DruckenTeilen
Dank Verhandlungen der USA? Belarus‘ Exil-Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat ihren Ehemann wieder – sie warnt dennoch vor „Spielen“ mit Lukaschenko.
Am Westrand von Wladimir Putins Russland kämpft ein Mann seit Jahren mit brutalen Mitteln ums politische Überleben: Alexander Lukaschenko. Zuletzt bemühte sich Belarus’ Diktator um den Anschein von Tauwetter. Er ließ– neben anderen politischen Gefangenen – seinen Rivalen Sergei Tichanowski frei. Tichanowski wollte 2020 um die Präsidentschaft kandidieren, wurde aber unter Vorwänden festgenommen. Die folgende Wahl manipulierte Lukaschenko, gewaltsam niedergeschlagene Großproteste folgten.
Ein Grund für Lukaschenkos Entscheidung sitzt wohl in Washington: Er heißt Donald Trump. Der US-Präsident schickte zuletzt sogar seinen Ukraine-Sondergesandten Keith Kellogg zum von der EU scharf sanktionierten und isolierten Regime in Belarus. Ist also Zuckerbrot statt Peitsche der Weg zum Ziel? Es scheint fraglich. Sogar Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, Tichanowskis Ehefrau, schätzt die Lage anders ein.
Lukaschenkos Spiel nach Venezuela-Art: „Diktatoren lernen voneinander“
„Unsere Botschaft an die amerikanischen Partner ist klar: Bis wir systematische Veränderungen in Belarus sehen, sollte man sich nicht auf Spielchen mit Lukaschenkos Regime einlassen“, sagte Tichanowskaja am Dienstag in einer Runde mit deutschen Medien, darunter die Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA.
Alexander Lukaschenko (re.) setzt auf Annäherung an Donald Trump und USA. © Al Drago/Pool/CNP/Sergei Bobylev/Zuma/Imago
Tichanowskajas Berater Franak Viačorka zog bei dem Termin der Konrad-Adenauer-Stiftung Parallelen zum Maduro-Regime im Venezuela. Lukaschenko spiele das „Venezuela-Spiel“: Freilassung von Gefangenen gegen Entgegenkommen. Der Deal mit Nicolás Maduro sei damals nicht gut ausgegangen, die Gesamtzahl der politischen Gefangenen sei nur weiter gestiegen. „Diesen Fehler sollten wir nicht wiederholen“, sagte Viačorka: „Diktatoren lernen voneinander.“
In Brüssel dürfte die belarusische Exil-Opposition mit dieser Haltung offene Türen einrennen. Bei einem Treffen vor drei Wochen habe ihr die Europäische Kommission versichert, dass es keine Basis für Sanktionserleichterungen in Belarus gebe, sagte Tichanowskaja. Sie sei „dankbar“ für diese Haltung. „Natürlich ist extrem wichtig, dass die Amerikaner in dieser Hinsicht keinen Druck auf Europa ausüben“, fügte sie hinzu. Entsprechende Zeichen aus den USA gebe es ohnehin nicht.
Trump geht auf Tuchfühlung mit Lukaschenko – US-Druck auf EU-Staaten scheint möglich
Der Politikwissenschaftler Boris Ginzburg von der Freien Universität Berlin gibt in dieser Hinsicht allerdings eine etwas zurückhaltendere Prognose. Die Freilassung politischer Gefangener sei im Frühjahr bei einem Besuch von Trumps Vize-Außenminister Christopher W. Smith in Minsk vereinbart worden – dabei hätten die USA Lockerungen beim für Belarus wichtigen Kali-Export in Aussicht gestellt.
Swetlana Tichanowskaja und ihr Ehemann Sergej Tichanowski nach dessen Freilassung bei einer Pressekonferenz in Vilnius. © Mindaugas Kulbis/picture alliance/dpa/AP
„Diese Frage endet aber nicht bei den USA“, betont Ginzburg im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau: „Nötig wäre für Belarus auch der Zugang zu einem litauischen oder lettischen Hafen.“ Trump sei indes kein Freund des Multilateralismus, also von Verhandlungen mit vielen Gesprächspartnern. Er spreche lieber mit einzelnen Staaten – im Guten, wie im Schlechten.
Durchaus möglich sei, dass der US-Präsident versuchen werde, Litauen oder Lettland direkt unter Druck zu setzen. Dabei müssten diese Staaten darauf achten, nicht die EU-Sanktionspolitik gegenüber Belarus zu brechen. Eine Gefahr für den Zusammenhalt der EU und auch deren Beziehungen zu Trumps USA. Beide baltischen Länder leben ohnehin in Sorge vor dem Nachbarn Belarus.
Lukaschenko hat wieder einen Gegenspieler mehr – Tichanowski könnte aber Unruhe stiften
Eine andere Frage ist, wie Tichanowski zurück in Freiheit agieren wird. Ihr Mann habe in der harten Gefangenschaft die Hälfte seines Gewichtes verloren, sagte Tichanowskaja. Dennoch sei es enorm wichtig gewesen, unmittelbar die mediale Aufmerksamkeit zu nutzen. Nun stehe aber eine Art Realitätscheck für ihn auf dem Programm, etwa Gespräche mit der belarusischen Diaspora. „Vielleicht versteht er nach fünf Jahren Haft noch nicht den ganzen Kontext, wie stark die Repression ist, welche Probleme die Belarusen haben.“ Tichanowski hatte die Belarusen unter anderem aufgerufen, „keine Angst“ zu haben.
Ginzburg zufolge sind Probleme denkbar. Zwar gebe es auch in der belarusischen Opposition Konflikte. „Aber anders als die russische Exil-Opposition ist es ihr geglückt, funktionierende Strukturen zu bilden, um mit einer Stimme zu sprechen. Sollte Tichanowski außerhalb dieser Strukturen agieren, könnte das diese Einigkeit gefährden.” (fn)