Kate Chrisman (rechts) mit ihrem Mann (links) auf dem Heimweg von einem Date.

Kate Chrisman (rechts) mit ihrem Mann (links) auf dem Heimweg von einem Date.

Courtesy of Kate Chrisman

Ich kannte immer die besten Orte für Essen, Musik und Wanderungen – egal ob in Washington, London oder Peking.

Doch nachdem ich nach Berlin gezogen war und eine Familie hatte, fehlte mir die Zeit, die Stadt zu entdecken.

Ich wollte Berlin besser kennenlernen. Also reservierten mein Mann und ich einen Abend pro Woche nur für uns.

In meinen Zwanzigern und frühen Dreißigern bin ich viel umgezogen – Washington DC, Peking, Oakland, London – aber ich kannte immer den besten Dumpling-Laden, wusste, wie man für 15 US-Dollar (etwa 13 Euro) Tickets für ein Weltklasse-Orchester bekommt, und welche Wanderungen sich wirklich lohnten. Ich war die soziale Planerin meiner Freundesgruppen, organisierte Abende und war stolz darauf, die lokalen Geheimtipps zu kennen.

Doch zwei Jahre nach meinem Umzug nach Berlin war ich nicht mehr diese Person. Wenn Familie zu Besuch kam und fragte: „Was sollen wir unternehmen?“, war ich ratlos. Ich war in keinem einzigen Museum gewesen, wusste nicht, wo man Stand-up-Comedy sehen konnte. Ich konnte nicht einmal ein gutes Restaurant empfehlen. Peinlich berührt blätterte ich heimlich im „Lonely Planet“-Reiseführer, in der Hoffnung, mein Unwissen überspielen zu können.

Es lag nicht daran, dass ich keine Lust hatte, die Stadt zu entdecken. Aber zwischen Arbeit, dem Alltag mit drei kleinen Kindern und dem ständigen Organisationsaufwand des Familienlebens wusste ich einfach nicht, wie. Ich vermisste es, mich mit meiner Stadt verbunden zu fühlen, ein Stamm-Thai-Restaurant zu haben und Live-Musik zu hören.

Wöchentliche Date-Nights veränderten alles

Chrisman in einem Restaurant in Berlin zu einem Date.

Chrisman in einem Restaurant in Berlin zu einem Date.

Courtesy of Kate Chrisman

Das änderte sich, als mein Mann und ich uns fest vornahmen, einmal pro Woche auszugehen – ohne Ausreden. Die Idee gab es schon lange, aber wie bei vielen Familien mit kleinen Kindern klangen Date-Nights einfach zu teuer. Und würden wir überhaupt eine Babysitterin finden, die mit unseren drei Kindern klarkommt: einer anhänglichen Einjährigen, einer kontaktfreudigen Zweijährigen und einem Sechsjährigen, der jeden Abend eine Stunde vorgelesen bekommen möchte?

Als die Babysitterin an diesem ersten Abend an der Tür klingelte, klammerte sich meine einjährige Tochter an mein Bein, als hinge ihr Leben davon ab. Ich murmelte meinem Mann zu: „Glaubst du, wir schaffen es überhaupt bis zur Tür?“

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An diesem Abend gingen wir zu einem vietnamesischen Restaurant in der Nähe, an dem wir schon dutzendfach vorbeigelaufen waren, aber nie eingekehrt sind. Es roch nach Zitronengras und war fast leer – wir hatten für die eher uncoole Uhrzeit von 18 Uhr reserviert. Nachdem wir bestellt hatten, sah mein Mann mich grinsend an. „Warte mal, wir sind wirklich draußen?“, sagte er und hob sein Glas. Es fühlte sich an, als hätte ich ein Stück meines zwanzigjährigen Selbst zurückgewonnen.

Die wöchentlichen Abendessen waren ein guter Anfang, aber sie wurden schnell eintönig. Ich wollte mehr als nur essen gehen – ich wollte entdecken, was diese Stadt alles zu bieten hat.

Mehr als nur Abendessen

Chrisman beim Besuch einer temporären Kunstausstellung.

Chrisman beim Besuch einer temporären Kunstausstellung.

Courtesy of Kate Chrisman

Ich begann, unsere Date-Nights wie ein kleines Rechercheprojekt zu behandeln. Jede Woche nahm ich mir maximal fünfzehn Minuten Zeit, um nach Kunstausstellungen, Theaterstücken, Comedy-Shows und kostenlosen Veranstaltungen am Donnerstagabend – unserem festen Date-Abend – zu suchen. Ich speicherte Websites mit günstigen Kulturangeboten, folgte lokalen Foodies auf TikTok und dem städtischen Tourismusbüro auf Instagram.

