Was, wenn ein Drei-Sterne-Koch Fine Dining gegen Sommer-Leichtigkeit tauscht? Unser Kolumnist Christian Bau besucht Tohru Nakamuras „Bar Tatar“ – Münchens wohl charmantestes Innenhof-Lokal. Hier gibt es präzise Gourmethappen, serviert ohne Hipster-Allüren.
München, Ende Mai. Am Vortag hatten wir im „Tantris“ gekocht – ein großartiger Abend im Kreis der „Les Grandes Tables du Monde“ – und uns entschieden, noch eine Nacht dranzuhängen. Kein Fine Dining dieses Mal, einfach gutes Essen, aber bitte draußen, es war eine lauschige Nacht angekündigt.
Ein Freund gab uns den Tipp: „Geht zu Tohru Nakamura in die ,Bar Tatar‘ im Innenhof der Schreiberei.“ In seinem Gourmetlokal im ersten Stock hat Tohru gerade den dritten Stern erkocht – dazu möchte ich ihm hier ganz herzlich gratulieren! In seiner früheren Wirkungsstätte, dem Restaurant „Werneckhof“ war ich sicher sechsmal und weiß: Der Mann kann kochen.
Meine Frau las die Karte vor: Chateaubriand für zwei, Sauce béarnaise, dünne Pommes, Tatar-Kollektion, Austern. Klang vielversprechend. Am Abend empfing uns ein charmanter Innenhof – eng bestuhlt, lebendig. Jeder Tisch besetzt. Um uns herum das typische Münchner Innenstadtpublikum. Viel Bussi-Bussi, viel Cartier und Louis Vuitton.
Aber: Es passt. Die Atmosphäre ist angenehm mondän, nie aufdringlich. Der Service präsent, aber nicht aufgesetzt. Schwarz uniformiert, ohne Hipster-Allüren. Während das Personal andernorts mitunter allzu leger gekleidet ist, trägt man hier noch Jackett.
Die Karte ist kompakt und durchdacht. Zehn kleine Vorspeisen, die sich teilen lassen, eine wechselnde Auswahl an Bratenstücken, an diesem Abend das besagte Chateaubriand, dazu ein vegetarisches Gericht und Seezunge. Dazwischen Austern, Tatar, Cocktails. Eine Überraschung war der Garnelencocktail: die Garnelen handwarm, frisch gedämpft und gepult, mit einer feinen Cocktailsauce überzogen. Die klassische Rezeptur, aber mit Geschmack und Präzision und eben nicht aus dem Kühlschrank. Bei der Größe des Restaurants so etwas à la Minute zu schicken, zeigt den Anspruch, mit dem hier gekocht wird.
Die Vorspeisen lesen sich unspektakulär, sind es aber keineswegs: Blumenkohl in Panko, serviert mit Mayo, Erdnuss und Koriander – ein vegetarischer „Fried Chicken“-Remix mit Crunch und Tiefe. Eine gedämpfte japanische Aubergine als Salat, Hamachi-Sashimi mit Buttermilch-Vinaigrette und Kohlrabi, gezupftes Brathähnchen mit Caesar-Dressing. Alles sauber gekocht, geschmacklich pointiert, man spürt Tohru Nakamuras Handschrift. Wer ihn schon in „Werneckhof“ erlebt hat, erkennt ihn hier wieder – nur lässiger, verspielter.
Aus der Tatar-Kollektion wählen wir ein thailändisch mariniertes Lachstatar mit knusprigen Ingwerstreifen sowie ein kleines Kunststück aus Kartoffelrösti, Rindertatar und Kaviar – eine augenzwinkernde Hommage an das Signature-Gericht aus dem Drei-Sterne-Restaurant „Sonnora“.
Danach das Châteaubriand: zart, auf den Punkt, wie man sie sich in einem Pariser Bistro wünschen würde. Zum Dessert gab es dann ein Paris-Brest mit Schokoladen-Miso-Crème, warmen Mandelsplittern, Schokosauce. Nicht zu süß, nicht zu schwer – ein gelungener Schlusspunkt.
Natürlich bietet die „Bar Tatar“ keine kulinarische Offenbarung im Sinne von Sternen und Sensationen, aber darum geht es in diesem Innenhof auch nicht. Es geht um Leichtigkeit. Um einen Sommerabend, an dem einfach alles gepasst hat: Stimmung, Musik, Licht, Temperatur – und das Essen. Die Preise? Münchner Innenstadtniveau, aber fair: 13 Euro für den Blumenkohl, 18 für das gezupfte Huhn, 24 für den Garnelencocktail. Austern zu sieben Euro das Stück.
Wer unter freiem Himmel gut essen will, ohne steif zu sitzen – der ist hier richtig. Wenn ich morgen wieder in München wäre, ich würde ohne Zögern zurückkehren. Dieselbe Ecke, dieselbe Stimmung, ein paar Austern, ein Tatar – mehr braucht es manchmal nicht.
Unser Kolumnist Christian Bau kocht im „Victor’s Fine Dining“ in Perl-Nennig, das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist.