Windkraft-Pläne stoßen auf Widerstand in Brandenburg, etwa in Ahrensfelde und Schöneiche
- geplante Windenergiegebiete liegen teils deutlich unter dem geltenden Mindestabstand von 1.000 Metern von Brandenburger Wohnhäusern entfernt
- Hauptkritikpunkte: unzureichende Abstimmung mit Nachbarkommunen, Unterschreitung der Schutzabstände, Belastung durch Lärm und Schattenwurf, Schutzbedürftigkeit der Tierwelt
Brandenburger Gemeinden wie Ahrensfelde (Barnim) oder Schöneiche (Oder-Spree) lehnen Berliner Pläne ab, neue eigene Windenergie-Gebiete auszuweisen. Hintergrund sei, dass die von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ins Auge gefassten Areale zumeist direkt an der Landesgrenze zu Brandenburg lägen und damit viel zu nah an märkische Wohngebiete heranreichten, sagte Ahrensfeldes Bürgermeister Wilfried Gehrke (CDU) dem rbb.
In unmittelbarer Nähe zur Landesgrenze zu Brandenburg sollen beispielsweise auf Pankower und Lichtenberger Seite Windenergiegebiete ausgewiesen werden. „Unsere Ortsteile Lindenberg, Ahrensfelde und Klarahöh haben zu diesen geplanten Gebieten nur einen Abstand von 550 bis 850 Metern“, klagte Gehrke. Dabei gelte in Brandenburg ein Mindestabstand von 1.000 Metern von Windkraftanlagen zu Wohnbebauungen [bravors.brandenburg.de], unterstrich Gehrke. In Berlin gelte dieser Mindestabstand aber nicht.
Rund 600 Meter bis zu den ersten Häusern in Schöneiche
Ein ähnliches Bild für Schöneiche (Oder-Spree) zeichnete die Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree (RPG). Wie aus den Planungsunterlagen der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung [berlin.de] hervorgeht, soll in der Krummendammer Heide (Bezirk Treptow-Köpenick) ein weiteres Windenergie-Gebiet ausgewiesen werden. „Ungefähr 600 Meter sind die nächsten Wohnhäuser auf Brandenburger Seite in Schöneiche entfernt, also 400 Meter unterhalb der Brandenburger Toleranzgrenze“, erklärte Wolfgang Rump von der RPG.
Ampel-Bundesregierung veränderte 2023 Gesetzeslage
Natürlich habe die RPG von einer Berliner Potenzialflächen-Analyse gewusst. Denn mit dem 2023 novellierten Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien wurden die Ausbauziele für erneuerbare Energien durch den Bund deutlich angehoben.
So ist Berlin – wie die übrigen Stadtstaaten auch – dazu verpflichtet, bis Ende 2027 einen Anteil von 0,25 Prozent und bis Ende 2032 einen Anteil von insgesamt 0,5 Prozent der Landesfläche als Windenergie-Gebiete [berlin.de] auszuweisen. In Brandenburg liegt dieser Wert bis Ende 2027 bei mindestens 1,8 Prozent und bis Ende 2032 bei mindestens 2,2 Prozent der Landesfläche [mil.brandenburg.de].
Planungsgemeinschaft Oderland-Spree von Berlin überrascht
Die RPG zeigt sich in der Konsequenz vom Berliner Vorhaben aber überrascht. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass in Ortsnähe zu Schöneiche ein Windenergie-Gebiet ausgewiesen werden könnte“, sagte Rump. Erst Anfang Juni sei man über die Berliner Pläne für die „Krummendammer Heide“ in Kenntnis gesetzt worden.
Denn die RPG habe sich in eigenen Planverfahren für Windkraftanlagen immer auch an benachbarte Berliner Wohnsiedlungen gedacht – sprich die Einhaltung der 1.000 Meter. „Gleichartige Mindestabstände gelten auch im Sinne der guten Nachbarschaft“, betonte der Leiter der RPG-Planungsstelle.
Auf diesen Umstand habe die RPG in einer Stellungnahme an die Berliner Senatsverwaltung hingewiesen. Zudem habe man im Beteiligungsverfahren deutlich gemacht, dass Schöneiche in der Hauptwindrichtung des möglichen Windenergie-Gebiets „Krummendammer Heide“ läge und wäre demzufolge besonders durch Schall- und Schattenemissionen betroffen. Deshalb dringe man auf die Einhaltung der 1.000 Meter Mindestabstand.
Auch Schöneiches Bürgermeister Ingo Röll (CDU) fühlt sich von Berlin überrollt. Man habe nur eine Woche Zeit gehabt, um reagieren zu können und eine Stellungnahme zu formulieren. „Und natürlich lehnen wir als Gemeinde Schöneiche die Berliner Pläne für die Krummendammer Heide ab“, sagte Röll dem rbb. Generell sei er verwundert. Vor kurzem seien in dem Gebiet Rotmilane gesichtet worden. Die Greifvogelart sei in Deutschland streng geschützt.
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Ahrensfelde will Unterschreitung des Mindestabstands nicht tolerieren
Auch Ahrensfelde habe Berlin gegenüber Stellung bezogen und deutlich gemacht, dass es die Berliner Windenergie-Gebiete so nicht tolerieren werde. Der Mindestabstand von 1.000 Meter müsse eingehalten werden, verlangte Bürgermeister Wilfried Gehrke. Er hatte die Einwohner in den Ortsteilen Lindenberg, Ahrensfelde und Klarahöh sogar aufgefordert, eigene Statements an die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu senden. Das sei noch bis Freitag (11. Juli) möglich, so Gehrke. An dem Tag ende das Beteiligungsverfahren.
Senatsverwaltung: Ohne 500-Meter-Abstand wäre Gesetzesvorgabe nicht umsetzbar
Ein Sprecher der Berliner Senatsverwaltung räumte gegenüber dem rbb ein, dass die Unterschreitung des Mindestabstands zu Brandenburger Wohngebieten bekannt sei. Der angesetzte Abstand von 500 Metern sei aber notwendig, um den bundesweit vorgeschriebenen Flächenanteil für Windenergie nachweisen zu können. Sollten sich im weiteren Verfahren Alternativen mit größerem Abstand ergeben, werde man diese prüfen, hieß es.
Zudem betonte der Sprecher, dass die Brandenburger 1.000-Meter-Regelung formal nicht für Windräder auf Berliner Gebiet gelte – unabhängig von deren Nähe zu Wohnhäusern in Brandenburg.
Notfalls Überprüfung auch auf dem Rechtsweg
„Wir kommen zu einer etwas differenzierteren Einschätzung“, betonte Rump. Die 500 Meter, die für die Änderung des Berliner Flächennutzungsplans angesetzt werden, würden aus dem Baugesetzbuch [gesetze-im-internet.de] stammen. Der Bedrängungseffekt nach § 249 Abs. 10 BauGB beschreibe die optisch bedrängende Wirkung von Windenergieanlagen. Ein Vorhaben gilt in der Regel nicht als unzulässig, wenn der Abstand zur nächsten zulässigen baulichen Nutzung mindestens dem Doppelten der Anlagenhöhe entspricht (2H-Regel), so Rump. Hier gehe es um Anlagenhöhen um die 230 Meter. Nach der 2H-Regel wäre man dann bei den von Berlin angegebenen 500-Meter-Mindestabstand.
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Jedoch müssten laut Rump auch die Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes eingehalten werden. „Insofern gehen wir davon aus, dass bei deutlicher Unterschreitung der 1.000 Meter die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit für moderne Windenergieanlagen voraussichtlich nicht besteht.“ Dies hätte die RPG in der eigenen Stellungnahme an die Berliner Senatsverwaltung noch einmal herausgestellt. Da müsste nachgeschärft werden.
Schöneiches Bürgermeister Röll stimmte Rump zu. Für die Anwohner wären die Anlagen viel zu laut. Dies habe die Gemeinde Schöneiche in ihrer Stellungnahme auch so an die Senatsverwaltung geschrieben, so Röll. Notfalls würde man Belange des Immissionsschutzes auch auf den Rechtsweg prüfen lassen, so Schöneiches Bürgermeister.
Prüfung der Stellungnahmen kann mehrere Monate dauern
Aufgrund der Vielzahl von Stellungnahmen bat die Senatsverwaltung um Verständnis dafür, dass die erst nach Ende des Beteiligungsverfahrens am Freitag, 11. Juli schrittweise geprüft und im Gesamtzusammenhang abgewogen werden können.
Das werde voraussichtlich mehrere Monate in Anspruch nehmen. Aussagen zu einzelnen Einwänden aus Brandenburg oder konkreten Konflikten seien daher derzeit noch nicht möglich, so der Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Sendung: Antenne Brandenburg, 10.07.2025, 13:00 Uhr