Jedes Mal, wenn ich an einem Restaurant oder Veranstaltungsort vorbeikam, der interessant aussah, fügte ich ihn meiner „Date Night“-Liste in Google Maps hinzu. Um die Planung einfach zu halten – und um sicherzugehen, dass ich meinen Mann nicht zu etwas allzu Schrillem mitnehme – schickte ich ihm meistens zwei Optionen zur Auswahl, zum Beispiel: schnelles Falafel-Essen und Besuch im Spionagemuseum oder handgezogene Nudeln und ein Spaziergang an der Spree.

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Mit klaren Rahmenbedingungen und reichlich Inspiration blieb der Aufwand überschaubar, und schon bald hatte ich eine Liste von Dingen, die ich kaum erwarten konnte auszuprobieren.

Diese Gewohnheit veränderte meine Art, Berlin zu erleben. Oft teile ich unsere Date-Night-Abenteuer in meinen Instagram-Stories, und manchmal schreiben mir Freunde danach und wollen wissen, ob sich die U-Bahn-Fahrt gelohnt hat.

Nicht jede Date-Night war ein Volltreffer

Chrisman und ihr Mann bei einem Date.

Chrisman und ihr Mann bei einem Date.

Courtesy of Kate Chrisman

Einmal buchte ich Tickets im Planetarium für das, was ich für eine Doku über das Weltall hielt – ein Thema, das mein Mann liebt. Es stellte sich jedoch als quälend langsamer Experimentalfilm heraus, bei dem die Hälfte des Publikums heimlich den Saal verließ.

Ein anderes Mal saßen wir mitten in der Reihe bei einem Theaterstück aus dem 19. Jahrhundert auf Deutsch, das angeblich englische Untertitel haben sollte. Hatte es nicht. Wir warfen uns verstohlene Blicke zu – hast du auch keine Ahnung, worum es geht? Bis heute wissen wir nicht, was in diesem Stück eigentlich passiert ist.

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Oder da war das klassische Konzert in der Philharmonie. Ich dachte, wir würden Bach hören, doch stattdessen war es Musik eines französischen Komponisten, den ich nicht kannte. Während eines der Stücke zeigte mein Mann auf das Programmheft: Die Musik sollte das Grauen des Holocaust hervorrufen – darauf war ich mental nicht vorbereitet.

Trotzdem haben mir diese Flops ein besseres Gespür für die Recherche gegeben – und großartige Geschichten.

Wie ich mir Berlin zu eigen machte

Chrisman fährt mit dem Kajak auf den Berliner Kanälen.

Chrisman fährt mit dem Kajak auf den Berliner Kanälen.

Courtesy of Kate Chrisman

Je öfter wir ausgingen, desto mehr wurde mir klar, wie viel die Stadt selbst mit kleinem Budget zu bieten hat. Von kostenlosen Lichtshows am Bundestag bis hin zu Sonderausstellungen in Museen, die sonst über 20 Euro Eintritt kosten – ich begann, meine Google-Maps-Karte mit Orten zu füllen, die ich jetzt ohne Zögern weiterempfehle.

Zwar habe ich mit einem Ehemann, der für fast alles zu haben ist, wirklich Glück gehabt – aber man braucht keinen Partner dafür. In letzter Zeit nehme ich mich selbst mit auf kulturelle Mittagspausen-Ausflüge. Im Mai habe ich zum Beispiel an einer Stadtführung teilgenommen und dabei die Geschichte von Berlins berühmtestem Krankenhaus kennengelernt – bekannt aus der Netflix-Serie „Charité“.

Als mein Bruder und meine Schwägerin vor ein paar Monaten zu Besuch waren und fragten: „Was sollen wir machen?“, musste ich keinen Reiseführer mehr zurate ziehen. Ich zählte ganz selbstverständlich ein paar Favoriten auf: ein mit einem Michelin-Stern ausgezeichnetes Restaurant mit einem 15-Euro-Mittagsmenü, eine Sauna im balinesischen Stil und ein Halbtagesausflug zu einem nahegelegenen Schloss.

Zwei Jahre lang saß ich in meiner Wohnung, ging kaum aus und hatte das Gefühl, mein Zuhause sei irgendwo anders. Jetzt – mit 78 Einträgen (und es werden mehr) auf meiner Date-Night-Liste – fühlt sich Berlin endlich wie mein Zuhause an.

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