Stand: 11.07.2025 06:00 Uhr
1993 belagerten US-Behörden eine Wohnanlage in Waco, in der sich Anhänger einer christlichen Sekte verschanzten. 86 Menschen starben bei Schießereien zwischen Beamten und Sektenmitgliedern. Der Amerikaner Bret Anthony Johnston erzählt die Geschichte aus der Perspektive zweier Jugendlicher.
Jaye ist ein Teenager und mit ihrer Mutter gerade aus Kalifornien nach Texas gezogen. Die hat sich nämlich der Glaubensgemeinschaft des charismatischen Perry Cullen angeschlossen. Alle nennen ihn nur Lamb – also Lamm. Viel Eindruck macht er nicht auf Jaye.
Perry Cullen war sehnig und näselte beim Reden. Er trug ein schweißgetränktes ärmelloses Shirt und eine Brille mit braungetönten Gläsern. (…) Er fragte, ob wir was dagegen hätten, vor der Mahlzeit zu beten (…)
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Perry Cullen ist Fiktion. Aber offensichtlich beschreibt ihn der Roman in Verhalten und Aussehen wie David Koresh, den Anführer der Branch Davidians. 86 Menschen starben, als das FBI und die US-Waffenbehörde versuchten, ihn wegen verschiedener Vergehen festzunehmen. Auch im Roman ist das so, aber Autor Bret Anthony Johnston sagte der Dallas Morning News:
Über Koresh wurde so viel geschrieben, dass kaum Raum für Vorstellung bleibt. Ich halte es da wie der Schriftsteller E.L. Doctorow. Der sagte: Der Historiker wird dir sagen, was war. Der Schriftsteller, wie es sich angefühlt hat.
Dallas Morning News übersetzt
Gefühlte Wahrheit
Dass es sehr wahrscheinlich ein juristisches Nachspiel durch Überlebende hätte geben können, wenn er die echten Namen in diesem Schlüsselroman genutzt hätte, das verschweigt Johnston. Wie es sich anfühlt, davon bekommt man tatsächlich einen Eindruck. Jaye konfrontiert ihre Mutter wegen derer wachsender Abhängigkeit vom Sektenanführer.
– Hast du ihn gefickt? – fiel ich ihr ins Wort. Ich wollte sie mit der Frage provozieren, (…). Falls jemand sich überrumpelt oder verletzt fühlen sollte, dann sie. (…) Sie schwieg im Dunkeln. (…) „Nein“, (…) Ich habe noch nicht bei ihm gelegen, (…)“Dann bin ich sicher, dass sein Harem dich schon bald aufnehmen wird“, sagte ich.
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Verbotene Liebe, verräterische Entdeckungen
Die Sektenmitglieder dürfen sich frei bewegen in Waco, so trifft Jaye auf Roy. Den Sohn des Sherriffs. Und damit für die staatsskeptische Sekte jemand aus dem gegnerischen Lager. Roy hat ein Händchen fürs Schlösserknacken, schaut sich bei der Sekte um, ohne dass es jemand weiß.
Das Buch, größer, größer als die anderen, stand vor meinen Augen. Als ich es in den Händen hielt, war das Gewicht ungleich verteilt (…) Als ich es aufschlug, wurde mir der Grund klar. Es handelte sich um eine Schachtel und nicht um ein Buch. Drinnen lagen, in Jute gewickelt, vier Handgranaten.
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Roy und Jaye verlieben sich, was angesichts ihrer familiären Loyalitäten ein Problem ist. Roy und Jaye – Romeo und Julia. Kein Zufall. Den Romantitel, „We Burn Daylight“, sagt Mercutio bei Shakespeare zu Romeo, und meint soviel wie „lass uns Zeit verplempern“. Wer diesen Roman liest, tut das aber nicht.
Ich (…) würde auf einem rauen Holzboden sterben, wo ich durch durchlöchertes, körniges Holz körnigen Rauch rieche und mit jedem Schuss etwas zerreißt, (…).
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Glaubhaft beschreibt der Roman den Alltag in einer Sekte. Das Fahren zu Waffenmessen, um Geld zu verdienen. Und wie die Menschen in der Stadt die Sekte mit Argwohn betrachten. Das Romeo und Julia-Konzept ist eher störend, weil es den Erzählfluss oft unterbricht. Genauso wir eine dritte Perspektive in Form eines Podcasts, der die Ereignisse 30 Jahre später betrachtet. Im Kern ist es aber ein hochspannender Roman, der den wahren Ereignissen von Waco eine menschliche Perspektive gibt.
We burn daylight
von Bret Anthony Johnston
- Seitenzahl:
- 492 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- C.H. Beck
- ISBN:
- 978-3-406-83692-3
- Preis:
- 24 €
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