Eigentlich sollte Wolfgang Bogner nur ein paar kurze Begrüßungsworte verlieren, um dann an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zu übergeben. Es wurde aber doch eine ausgewachsene Ansprache, in der Bogner, Chef des Immobilienunternehmens Eckpfeiler, das neue Quartier „Kirschgärten“ mit 1500 Wohnungen im Münchner Nordwesten vorstellte. Erst dann kam Reiter ans Mikrofon.

Und der nahm das als Steilvorlage für einen Eingangsscherz: „Da hat der Wolfgang aber ein Vorurteil widerlegt: dass Oberpfälzer wortkarg wären.“ Die Mappe mit der 13-seitigen Rede, die sein Büro zum Spatenstich für den ersten Bauabschnitt mit 226 Wohnungen (mehr als 90 Prozent davon gefördert) vorbereitet hatte, „die kann ich jetzt weglegen“, fuhr Reiter fort. „Es ist ja schon alles gesagt, was da drin steht.“

Ein paar warme Worte aber verlor Reiter doch noch, etwa dass das hier „ein supergutes Projekt“ sei.  Welche Bedeutung das Vorhaben für München hat, ließ sich daran ablesen, dass quasi die halbe Stadtregierung zum Festakt gekommen war: Christine Kugler (Referentin für Klimaschutz), Georg Dunkel (Mobilität), Jeanne-Marie Ehbauer (Bau) und Florian Kraus (Bildung), und die hauptzuständige Stadtbaurätin Elisabeth Merk musste sich nur deshalb von ihrem Leiter der Stadtplanung, Michael Bacherl, vertreten lassen, weil sie beim Städtetag gebraucht wurde.

Doch was macht dieses Projekt so besonders? Zunächst einmal, dass es überhaupt entsteht. „Es ist wichtig und toll, dass ein privates Unternehmen den Mut hat, in dieser Zeit Wohnungsbau zu betreiben“, sagte Reiter. Schließlich haben viele andere Bauherren ihre Aktivitäten verschoben oder ganz gestoppt. Zu groß ist die Unsicherheit wegen gestiegener Zinsen und Baukosten und dem Einbruch beim Immobilienverkauf. Zuletzt kam die Ungewissheit um ausgeschöpfte Fördertöpfe für sozialen Wohnungsbau hinzu.

Die Eckpfeiler Immobilien Gruppe (mit Sitz in der Gewerbesteueroase Pullach) aber hat es geschafft, in dieser schwierigen Zeit den Banken die nötigen Kredite aus den Rippen zu leiern – woran viele andere gerade scheitern. Dabei mag es geholfen haben, dass hinter Eckpfeiler neben Bogner vier weitere solvente Gesellschafter stehen, die im Private-Equity-Geschäft aktiv sind.

Das Projekt entsteht direkt an der Bahnlinie zwischen den Haltestellen Untermenzing und Allach.Das Projekt entsteht direkt an der Bahnlinie zwischen den Haltestellen Untermenzing und Allach. (Foto: Eckpfeiler)

Das Projekt trägt seinen Namen, weil es auf dem ehemaligen Kirsch-Gelände, direkt an der Bahnlinie zwischen den S-Bahn-Halten Untermenzing und Allach, entsteht. Früher befand sich dort ein großes Dampf-Sägewerk. Später hat sich in den Hallen auf dem zwölf Hektar großen Areal (entspricht etwa 17 Fußballfeldern) ein Sammelsurium an Betrieben angesiedelt. Sie müssen nun nach und nach weichen.

Die ersten Hallen sind schon abgerissen, die Baugrube für den ersten Wohngebäudekomplex ist ausgehoben. Mitte 2027 sollen die ersten von insgesamt etwa 3000 Bewohnerinnen und Bewohnern der „Kirschgärten“ einziehen können. Mit dem zweiten Bauabschnitt will Eckpfeiler auch nächstes Jahr schon loslegen.

2030 soll das in fünf Bauabschnitten entstehende Quartier fertig sein. Dazu gehören dann auch eine neue Grundschule, vier Kitas und „ein Quartiersplatz mit Cafés und Biomarkt“, wie Bauherr Bogner erläuterte. 40 Prozent des Wohnraums werden gefördert sein. Das städtebauliche Konzept stammt vom Architekturbüro Hilmer Sattler Ahlers Albrecht, die Gebäude planen Maier Neuberger Architekten.

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Eckpfeiler wird einen Teil der Wohnungen auch zum Vermieten halten – dieses Geschäftsmodell der sogenannten Bestandshalter genießt im Stadtrat mehrheitlich höheres Ansehen als das Bauträgermodell, das auf den Verkauf von Eigentumswohnungen setzt. Allerdings heißt es aus der Branche auch immer wieder: Neubau-Wohnungen im Bestand zu halten, das können sich nur Unternehmen leisten, die viel Eigenkapital im Rücken haben.

Aus Sicht der Stadt sind die „Kirschgärten“ auch deshalb ein Gewinn, weil eine riesige, komplett versiegelte Fläche nun teilweise geöffnet wird. Sechs Hektar, also etwa die Hälfte des Gesamtareals, sollen zu Grünflächen werden, teils privat und teils öffentlich, inklusive einem 2,4 Hektar großen Landschaftspark. Die Planung stammt vom Landschaftsarchitekturbüro Uniola. Hinzu kommen 400 neue Bäume und Dachflächen, die begrünt werden. „Wenn ich mir das Quartier hätte malen müssen, es wäre genauso geworden wir hier“, sagt Klimareferentin Kugler. Sonst ist sie qua Funktion bei Neubauprojekten oft eher eine mahnende Stimme.

Auf etwa der Hälfte des Areals sollen Grünflächen entstehen. Auch diese Pläne kommen bei der Stadt gut an.Auf etwa der Hälfte des Areals sollen Grünflächen entstehen. Auch diese Pläne kommen bei der Stadt gut an. (Foto: Eckpfeiler)

Schließlich stammen 30 Prozent der CO₂-Emissionen in Deutschland aus dem Gebäudesektor. Doch auch hier geben die Investoren der „Kirschgärten“ sich Mühe. Wolfgang Bogner hielt während seiner Rede eine Glasschale mit Gestein hoch, das sei Recyclingbeton aus den abgerissenen Hallen auf dem Gelände, den man beim Neubau wiederverwende, berichtete er. Zudem entstünden die 1500 Wohnungen komplett in Holz-Hybrid-Bauweise. „Die Außenwände und auch viele Innenwände werden aus Holz gebaut sein“, erläuterte Bogner.

Auch das ist bemerkenswert, hat doch gerade die Stadt für ihre eigenen Wohnbauprojekte den teureren Holzbau aus Kostengründen zurückgestellt. Doch Bogner versicherte, man bekomme das wirtschaftlich hin, indem man die Grundstruktur der Wohnkomplexe identisch plane.

Das Geld, das München beim Holzbau einspart, fließt übrigens in das 144-Millionen-Euro-Programm „Kommunale EOF“, mit dem die Stadt Förderlücken des Freistaats ausgleichen will – und mit dem sie wiederum auch für die „Kirschgärten“ mehr Planungssicherheit schafft. Diesen Beschluss des Stadtrats nannte der Investor Bogner in seiner Rede „einen mutigen Schritt und ein klares Zeichen für den sozialen Wohnungsbau“.