Zwölf von 24 Grands Prix der Formel-1-Saison 2025 sind absolviert. Zeit für eine Halbzeit-Bilanz. Formel-1-Experte und RTL-Kommentator Christian Danner zieht gemeinsam mit sport.de ein Halbjahres-Fazit der 20 Fahrer. Teil 1 dreht sich um die Plätze 20 bis elf in der WM. Red-Bull-Pilot Yuki Tsunoda bekommt sein Fett weg, Lob gibt’s für einen „sensationellen“ Rookie.
Der Argentinier kam nach dem Miami-GP für den glücklosen Rookie Jack Doohan zum Zug. Zunächst hieß es von Teamboss Flavio Briatore, Colapinto bekomme fünf Rennen, um sich zu beweisen. Es sind sechs geworden und man kann konstatieren: Chance nicht genutzt. Der 22-Jährige präsentierte sich auch nicht besser als Doohan, holte keinen Punkt.
„Mir hat Doohan fast besser gefallen, weil er vom Team – sagen wir es mal so – nicht ganz so warm willkommen geheißen wurde“, sagt RTL-Experte Christian Danner: „Bei Alpine ist man vom Regen in die Traufe gekommen.“
Wie geht’s bei Alpine in Sachen Fahrer weiter? Danner sieht aufseiten Colapintos „einen Riesenvorteil und der heißt Dollars. An ihm hängt ein Batzen Geld und das Potenzial eines argentinischen Grand Prix. Mit dem Sportlichen hat das nichts zu tun.“
Mit vier WM-Punkten ist der Brasilianer bisher fast unter Wert geschlagen, denn Bortoleto zeigt bei Sauber an der Seite von Nico Hülkenberg ansprechende Leistungen. Im Qualifying ist der Youngster sogar immer wieder das berühmte Zehntel schneller.
In Spielberg belohnte sich Bortoleto mit den ersten Punkten. „Er hat die Erwartungen mehr als erfüllt, vor allem, weil er eben nicht so gepampert in dieses System eingeführt wurde wie andere Rookies. Das rechne ich ihm hoch an“, sagt Danner.
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„Vom Speed her ist Bearman echt ein Burner, der manchmal auch in die Top 10 fährt“, lobt der RTL-Kommentator den jungen Briten zwar. „Es unterlaufen ihm aber Fehler, die nicht passieren dürfen – bei Rot überholen, relativ viele Crashs. Das gefällt mir gar nicht. Solche Fehler gehören abgestellt – und zwar sofort! Er behindert sich sonst dramatisch selbst. Die Schonfrist ist längst vorbei.“
Im Haas-Duell mit dem erfahrenen Esteban Ocon hat Bearman bislang klar das Nachsehen. In der zweiten Saisonhälfte muss deutlich mehr vom ehemaligen Ferrari-Junior kommen.
Im Racing-Bulls-Boliden kam Tsunoda in den ersten Rennen noch ganz gut zurecht, fuhr immerhin drei Punkte ein. Bei Red Bull läuft es überhaupt nicht, der Japaner bringt dem Team so gut wie gar nichts Zählbares und geht gegen Max Verstappen völlig unter.
„Ich habe aus verschiedenen Gründen noch nie wahnsinnig viel von ihm gehalten. Er hat auf bedauerliche Weise bestätigt, was ich befürchtet habe“, urteilt Danner. Tsunoda sei nicht nur „mehr oder weniger eine Sekunde langsamer als Verstappen. Es geht vor allem um seine Fehlerhäufigkeit. Die ist für einen derartig erfahrenen Formel-1-Fahrer nicht akzeptabel.“
Läuft Tsunodas (noch kein Vertrag für 2026) Zeit in der Königsklasse also ab? „100 Prozent ja“, antwortet Danner unmissverständlich.
Der Neuseeländer wurde von Red Bull nach nur zwei Rennen zum Juniorteam degradiert. Eine fragwürdige Entscheidung eingedenk der Tsunoda-Performance im Seniorteam. Lawson brauchte einige Rennen, um den Schock zu verdauen, hat bei den Racing Bulls zudem in Isack Hadjar einen Stallkollegen, der ihm schwer zu schaffen macht. Zuletzt zeigte Lawson aber aufsteigende Form, qualifizierte etwa in Spielberg Max Verstappen aus und holte im Rennen einen starken sechsten Platz.
„Er musste bei den Racing Bulls erstmal wieder aus dem tiefen Tal der Tränen herausfinden und das ist ihm im Laufe der letzten Rennen sukzessive gelungen“, lobt Danner. „Er hat somit die Berechtigung, sich weiterzuentwickeln und wieder da hinzukommen, wo er schon war, er war ja ein sehr erfolgreicher Fahrer.“
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Im WM-Tableau gegen Garagen-Nachbar Alex Albon klar zurück, immer wieder Patzer in den Rennen und nur 15. – Sainz fährt seinen Ansprüchen bei Williams noch hinterher.
„Sainz ist eine Mischung aus Pech, da ging auch technisch öfter was kaputt, aus immer wieder kleinen Fehlern und aus einer von sich sehr überzeugten Art, die hier dazu führt, dass er noch immer nicht so richtig angekommen ist, wo er hingehört. Es ist zu hoffen, dass da noch mehr kommt. Gegen Albon schaut er definitiv alt aus und die Einzel-Highlights, die da mal kamen, sind mir zu wenig“, kritisiert Danner den Spanier.
„Eigentlich hat Alonso fast immer gut ausgesehen. Was seine Rennintelligenz angeht – das ist nach wie vor bewundernswert, was er da anstellt“, lobt der F1-Experte den 43-Jährigen.
Alonso sei bis zum letzten Aston-Martin-Upgrade, „das ja einigermaßen funktioniert hat“ ein Opfer der Fahrzeugentwicklung gewesen, „die sich total im Kreis gedreht hat“, erläutert Danner. „Dann kann auch ein Alonso nichts machen, wenn einfach nix geht.“
Gasly ist Alpines einziges Fahrer-Eisen im Feuer, seine 19 Punkte können sich sehen lassen. Zuletzt trumpfte er im britischen Wetter von Silverstone auf, wo er Rang sechs einfuhr.
„Bei Alpine weiß man nicht so richtig, wo die Reise hingeht. So gesehen erledigt Gasly seinen Job zu 100 Prozent professionell. Was man von ihm erwarten kann, liefert er – so schnell wie er fährt ist nun mal das Auto, ganz einfach“, bilanziert Danner.
Dass Stroll in der WM vor Fernando Alonso liegt, ist sicher eine der Überraschungen der ersten Saisonhälfte. Allerdings ist der zweimalige Weltmeister weiterhin eindeutig der schnellere Aston Martin. Stroll lässt sich zugutehalten, dass er (wie beim Auftakt in Melbourne oder im Regen von Silverstone) zur Stelle war, wenn es was zu holen gab und so Punkte gehamstert hat.
Die Stroll-typischen Böcke sind gleichwohl nicht passé. „Wann immer irgendwo ein Problem ist oder einer Mist baut, ist das entweder Tsunoda oder Stroll“, kritisiert Danner. „Es ist eine normale Stroll-Saison.“
Der französische Rookie überzeugt mit konstanten Leistungen und regelmäßigen Besuchen in den Top 10. „Hadjar ist die Überraschung der Saison, fast schon eine Sensation, auf welchem Niveau er fährt. Das hat so keiner gedacht. Er ist ja doch etwas ins kalte Wasser geworfen worden, obwohl er durch die Red-Bull-Mühlen gegangen ist“, lobt Danner.
Hadjar zeichne eine „Mischung aus Talent und Intelligenz aus“, so der frühere F1-Pilot. „Da könnte noch deutlich mehr draus erwachsen.“ Dass sich der 20-Jährige in Ruhe entwickeln möchte und einen möglichen Aufstieg zu Red Bull – anders als Tsunoda – nicht forciert, zeigt Hadjars „Grundintelligenz“, so Danner.
Zur Person:
Christian Danner (67) schaffte 1985 mit dem Gewinn der Formel-3000-Europameisterschaft den Sprung in die Formel 1. Bis 1989 fuhr er in der Königsklasse für mehrere kleine Teams und errang bei 36 Grand-Prix-Starts vier WM-Punkte. Danach fuhr er in der US-amerikanischen IndyCar-Serie und avancierte zum ersten deutsche Rennfahrer, der in Formel 1 und IndyCar Punkte holte. In der DTM gewann Danner zwischen 1988 und 1996 fünf Rennen, 1997 zog er sich aus dem Motorsport zurück. Seit 1998 kommentiert der Bayer an der Seite von Heiko Waßer die Formel 1 bei RTL. Danner arbeitet zudem als Fahrsicherheitstrainer.