Auf Initiative von Landtagspräsidentin Muhterem Aras ist im Landtag dem gebürtigen Stuttgarter und langjährigen hessischen Generalstaatsanwalt und NS-Aufklärer Fritz Bauer (1903-1968) gedacht worden. An der Veranstaltung am Mittwochabend, an der mehr als 100 Schülerinnen und Schülern aus acht Schulen in Baden-Württemberg teilnahmen, würdigte Aras die Person und das Wirken des „Juristen, Humanisten, wunderbaren Menschen und Kämpfers für Gerechtigkeit“, der mit der Anklageerhebung gegen 22 NS-Täter im Rahmen des Frankfurter Auschwitz-Prozesses 1963 „den Mantel des Schweigens über die Vergangenheit zerrissen hat“ und die deutsche Gesellschaft mit den Verbrechen des Nationalsozialismus konfrontierte.

Dass sich 80 Jahre nach Kriegsende in Deutschland die Ideen der Humanität, der Freiheit und der Demokratie durchgesetzt hätten, „verdanken wir Menschen, wie Fritz Bauer, die sich unermüdlich für diese Grundlagen des Zusammenlebens einsetzten“, sagte Aras: „Ohne Fritz Bauer wäre die Bundesrepublik heute eine andere.“

„Ohne Fritz Bauer gäbe wäre die Bundesrepublik heute eine andere“ – Landtagspräsidentin Muhterem Aras. Foto: Lichtgut

Ronen Steinke, Bauer-Biograf und Journalist, betonte, Bauer habe sich als „Aufklärer und Kämpfer für Gerechtigkeit“ verstanden, nicht etwa als „zorniger Rächer“. Für ihn sei zentral gewesen, durch die Strafverfolgung die Würde der NS-Opfer wieder herzustellen und ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dieser Gedanke sei auch bei der Ergreifung von Adolf Eichmann, dem Organisator des Holocaust, leitend gewesen. Bauer hatte zu dessen Festnahme in Argentinien durch den israelischen Mossad entscheidende Hinweise gegeben. Bauers „zeitlose Botschaft“ besteht für seinen Biografen im „Mut zur Verweigerung“ und „Zivilcourage“, die sich darin zeige, Nein sagen zu können, wenn sich Dinge in eine falsche Richtung entwickelten.

Seit 2024 erinnert in der Wiederholdstraße eine Stele an Fritz Bauer

Steinke erinnerte im Landtag auch daran, wie schwer sich die bundesdeutsche Gesellschaft immer wieder mit der Würdigung Bauers getan habe. Auch in seiner Geburtsstadt Stuttgart waren Person und Erbe Fritz Bauers über lange Phasen hinweg wenig wahrnehmbar. Das änderte sich erst wieder mit dem 120. Geburtstag Bauers vor zwei Jahren und der begleitenden Berichterstattung. Erheblichen Anteil an der Wiederentdeckung Bauers in Stuttgart hatte auch eine Schülerinnengruppe des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums, die sich auf Anregung ihrer Lehrer mit dem Leben des früheren Ebelu-Schülers beschäftigten und unter anderem einen Stadtspaziergang organisierten. Dabei machten sie auch auf Leerstellen der Erinnerung aufmerksam. Durch unsere Zeitung wurde die Forderung, diese Leerstelle zu füllen, medial verstärkt. In der Folge errichtete die Stadt für Fritz Bauer im April 2024 eine Stele in der Wiederholdstraße 10 im Stuttgarter Norden, wo die jüdische Familie in den 1930er Jahren gewohnt hatte.

Fritz-Bauer-Biograf Ronen Steinke Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Eine der Schülerinnen, Leonor Kessler, die inzwischen Abitur gemacht hat, saß als „Fritz-Bauer-Botschafterin“ mit auf dem Podium im Landtag. An Bauer beeindruckt sie vor allem „sein Mut und seine Entschlossenheit, jeden Tag Verantwortung zu übernehmen“, wie sie im Gespräch mit der Moderatorin Anna Koktsidou sagte. Die Beschäftigung mit der Geschichte könne dabei helfen. „Es geht auch darum, Lust auf Geschichte zu machen“, meinte die junge Historikerin und Journalistin Leonie Schöler, die via Social Media versucht, junge Leute für Geschichte zu gewinnen.

„Selbst ins Aktive kommen“

„Brauchen wir auch heute, wo die Demokratie Krisenerscheinungen zeigt, wieder einen Fritz Bauer?“ Leonor Kessler, die Jüngste in der Runde, will nicht auf jemanden warten, der die Demokratie verteidigt und sich auch nicht „auf der Verfassung ausruhen“, sondern „ selbst ins Aktive kommen“. Dafür gab es viel Applaus.

Bauers Stimme war an diesem Abend übrigens auch zu hören. In einem Interviewausschnitt von 1967, ein Jahr vor seinem Tod, äußerte er den Wunsch, dass die Jugend den gleichen „Traum von Recht besäße, den ich einmal hatte. Und dass sie das Gefühl hat, dass das Leben einen Sinn hat, wenn man für Freiheit, Recht und Brüderlichkeit eintritt. Das geht nicht, wenn man lediglich in einer Konsumgesellschaft lebt. Es erwirbt nur der das Leben und die Freiheit, der sich täglich dafür einsetzt.“